Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst
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Selbstwahrnehmung, Affiziert-Sein und Reflexiv-Werden abspielt, als ein<br />
„empathisches Feld“ begreifen, das gemäß der sich dynamisch entwi-<br />
ckelnden Figurenkonstellation und Konfliktlage zwischen den beiden Polen<br />
der Sympathie und Antipathie aufgespannt wird. 6 Dieses empathische Feld<br />
ist, <strong>wie</strong> ich hinzufügen möchte, stets ein intermediäres Feld, weil es nur<br />
insofern und solange existiert, als die symbolische bzw. imaginäre Interaktion<br />
zwischen dem Geschehen auf der Leinwand und dem Bewusstsein<br />
des Zuschauers stattfindet (was nicht bedeutet, dass seine Halbwertzeit<br />
auf die Spieldauer des Films beschränkt ist): Ausschlaggebend ist, dass<br />
dieses empathische, intermediäre Feld zumindest in der Science Fiction-<br />
Welt auch in der Mensch-Maschine-Interaktion entsteht, wenn zwei empfindsame<br />
Beobachter aufeinandertreffen: der homo sapiens und sein Replikant.<br />
Drittes Zitat: Als Kappelhoff auf Jean-Jacques Rousseaus Musikalische<br />
Skizze PYGMALION (1762) und Johann Gottfried Herders Essay über die<br />
PLASTIK (1778) zu sprechen kommt, der sich auf Pygmalions menschenbildnerischen<br />
Traum bezieht, bemerkt er, dass in diesen Texten „die Geburt<br />
der melodramatischen Heroine als Galionsfigur der <strong>Liebe</strong> in Szene<br />
[gesetzt wird]: Ihre Verwandlung markiert die Pole der zeitlichen Achse,<br />
welche die Heroine im Prozeß des Melodramas Mal um Mal durchläuft: Beginnend<br />
als Objekt eines begehrlichen Blicks und endend im Bewußtsein<br />
einer sich als Weiblichkeit gewahr werdenden Sensibilität.“ 7 Die Urszene<br />
der melodramatischen <strong>Liebe</strong>, die zugleich die Urszene des filmischen Melodrams<br />
darstellt, lässt also die Heroine einen Prozess der Selbstwahrnehmung<br />
durchlaufen, an dessen Ende das Bewusstsein für die Entfaltung<br />
genau jener artifiziellen Innerlichkeit steht, auf die auch die Wahrnehmung<br />
und Deutung dieses Prozesses durch die Zuschauer hinauslaufen.<br />
*<br />
Der Prozess, bei dem die Frau zunächst unmittelbar als Objekt der Begierde<br />
erscheint und sich dann unter den Augen des Zuschauers in ein empfindsames<br />
Subjekt verwandelt – was ja bedeutet, dass sie zu einem dynamischen<br />
Objekt der Selbsterfahrung des Zuschauers als empfindendes<br />
Subjekt wird – bestimmt auch die Schlüsselszene in Ridley Scotts The Bla-<br />
6 Vgl. Hans J. Wulff: Das empathische Feld. In: Film und Psychologie – nach der kognitiven Phase? Hrsg. v. Jan<br />
Sellner und Hans J. Wulff. Marburg 2002, S. 109-122, insbesondere S. 110 und S. 119ff.<br />
7 Kappelhoff, S. 179.<br />
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