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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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genen Gefühlsreaktionen auf die dargestellten Figuren und Aktionen zum<br />

Gegenstand der Interpretation.<br />

Mit der begrifflichen Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und<br />

dem dynamischen Objekt der Wahrnehmung und Deutung habe ich eine<br />

Terminologie von Charles Sanders Peirce (1839-1914) verwendet, die<br />

Kappelhoff <strong>selbst</strong> nicht benutzt, die jedoch hilft, rascher als es ein umständliches<br />

Referat seiner Ausführungen erlauben würde, zu ihrem Kern<br />

vorzudringen. Dieser Kern lässt sich mit drei Zitaten einkreisen, die ich<br />

jeweils zurückbinden werde an das Thema der Menschwerdung der Maschine.<br />

Erstes Zitat: „Die melodramatische Darstellung strukturiert den Prozeß<br />

des Zuschauens als Entfaltung einer artifiziellen Innerlichkeit.“ 4 Zugleich<br />

ist diese Entfaltung einer artifiziellen Innerlichkeit aber auch der Prozess,<br />

den im Science Fiction-Genre Maschinen <strong>wie</strong> Data in der Star Trek-Serie<br />

durchlaufen müssen, um über die äußerliche Ähnlichkeit hinaus als Ebenbilder<br />

des Menschen eingestuft werden zu können.<br />

Zweites Zitat: „Das sympathetische Nachempfinden der Gefühlslage der<br />

Figur ist lediglich das Movens eines Selbstempfindens, das dem Zuschauer<br />

den Raum seiner eigenen Innerlichkeit eröffnet.“ 5 Diese Bemerkung bezieht<br />

sich auf Lessings Konzept des Mitleids, das sowohl für das Theater<br />

der Empfindsamkeit als auch für das filmische Melodram wegweisend war,<br />

weil es das Moment der Reflexivität in den Prozess des emphatischen<br />

Nachvollzugs der inneren Geschichte einer Figur einbaut, die der Schauspieler<br />

in Mimus, Gestik, Proxemik und Dialog auszudrücken versucht.<br />

Entscheidend ist, dass dieses Reflexivwerden der Empathie an eine dezidiert<br />

visuelle Szene gekoppelt ist, nämlich an die Beobachtung dessen,<br />

was sich vor allem im Antlitz, aber auch in den Bewegungen einer dramatischen<br />

Person zu spiegeln scheint. Es ist dabei gar nicht so leicht und<br />

kaum eindeutig zu sagen, womit dieser Prozess eigentlich beginnt: Mit der<br />

Wahrnehmung der eigenen Affekte, die in die Darstellung projiziert werden,<br />

oder mit der Wahrnehmung der Emotionen, die der Darsteller der<br />

Szene vorgibt, und die dann vom Zuschauer introjiziert werden? Mit einem<br />

von Hans J. Wulff klug gewählten Begriff kann man den Bereich, in dem<br />

sich dieses Wechselspiel von Projektion und Introjektion, Fremd- und<br />

4 Kappelhoff, S. 29.<br />

5 Kappelhoff, S. 81.<br />

3

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