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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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die Auffassung von La Mettrie, dass es die Integration eines Geschöpfes in<br />

die Sprache und Kultur einer Gesellschaft ist, die ihr Empfinden und Ver-<br />

halten entscheidend prägt.<br />

Wie gesagt: Condillacs Abhandlung über die Empfindungen ist ein Gedan-<br />

kenexperiment, ein theoretisches Konstrukt. Man könnte den Roman von<br />

Mary Shelley als ihr pragmatisches Pendant ansehen, da er im Rahmen<br />

einer ebenfalls heuristischen, aber poetisch ausgemalten Fiktion Überle-<br />

gungen zu den Folgen anstellt, die sich ergeben würden, wenn ein künstli-<br />

cher Mensch, der eine ähnliche Subjektgenese <strong>wie</strong> die Statue in Condillacs<br />

Essay durchläuft, auf Menschen trifft, die ihn nicht nach seinem inneren<br />

Wert und Selbstgefühl, sondern allein nach seinem Äußeren beurteilen<br />

und behandeln.<br />

Aber auch die pragmatisch orientierte Versuchsanordnung des Frankensteins-Romans<br />

ist und bleibt eben ein Gedankenexperiment – genauso <strong>wie</strong><br />

die heuristischen Fiktionen eines Philip K. Dick oder eines Stanislaw Lem.<br />

Allerdings könnten sie schon bald als Antizipationen einer Form der<br />

Mensch-Maschine-Interaktion gelesen werden, deren Realisierung unmittelbar<br />

bevorsteht. Rodney Brooks jedenfalls, Direktor des Artificial Intelligence<br />

Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Chef einer<br />

Firma mit dem von Isaac Asimov entlehnten, sprechenden Namen iRobot<br />

Corporation, prophezeit in seinem Buch MENSCHMASCHINEN. WIE UNS DIE ZU-<br />

KUNFTSECHNOLOGIEN NEU ERSCHAFFEN eine Verschmelzung von menschlichem<br />

Körper und Maschine, <strong>wie</strong> sie der Cyborg im Film schon jetzt vor Augen<br />

führt. Längst gibt es neuronale Verbindungen zwischen Mensch und Maschine<br />

45 und längst hat auch die neurobiologisch orientierte Kognitionswissenschaft<br />

den Irrtum von Descartes erkannt, dass es nämlich nicht die<br />

Trennung, sondern die Verbindung von Geist und Körper ist, die allem<br />

menschenähnlichen Empfinden und Denken zugrunde liegt. So kehrt die<br />

Rede vom ‚embodiment‘ die Logik der Argumentation um: Weder gibt es<br />

Maschinen, die durch einen Geist beseelt werden, noch Geister ohne Leib.<br />

Nur dank eines Körpers, der mit seiner Umwelt sensomotorisch interagiert,<br />

also mit anderen Körpern leibhaftige Erfahrungen macht, ist ein<br />

Lebewesen in der Lage, sich reflexiv auf das eigene Verhalten einzustellen<br />

und so etwas <strong>wie</strong> eine Psyche zu entwickeln.<br />

45 Rodney Brooks: Menschmaschinen. Wie uns die Zukunftstechnologien neu erschaffen. Aus dem Amerikanischen<br />

von Andreas Simon. Frankfurt New York 2002, S. 10.<br />

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