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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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genter Konfliktverläufe geht, würde der kognitive Mehrwert der Inszenie-<br />

rung erheblich geschmälert. Man muss daher das filmische Melodram als<br />

Medium der Erkenntnisvermittlung im Modus der Gefühlserregung verstehen,<br />

hat damit aber noch nicht sein Spezifikum erfasst. Denn um Erkenntnisvermittlung<br />

im Modus der Gefühlserregung geht es ja fast immer im<br />

Kino und überhaupt in allen dramatisch erzählten Geschichten (was <strong>wie</strong>derum<br />

erklärt, warum das filmische Melodram als Paradigma für die Wirkungsästhetik<br />

des Kinos gilt).<br />

Um nun der spezifischen Pointe der Themenentfaltung in The Blade Runner<br />

auf die Spur zu kommen und zu begreifen, <strong>wie</strong> der Vorgang der<br />

Menschwerdung einer Maschine mit der psycho-semiotischen Aktivität des<br />

Zuschauers und der Inszenierung einer artifiziellen Innerlichkeit zusammenhängt,<br />

empfiehlt es sich, Scotts Film mit seiner Textvorlage zu vergleichen:<br />

In seinem 1968 unter dem Titel DO ANDROIDS DREAM OF ELECTRIC SHEEP?<br />

erstmals veröffentlichten Roman stellt Philip K. Dick (1928-1982) zwar das<br />

auch für Ridley Scott entscheidende Problem der Un-Unterscheidbarkeit<br />

von Mensch und Maschine, von homo sapiens und Replikant heraus, nutzt<br />

aber nur in sehr begrenztem Maße die Möglichkeiten des Melodrams, um<br />

dieses Problem zu veranschaulichen. Insbesondere die Figur der Rachael<br />

Rosen erfüllt im Roman eine ganz andere Funktion als im Film. Bei Dick<br />

setzt sie ihre erotische Verführungskraft ebenso zielstrebig <strong>wie</strong> kaltschnäuzig<br />

lediglich dazu ein, <strong>Replikanten</strong>jäger <strong>wie</strong> Rick Deckard in ihrer<br />

beruflichen Identität zu verunsichern. Das mag auch damit zusammenhängen,<br />

dass Deckard bei Dick mit Iran verheiratet ist, die ihn gleich zu<br />

Beginn der Geschichte als „Mörder“ apostrophiert, 10 weil er keinerlei Mitleid<br />

mit den Androiden empfindet, die sie liebevoll als „Andys“ bezeichnet.<br />

Der Erzähler kommentiert diese Gefühllosigkeit einige Seiten später mit<br />

den Worten:<br />

„Für Rick Deckard war ein entsprungener Androide, der seinen Herrn getötet<br />

hatte, der über eine größere Intelligenz als viele menschliche Wesen<br />

verfügte, der keine Tierliebe zeigte, der nicht die Fähigkeit besaß, empa-<br />

10 Vgl. Philip K. Dick: Blade Runner. Roman. Überarbeitete Neuausgabe. Deutsche Übersetzung von Norbert<br />

Wölfl, durchgesehen und ergänzt von Jacqueline Dougoud 2. Auflage. München 2002, S. 9.<br />

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