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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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der sichtbaren Kosmographie dieses Films außen ist, von innen kommen<br />

kann und umgekehrt, was innen ist, einmal außen gewesen zu sein<br />

scheint (Hari, die Landschaft usw.). Die Raumstation stellt gleichsam die<br />

Allegorie eines erweiterten Bewußtseins dar, einer Bühne der Erinnerung,<br />

auf der die Grenzen zwischen damals und heute aufgehoben scheinen.“ 40<br />

Sieht man dieses Wechselspiel von Introjektion und Projektion im Zusammenhang<br />

mit dem melodramatischen Thema der <strong>Liebe</strong>, das in Solaris<br />

entfaltet wird, stößt man erneut auf den reflexiven Prozess der artifiziellen<br />

Herstellung subjektiver Innerlichkeit durch ein dynamisches Objekt der<br />

Interpretation. Man kann diesen Prozess moralisch interpretieren, <strong>wie</strong> dies<br />

Thomas Klein in seinem Beitrag im Reclam-Reader zum Science Fiction-<br />

Film getan hat:<br />

„Unter den emotionalen Fähigkeiten des Menschen plädiert Solaris vor allem<br />

für die <strong>Liebe</strong>. Das Lebendigwerden der Erinnerung an die Ehefrau, deren<br />

Selbstmord er verschuldete, setzt in Kelvin einen Läuterungsprozess<br />

in Gang. [...] Nur der Glaube an die <strong>Liebe</strong> kann ihn retten. Es ist auch die<br />

Fähigkeit zur <strong>Liebe</strong>, mit der die immer <strong>wie</strong>der auferstehende Hari ihre zunehmende<br />

Menschwerdung begründet. Indem sie, das Phantasma, Kelvin<br />

liebt, wird sie Mensch.“ 41<br />

Ausdrücklich spricht Klein also von der Menschwerdung eines künstlichen<br />

Geschöpfs, auch wenn man Hari nicht im technokratischen Sinn des Wortes<br />

als Maschine auffassen kann. Jedenfalls stellt Tarkowskij anhand der<br />

Ko-Evolution von Kris‘ und Haris Bewusstsein ebenso <strong>wie</strong> anhand der Inversion<br />

von Innen- und Außenwelt, von Original und Kopie, heraus, <strong>wie</strong><br />

sehr die Menschwerdung im emphatischen Sinn des Wortes auf ein Simulakrum<br />

rekurriert. Der Unterschied zwischen Lems Roman und Tarkowskijs<br />

Film liegt, abgesehen von ihren verschiedenartigen Darstellungsmitteln,<br />

darin, dass diese transzendente Perspektive auf das Dasein in der Textvorlage<br />

eine bloß heuristische Vorrichtung zur Veranschaulichung eines<br />

Paradoxons ist, da der Mensch zugleich um die Un-Möglichkeit und um die<br />

Un-Verzichtbarkeit der <strong>Liebe</strong> weiß. Demgegenüber erscheint der Kniefall<br />

des Sohnes vor dem Vater, der von Tarkowskijs Film in Erinnerung bleibt,<br />

39<br />

Vgl. Thomas Klein: Solaris. In: Filmgenres Science Fiction, hrsg. v. Thomas Koebner. Stuttgart 2003, S. 240.<br />

40<br />

Koebner, Wovon träumen die Geschöpfe des Prometheus? S. 67.<br />

41<br />

Klein, S. 241.<br />

24

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