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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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spiegelt. Dass damit zugleich die anthropologische Differenz von Mensch<br />

und Maschine aufgehoben wird, macht den Clou dieser Schlüsselszene<br />

aus.<br />

Der Umstand, dass Rick Deckards Name, frankophon prononciert, an René<br />

Descartes erinnert, hat also eine tiefere Bedeutung. The Blade Runner ist<br />

eine Revision des traditionellen Menschenbilds, und es ist daher auch kein<br />

Zufall, dass der <strong>Replikanten</strong>jäger, als er Pris Stratton aufspürt, in ein Kabinett<br />

von Automaten gerät, das Exponate umfasst., die an E.T.A. Hoffmanns<br />

Olympia-Puppe aus DER SANDMANN und ähnliche Figuren erinnern.<br />

Dass ausgerechnet Pris im Film Descartes’ „cogito ergo sum“ rezitiert, gehört<br />

in den gleichen Zusammenhang. Ebenso offensichtlich knüpft der Film<br />

allerdings an eine weitere Genealogie des modernen Menschen an, die<br />

vom Prothesengott zum Cyborg führt:<br />

Schon 1930 hatte Sigmund Freud in seinem Essay DAS UNBEHAGEN IN DER<br />

KULTUR darauf hinge<strong>wie</strong>sen, dass der Mensch mit all den technischen Hilfsorganen,<br />

die er sich geschaffen hat, ein „Prothesengott“ geworden sei. 29<br />

Auf der gleichen Linie liegt Marschall McLuhans These, dass die Medien<br />

Ausdehnungen des menschlichen Körpers, seiner Sinne und seiner Extremitäten<br />

seien. Und nur drei Jahre nach dem Kinostart von The Blade Runner,<br />

nämlich 1985, bemerkte Donna Haraway in EIN MANIFEST FÜR CYBORGS:<br />

„Im späten 20. Jahrhundert, in unserer Zeit, einer mythischen Zeit, haben<br />

wir uns alle in Chimären, theoretisierte und fabrizierte Hybride aus Maschine<br />

und Organismus verwandelt, kurz, wir sind Cyborgs.“ 30<br />

Vor diesem Hintergrund gewinnt eine Beobachtung von Thomas Koebner<br />

Relevanz, die er in seiner lesenswerten, bereits mehrfach zitierten Interpretation<br />

von The Blade Runner im Hinblick auf das Recycling kultureller<br />

Muster mitteilt, das Ridley Scott, seine Bühnenbildner und Ausstatter betrieben<br />

haben:<br />

„Das Zitathafte der geschichtlichen Verweise und Dokumente korrespondiert<br />

dem Zitathaften der Erinnerungen im Gedächtnis der <strong>Replikanten</strong>. Da<br />

29 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur. In: Das Unbehagen in der Kultur und andere kulturtheoretische<br />

Schriften. Einleitung von Alfred Lorenzer und Bernhard Görlich. Frankfurt am Main 1994, S. 57.<br />

30 Donna Haraway: Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften. Übersetzung.<br />

Fritz Wolf. In: Dieselbe: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, herausgegeben und<br />

eingeleitet von Carmen Hammer und Immanuel Stieß. Frankfurt New York 1995, S. 33-72, Zitat S. 34.<br />

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