Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst
Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst
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Eine <strong>wie</strong>derum fiktionale Bestätigung erfährt diese Sicht der Dinge in dem<br />
Roman SOLARIS, den Stanislaw Lem 1968 erstmals publiziert hat. Er handelt<br />
nicht von Maschinen-Menschen, die man als <strong>Replikanten</strong> bezeichnen<br />
könnte, sondern von Replikationen der menschlichen Psyche, die sich in<br />
somatischer Form materialisieren. Kris Kelvin, der Ich-Erzähler des Romans,<br />
berichtet, <strong>wie</strong> er auf eine Raumstation geschickt wurde, die den<br />
rätselhaften Solaris-Ozean umkreist. Rätselhaft ist vor allem die starke<br />
Wechselwirkung, die zwischen der Materie dieses Ozeans und dem Gedächtnis<br />
der Astronauten entstanden ist. Nachdem man Solaris mit Röntgenstrahlen<br />
beschossen und zu einer Reaktion provoziert hat, werden die<br />
Astronauten auf ihrer Raumstation von seltsamen ‚Gästen‘ heimgesucht,<br />
die sich als Neutrino-Inkarnationen ihrer Wunsch- und Alpträume erweisen<br />
und sich genau so schnell, aber auch genau so hartnäckig zu regenerieren<br />
vermögen, <strong>wie</strong> es fixe Idee tun, die man gerade dadurch ständig <strong>wie</strong>der<br />
ins Bewusstsein holt, dass man sie vorsätzlich loswerden möchte.<br />
Folgerichtig wird der Solaris-Ozean im Roman als „protoplasmatisches<br />
Hirn-Meer“ bezeichnet. 32 Die starke Wechselwirkung dieser Materie mit<br />
dem menschlichen Gedächtnis wirkt, als habe Lem die Philosophie von<br />
Henri Bergson mit den erzählerischen Mitteln der Science Fiction veranschaulichen<br />
wollen. Auch Kelvin wird alsbald von den Erinnerungen an seine<br />
Frau Harey heimgesucht, an deren Selbstmord er sich schuldig fühlt.<br />
Als er das erste Mal auf der Raumstation erwacht, sitzt sie vor ihm. „Wie<br />
gut, daß das ein Traum ist, bei dem man weiß, daß man träumt“, 33 denkt<br />
Kris zunächst, muss dann aber erkennen, dass Harey auch im Wachzustand<br />
an seiner Seite bleibt. Es kommt sogar zur körperlichen Vereinigung<br />
zwischen den beiden, zur Wiedergeburt ihrer <strong>Liebe</strong>.<br />
Dennoch oder gerade deshalb gerät der Aufenthalt auf der Raumstation<br />
für Kelvin zu einer Zeit der Trauerarbeit, ohne dass es ihm abschließend<br />
gelingt, sein Wunschdenken mit dem Realitätssinn zu vermitteln. Kelvin<br />
weiß sehr wohl, dass seine Hoffnung auf eine Rückkehr der echten Geliebten<br />
illusorisch ist, aber er kann auch nicht mehr ohne ihr Phantasma leben:<br />
Ecce homo. Zudem entwickeln die ‚Gäste‘ ihrerseits ein mehr oder<br />
weniger eigenständiges Gefühlsleben. So leidet Harey daran, nicht authentisch<br />
und autonom zu sein. Da sie nur eine Materialisation von Kris‘<br />
32<br />
Vgl. Stanislaw Lem: Solaris. Roman. Deutsch von Irmtraud Zimmermann-Göllheim. München 12. Auflage<br />
1997, S. 27.<br />
33<br />
Lem, S. 62.<br />
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