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Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter

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P S Y C H O L O G I E<br />

men Bezugspersonen in seinem Umfeld,<br />

z.B. die Lehrer/innen etc., eingebunden.<br />

Der Schüler/die Schülerin steht im Zentrum<br />

des Planungsgeschehens innerhalb<br />

der MAPs-Konferenzen. Es wird<br />

nicht nur am grünen Tisch oder in einer<br />

Fallkonferenz über ihn beraten und für<br />

ihn geplant, sondern unmittelbar mit<br />

ihm selbst gesprochen, geplant und entschieden.<br />

Alle Prozessteilnehmer entwickeln<br />

kollektiv einen Plan, der den Wünschen,<br />

den Vorstellungen und Motivationen des<br />

Schülers für sein aktuelles Lernen und<br />

für seine zukünftige Lebensführung am<br />

nächsten kommt. Dieser Plan hat somit<br />

auch die Aufgabe, die Stärken und<br />

Schwächen des Schülers aufzuzeigen.<br />

Der prozessuale Verlauf dieser<br />

MAPs-Konferenzen muss unmittelbar<br />

zu einem realisierbaren Handlungs-<br />

Plan führen, der den Schüler in seinen<br />

von ihm eingebrachten Lebensvorstellungen<br />

unterstützt und mögliche Zukunftsängste<br />

minimiert.<br />

Deshalb sind bei der Aufstellung von<br />

MAPs folgende Variablen zugrunde zu<br />

legen:<br />

Die Entwicklungsgeschichte des<br />

Menschen mit Down-Syndrom im<br />

soziokulturellen (ökologisch-systemischen)<br />

Umfeld ist zu skizzieren.<br />

Träume, Vorstellungen, Motivationen<br />

und Interessen des Schülers<br />

sind differenziert über Beobachtungen<br />

oder Gespräche zu erfassen.<br />

Stärken und Fähigkeiten sollten<br />

erkannt werden.<br />

Aktuelle Bedürfnisse sollten festgehalten<br />

und auf ihre zeitliche Stabilität<br />

hin beurteilt werden.<br />

Schwierigkeiten, Ängste und Befürchtungen<br />

der Schüler/innen mit<br />

Down-Syndrom in ihrem soziokulturellen<br />

Umfeld sollten wahrgenommen<br />

werden.<br />

Deshalb werden MAPs-Konferenzen an<br />

verschiedenen Örtlichkeiten arrangiert,<br />

z.B. im Klassenzimmer, in der Schulküche,<br />

auf dem Schulhof, in der Schuloder<br />

Familien-Wohnung, im Café, an<br />

Arbeits- und Freizeitplätzen, in öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln. Alle Mitglieder<br />

der MAPs-”Gemeinde” begeben sich somit<br />

in jene Umgebungssysteme, z.B. in<br />

das Primärsystem der Familie (“Mikrosystem”),<br />

in das verwandtschaftliche<br />

Umfeld, zu Freunden, in die Nachbarschaft<br />

(“Mesosystem”) und in die Kom-<br />

14 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>34</strong>, <strong>Mai</strong> 2000<br />

mune (“Exosystem”) (BRONFENBREN-<br />

NER 1981), für die die Planungen und<br />

Entscheidungen vom Schüler mit Down-<br />

Syndrom zu treffen sind. Um diese Möglichkeiten,<br />

beginnend in der Mittelstufe<br />

und verstärkt in der Ober- und Abschlussstufe,<br />

voll ausschöpfen zu können,<br />

sind die Schüler/innen schon in der<br />

Familie, im Kindergarten und in den unteren<br />

Schulstufen auf ein selbst bestimmtes<br />

Verhalten hin zu erziehen.<br />

Der individuelle Entwicklungsplan<br />

Die Umsetzung dieses Konzeptes für<br />

den Schüler/die Schülerin erfolgt dann<br />

im IEP, dem individuellen Erziehungsplan.<br />

Dieser individuelle Erziehungsplan<br />

hat somit zum einen die ätiologiespezifischen<br />

Besonderheiten und zum<br />

anderen die spezifischen Stärken und<br />

Schwächen des Schülers, einschließlich<br />

seiner selbst formulierten Vorstellungen<br />

und Wünsche hinsichtlich der zukünftig<br />

zu vermittelnden Inhalte in der Schule,<br />

zu beachten.<br />

Gelingt dies in den unterrichtlichen<br />

Interventionen nicht, so können genau<br />

gegenläufige Effekte zu den intendierten<br />

auftreten, wie dies WISHART (1996)<br />

formuliert: “Any intervention, no matter<br />

how well-intended, runs the risk of having<br />

the opposite effect to that disired if<br />

the training method adopted are not<br />

firmly grounded in an understanding of<br />

how the process of learning normally<br />

unfolds in any given group of children.”<br />

Sind die schulischen Lerninhalte dieses<br />

IEP eng auf die realen, in den MAPs<br />

ausgearbeiteten Lebensvollzüge ausgerichtet<br />

und werden diese in der realen<br />

Wirklichkeit methodisch auf den Schüler<br />

abgestimmt, haben Menschen mit<br />

Down-Syndrom gute Chancen, praktische<br />

Handlungskompetenzen aktuell<br />

und für ihre persönliche Lebensgestaltung<br />

in der Zukunft zu erwerben. Viele<br />

lebenspraktisch ausgerichtete Leistungen<br />

können eigenständig vollzogen werden,<br />

die sonst andernfalls von Eltern<br />

und Betreuern unter Umständen lebenslang<br />

eingebracht werden müssten.<br />

Zusammenfassung<br />

Sich selbst zu bestimmen, seine eigenen<br />

Pläne gemeinsam und verantwortlich<br />

mit vertrauten Bezugspersonen zu<br />

schmieden, um seine Träume zu realisieren<br />

und sein aktuelles und zukünftiges<br />

Leben selbst aktiv mitzugestalten,<br />

ist ein Teil der Kompetenzen, die die<br />

“junge” Generation von Menschen mit<br />

Down-Syndrom für ihre weitere Lebensführung<br />

als erwachsene Menschen<br />

schon im Schul- und Familienalltag erwerben<br />

sollten. JASON KINGSLEY und<br />

MITCHELL LEVITZ konnten belegen,<br />

dass dies möglich ist. Dieser Selbstbestimmung<br />

kommt umso mehr Bedeutung<br />

zu, je mehr damit die Lernmotivation<br />

der Schüler/innen mit Down-Syndrom<br />

gestützt und das häufig beobachtbare<br />

passive Lernverhalten minimiert<br />

wird.<br />

Zudem lässt das eigenverantwortliche<br />

Mitwirken der Schüler/innen mit<br />

Down-Syndrom in den MAPs-Konferenzen<br />

auch eindeutig auf unterschiedlich<br />

ausdifferenzierte Leistungsstärken, Interessen,<br />

Neigungen und Leistungsschwächen<br />

in den ätiologiespezifisch<br />

festzustellenden Entwicklungshomologien<br />

schließen. Die schulisch notwendigen<br />

Interventionen, die auf diesen individuell<br />

sich entwickelnden Homologien<br />

aufbauen müssen, verlangen damit von<br />

den Lehrern/innen klar strukturierte,<br />

intentional-organisierte Lernangebote<br />

in den IEPs zu entwickeln und für die<br />

Schüler/innen bereitzuhalten. Die Beachtung<br />

der spezifischen Lernmöglichkeiten<br />

trägt insgesamt dazu bei, dass die<br />

Menschen mit Down-Syndrom ihre unverwechselbare<br />

Identität aufbauen können<br />

und lernen, damit in ihrem soziokulturellen<br />

Umfeld zu leben.<br />

Autor:<br />

Prof. Dr. Werner Dittmann<br />

Institut für Sonder- und Heilpädagogik<br />

Universität Rostock<br />

August-Bebel-Straße 28<br />

18051 Rostock

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