Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter
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M E D I Z I N<br />
Down-Syndrom und<br />
autistische Störungen<br />
Was wissen wir heute?<br />
George T. Capone, MD<br />
Übersetzung: Cora Halder<br />
Es gibt wenig Literatur oder Studien über die doppelte<br />
Diagnose Down-Syndrom und Autismus. Vielmehr nahm<br />
man noch vor nicht sehr langer Zeit an, dass diese<br />
beiden Diagnosen nicht zusammen auftreten könnten.<br />
Man erzählte Eltern, dass ihr Kind mit Down-Syndrom<br />
geistig schwerst beeinträchtigt war, ohne nach einer<br />
Ursache zu suchen.<br />
Heute hat die Medizin erkannt, dass auch bei Menschen<br />
mit Down-Syndrom tief greifende Entwicklungsstörungen,<br />
wie Autismus oder Zwangsneurosen,<br />
vorkommen können. Weil diese Erkenntnisse für<br />
Fachleute aus dem medizinischen und pädagogischen<br />
Bereich noch relativ neu sind, weiß man erst wenig über<br />
Kinder und Erwachsene mit dieser doppelten Diagnose.<br />
Im Kennedy Krieger Institut werden seit einigen Jahren<br />
Daten zu dieser Thematik gesammelt. Erste Ergebnisse<br />
werden in diesem Artikel dargelegt.<br />
W<br />
ährend der letzten zehn Jahre<br />
habe ich über Hunderte von Kindern<br />
mit Down-Syndrom Gutachten geschrieben,<br />
jedes von ihnen mit seinen<br />
eigenen Stärken und Schwächen und<br />
ganz sicher mit einer ganz eigenen<br />
Persönlichkeit. Ich glaube nicht, dass<br />
ich in unserer Klinik jemals Eltern begegnet<br />
bin, die sich nicht intensiv um ihr<br />
Kind kümmern, ihre Liebe und ihre Hingabe<br />
für ihr Kind sind ganz offensichtlich.<br />
Einige Eltern jedoch blieben mir<br />
besonders im Gedächtnis. Es sind die<br />
Eltern, die mit ihrem Kind in die Klinik<br />
kommen und tief besorgt sind über eine<br />
Veränderung im Verhalten oder in der<br />
Entwicklung des Kindes. Sie beschreiben<br />
Situationen oder Verhaltensweisen,<br />
die ihnen Sorgen machen, z.B. dass das<br />
22 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>34</strong>, <strong>Mai</strong> 2000<br />
Kind aufgehört hat, neue Gebärden zu<br />
lernen, oder nicht mehr spricht. Das<br />
Kind scheint zufrieden zu sein, wenn es<br />
ganz allein für sich spielt, es braucht<br />
auch niemanden bei seinem oft eigenartig<br />
anmutenden Spiel (ein Spielzeug<br />
schütteln, Gegenstände aufreihen), das<br />
ihm selbst anscheinend Spaß bereitet.<br />
Wenn man es ruft, schaut es nicht. Hört<br />
es vielleicht nicht gut? Das Kind isst nur<br />
drei, vier verschiedene Speisen. Ihm eine<br />
neue Speise vorzusetzen oder auch<br />
ein früheres Lieblingsessen zu servieren,<br />
kann einen richtigen Wutanfall<br />
auslösen. Das Kind starrt ohne Unterlass<br />
auf Lichter oder auf einen Ventilator,<br />
der an der Decke hängt – fast schon<br />
wie besessen. Es von einer solchen Beschäftigung<br />
wegzulocken, ist manchmal<br />
sehr schwierig und kann zu einer richtigen<br />
Szene führen. Es braucht eine gewisse<br />
Ordnung um sich herum. Wenn<br />
ein Stuhl in einem Zimmer an eine andere<br />
Stelle gestellt wird, kann es dies<br />
furchtbar aufregen und es beruhigt sich<br />
erst, wenn der Stuhl wieder an die übliche<br />
Stelle zurückgestellt wird.<br />
Einige Familien haben sich schon<br />
ein wenig informiert und erwähnen,<br />
dass sie glauben, dass ihr Kind außer<br />
dem Down-Syndrom vielleicht autistische<br />
Züge hat. Andere haben keine Ahnung,<br />
was los ist. Sie wissen, dass etwas<br />
nicht stimmt, und wollen sofort eine<br />
Antwort. Dieser Artikel ist für Familien,<br />
die sich in einer solchen oder ähnlichen<br />
Situation befinden. Wenn bei Ihrem<br />
Kind diese doppelte Diagnose von<br />
Down-Syndrom und Autismus festgestellt<br />
wurde oder wenn sie den Verdacht<br />
haben, dass ihr Kind autistische Störungen<br />
hat, können Sie sich hier ein wenig<br />
informieren, was dies bedeutet und<br />
was wir aus unseren gesammelten Erkenntnissen<br />
bis jetzt gewonnen haben.<br />
Es gibt wenig Literatur oder Studien<br />
über Menschen mit Down-Syndrom und<br />
Autismus-Syndrom. Tatsache ist, dass<br />
man bis noch vor nicht sehr langer Zeit<br />
annahm, dass diese beiden Diagnosen<br />
nicht zusammen auftreten konnten.<br />
Man erzählte Eltern dann, dass ihr Kind<br />
mit Down-Syndrom geistig schwerst beeinträchtigt<br />
war, ohne weiter zu untersuchen,<br />
was der Grund dafür war. Heute<br />
hat die Medizin erkannt, dass bei<br />
Menschen mit Down-Syndrom auch tief<br />
greifende Entwicklungsstörungen, wie<br />
Autismus oder eine Zwangsneurose,<br />
vorkommen können. Weil diese Erkenntnisse<br />
für Fachleute aus dem medizinischen<br />
und pädagogischen Bereich<br />
noch relativ neu sind, weiß man nur wenig<br />
über Kinder und Erwachsene mit<br />
der doppelten Diagnose.<br />
In den vergangenen sechs Jahren<br />
haben wir im Kennedy Krieger Institut<br />
Daten gesammelt über Down-Syndrom<br />
und Autismus. Wir haben aus medizinischen<br />
und psychologischen Untersuchungen,<br />
aus Verhaltenstests und<br />
Kernspintomographien vom Gehirn Ergebnisse<br />
gesammelt und ausgewertet.<br />
Das Kennedy Krieger Institut begleitet<br />
zurzeit eine Gruppe von ungefähr 30<br />
Kindern mit Down-Syndrom und Autismus,<br />
wahrscheinlich die größte Gruppe<br />
von Kindern mit dieser Diagnose, die jemals<br />
untersucht wurde.