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Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter

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M O N T E S S O R I<br />

Das Montessori-Material<br />

Nicole Schweiger<br />

“Nichts ist im Geiste, was vorher nicht in den Sinnen<br />

war.” Zitat Aristoteles<br />

D<br />

as Montessori-Material taucht im<br />

Zusammenhang mit dem reformpädagogischen<br />

Ansatz immer wieder<br />

auf. Zur Klärung sollen hier die vier<br />

Hauptbereiche der Pädagogik mit ihren<br />

Materialien und Zielen grob umrissen<br />

und vorgestellt werden.<br />

Neben Lehrmitteln zur kosmischen,<br />

musikalischen und religiösen Erziehung<br />

lässt sich das Montessori-Material in<br />

vier Bereiche aufgliedern:<br />

Übungen des täglichen Lebens<br />

Sinnesmaterial<br />

Material zum Bereich Sprache<br />

Material zum Bereich Mathematik<br />

Die Übungen des täglichen Lebens<br />

Das Kind im Vorschulalter ist in der sensiblen<br />

Phase der Entwicklung präziser<br />

Bewegungsabläufe. Dies macht sich<br />

durch seinen enormen Bewegungsdrang<br />

bemerkbar, der besonders durch<br />

Nachahmung von häuslichen Tätigkeiten<br />

Erwachsener Ausdruck findet.<br />

In dieser Zeit soll das Kind in seiner<br />

Umwelt Möglichkeiten finden, seinen<br />

Bewegungsdrang auszuleben und zu<br />

koordinieren. Die vorbereitete Umgebung<br />

muss hierbei in Größe, Handlichkeit<br />

und Aufforderungscharakter den<br />

kindlichen Bedürfnissen entsprechen<br />

(z.B. Kinderbesen, Puppenküche etc.).<br />

Die Übungen des täglichen Lebens<br />

umfassen die Pflege der eigenen Person,<br />

der Umgebung und der sozialen Beziehungen<br />

sowie Stilleübungen.<br />

Die Erzieherin führt die Bewegungen,<br />

z.B. beim Schleifenbinden, im Zeitlupentempo<br />

vor und analysiert die einzelnen<br />

Schritte genau, sodass die komplexe<br />

Handlung für das Kind durchschaubar<br />

wird. Das Vorschulkind hat<br />

viel Spaß an diesen Tätigkeiten, was in<br />

Montessori-Kinderhäusern immer wieder<br />

beobachtet werden kann. Durch das<br />

Erlernen der Fertigkeiten macht es sich<br />

vom Erwachsenen weitgehend<br />

unabhängig, was seinem Selbstwertgefühl<br />

förderlich ist.<br />

38 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>34</strong>, <strong>Mai</strong> 2000<br />

Das Sinnesmaterial<br />

Bereits Aristoteles begründete die Notwendigkeit<br />

der Sinnesschulung und<br />

prägte den Ausspruch: “Nichts ist im<br />

Geiste, was vorher nicht in den Sinnen<br />

war.”<br />

Das Sinnesmaterial gliedert sich auf<br />

in das Dimensions- und das übrige Sinnesmaterial.<br />

Bei Ersterem übt das Kind<br />

neben Grob- und Feinmotorik Ordnungsstrukturen<br />

und Auge-Hand-Koordination.<br />

Der Wortschatz wird erweitert<br />

(z.B. erlernt es am “Rosa Turm” die Begriffe<br />

groß und klein) und das Dezimalsystem<br />

vorbereitet, da alle Teile immer<br />

zehnfach vorhanden sind (z.B. zehn Kuben<br />

beim “Rosa Turm”).<br />

Das übrige Sinnesmaterial schult jeweils<br />

einen isolierten Sinn, beispielsweise<br />

den Sehsinn bei den Farbtäfelchen,<br />

den Geruchssinn bei den Geruchsdosen<br />

etc. Außerdem können bei<br />

Paarungsübungen zusammengehöriger<br />

Teile Wahrnehmungsprobleme des Kindes<br />

erkannt werden.<br />

Materialien zum Bereich Sprache<br />

Eine Förderung der Feinmotorik und<br />

damit die Vorbereitung auf das Schreiben<br />

geschehen mit den “Metallenen Einsatzfiguren”.<br />

Das Kennenlernen der<br />

Buchstaben durch Sehen und Fühlen<br />

ermöglichen die “Sandpapierbuchstaben”.<br />

Die “Beweglichen Alphabete” helfen<br />

bei der Analyse von Lauten und dem<br />

Zuordnen grafischer Zeichen. Schwierige<br />

Buchstabenverbindungen werden<br />

durch die ”Phonogrammtafeln” und<br />

entsprechende Leseübungen angebahnt.<br />

Schließlich erlebt das Kind Erfolgserlebnisse<br />

beim “Ersten Lesen”.<br />

Die verschiedenen Wortarten werden<br />

mit Hilfe eines Spielbauernhofs, vielen<br />

praktischen Übungen und der Verwendung<br />

von Wortartensymbolen erschlossen.<br />

Mit der Satzanalyse vertraut machen<br />

Sprachspiele, wie das “Jagen nach<br />

dem Prädikat”, die so genannte “Sterntabelle”,<br />

mit der die Kinder Sätze<br />

selbstständig nach Bedarf entwickeln<br />

und umbauen können, sowie die Satzzerlegungskästen.<br />

Materialien im Bereich der<br />

Mathematik<br />

Anhand des Basismaterials begreift das<br />

Kind die Mengen (einzeln und gebündelt)<br />

und die Ziffern eins bis zehn und<br />

den Begriff Null. Mit den Seguintafeln<br />

erlernt es außerdem die Zahlen und<br />

Mengen elf bis 99. Mit aufbauendem<br />

Schwierigkeits- und Abstraktionsgrad<br />

gelangt es zum Ausführen der vier<br />

Grundrechenarten sowie zur Vorbereitung<br />

der schriftlichen Durchführung.<br />

Wird die Mächtigkeit von Mengen<br />

beim “Goldenen Perlenmaterial” noch<br />

durch Ansehen und Fühlen “begriffen”,<br />

ist sie beim “Markenspiel” nur noch<br />

durch Farbunterschiede und Zahlenaufdruck,<br />

später bei den “Rechenrahmen”<br />

nur noch durch die Farben zu erkennen.<br />

Bei allen Materialien begreift das<br />

Kind handelnd und kann sich durch die<br />

für das Montessori-Material charakteristische<br />

Fehlerkontrolle selbst korrigieren.<br />

Auch die Farben (grün für Einer,<br />

Eintausender und eine Million, blau für<br />

Zehner und Zehntausender, rot für Hunderter<br />

und Hunderttausender) ziehen<br />

sich durch das Material, erleichtern dem<br />

Kind den Überblick und ermöglichen<br />

Wiedererkennen und selbstständiges<br />

Handeln.<br />

Ich habe es in der Schulpraxis als<br />

hilfreich erlebt, dass gleiche Rechenoperationen<br />

mit vielfältigen Materialien<br />

(mit steigendem Abstraktionsgrad)<br />

durchgeführt werden können. Die<br />

Fixierung auf eine Sache, die bei Kindern<br />

mit Down-Syndrom ja keine Seltenheit<br />

ist, kann so vermieden werden.<br />

Kriterien des Montessori-Materials<br />

Abschließend möchte ich die Kriterien<br />

für die Montessori-Materialien aller Bereiche<br />

noch einmal kurz aufgreifen. Einige<br />

davon sind bereits in den obigen<br />

Ausführungen angeschnitten worden.<br />

Das Material kommt dem Kind in<br />

seinem Bewegungsdrang entgegen.<br />

Es ist im Gruppen- bzw. Klassenzimmer<br />

nur begrenzt vorhanden. So<br />

werden soziale Prozesse, wie das Treffen<br />

und Einhalten von Absprachen und<br />

Einsicht in die Notwendigkeit von<br />

Aufräumen, gefördert.

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