08.02.2013 Aufrufe

Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter

Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter

Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

M E D I Z I N<br />

vorhanden. Die Kinder können alle oder<br />

nur einige Charakteristika des Autismus-Syndroms<br />

aufweisen. Auch können<br />

ihre Fähigkeiten unter gleichen Bedingungen<br />

sehr schwankend sein. Einige<br />

dieser variablen Charakteristika, die<br />

wir gewöhnlich bei Kindern mit Down-<br />

Syndrom und Autismus-Syndrom feststellen,<br />

sind:<br />

ungewöhnliche Reaktion auf Reize<br />

(besonders auf Geräusche, Licht,<br />

Berührung oder Schmerz),<br />

Nahrungsverweigerung (Vorliebe<br />

für ganz bestimmte Speisen oder<br />

Geschmäcke),<br />

eigenartiges Spielverhalten oder<br />

beharrliche Beschäftigung mit Objekten,<br />

Unbehagen über Veränderungen<br />

im Tagesablauf oder in der familiären<br />

Umgebung,<br />

wenig oder keine sinnvolle Kommunikation,<br />

störende Verhaltensweisen<br />

(Aggressivität, Wutanfälle oder<br />

extreme Ungehorsamkeit),<br />

Hyperaktivität, kurze Aufmerksamkeitsspanne,<br />

Impulsivität,<br />

selbst verletzende Verhaltensweisen<br />

(an der Haut ziehen, sich am<br />

Kopf schlagen oder sich den Kopf<br />

anschlagen),<br />

Schlafstörungen,<br />

rückläufige Entwicklung (vor allem<br />

bei sprachlichen und sozialen<br />

Fähigkeiten).<br />

Manchmal kann man diese Auffälligkeiten<br />

auch bei anderen Störungsbildern,<br />

die im Kindesalter auftreten, feststellen,<br />

wie z.B. bei Hyperaktivität oder eine<br />

Zwangsneurose. Manchmal wird Autismus<br />

nicht erkannt oder kommt als Möglichkeit<br />

bei einem Kind mit Down-Syndrom<br />

nicht in Betracht wegen seiner<br />

kognitiven Defizite. Wenn z.B. ein Kind<br />

sehr lebhaft und impulsiv ist, wird in erster<br />

Linie an die Diagnose Hyperaktivität<br />

gedacht. Immer wiederkehrende<br />

Verhaltensweisen werden schnell als<br />

SMD eingestuft, etwas, das bei Menschen<br />

mit einer schweren geistigen Behinderung<br />

häufig vorkommt.<br />

Den meisten Eltern fällt es schwer,<br />

diese Verhaltensauffälligkeiten in den<br />

Griff zu bekommen. Um Lösungen für<br />

diese Probleme zu finden, suchen Familien<br />

häufig den Rat von Fachleuten. Eigentlich<br />

weisen Kinder mit Down-Syndrom<br />

als Gruppe in der Regel weniger<br />

24 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>34</strong>, <strong>Mai</strong> 2000<br />

Verhaltens- oder andere psychische<br />

Probleme auf als andere Kinder mit einer<br />

mentalen Beeinträchtigung. Wenn<br />

jedoch Verhaltensstörungen auftreten,<br />

muss an die doppelte Diagnose gedacht<br />

werden. Es ist wichtig für Fachleute,<br />

dass sie über die Möglichkeit einer solchen<br />

doppelten Diagnose informiert<br />

sind, denn:<br />

1. vielleicht kann durch ein pädagogisch-therapeutisches<br />

Angebot die<br />

Situation verbessert werden,<br />

2. mit einer offiziellen Diagnose hat<br />

das Kind besser Zugang zu speziellen<br />

und effektiven Hilfen.<br />

Wenn Sie den Verdacht hegen, dass bei<br />

Ihrem Kind autistische Störungen vorliegen,<br />

stellen Sie es einem Fachmann<br />

vor. Warten Sie nicht einfach ab, was<br />

passiert.<br />

Vorkommen<br />

Es ist schwierig anzugeben, wie häufig<br />

Autismus bei Kindern und Erwachsenen<br />

mit Down-Syndrom vorkommt.<br />

Dies kommt einerseits durch die Tatsache,<br />

dass Uneinigkeit über die genauen<br />

Kriterien herrscht, und andererseits daher,<br />

weil eine vollständige Dokumentation<br />

dieser Fälle fehlt. Zurzeit liegen die<br />

Schätzungen zwischen einem und zehn<br />

Prozent. Ich glaube, dass eine Zahl von<br />

fünf bis sieben Prozent am ehesten der<br />

Realität entspricht. Dies ist wesentlich<br />

höher als in der Normalbevölkerung<br />

(0,04 Prozent) und weniger als in anderen<br />

Gruppen von Kindern mit einer<br />

mentalen Behinderung (20 Prozent).<br />

Es sieht so aus, dass bei einer Trisomie<br />

21 die Chance für das Auftreten von<br />

Autismus größer ist. Dies kann verursacht<br />

sein durch die abweichenden genetischen<br />

oder biologischen Einflüsse<br />

auf die Gehirnentwicklung.<br />

Die Literatur über dieses Thema seit<br />

1979 beschreibt 36 Fälle von Down-<br />

Syndrom und Autismus (24 Kinder und<br />

12 Erwachsene). Von den 31 Fällen, bei<br />

denen das Geschlecht beschrieben wurde,<br />

waren erstaunlicherweise 28 männlich.<br />

Das Verhältnis Mann/Frau ist viel<br />

höher als jenes bei Autismus in der Normalpopulation.<br />

Außerdem ging aus den Berichten,<br />

wobei auch die kognitiven Fähigkeiten<br />

beschrieben wurden, hervor, dass die<br />

meisten Kinder schwer geistig behindert<br />

waren.<br />

Im Allgemeinen versteht man wenig<br />

von den Ursachen von Autismus und ob<br />

es ein Zusammenhang mit Down-Syndrom<br />

besteht. Bei einigen Syndromen,<br />

wie beim Fragilen X-Syndrom, anderen<br />

Chromosomenstörungen, Epilepsien<br />

und bei prä- oder postnatalen Virusinfektionen<br />

kommt Autismus häufiger vor.<br />

Auch das Down-Syndrom sollte in diese<br />

Liste mit aufge- nommen werden. Denn<br />

das Vorhandensein des Down-Syndroms<br />

spielt bei der Entwicklung des<br />

Gehirns eine Rolle und ist anscheinend<br />

ein kritischer Faktor beim Auftreten einer<br />

Autismus-Störung.<br />

Entwicklung des Gehirns und<br />

Autismus<br />

Die Entwicklung und die Funktionsweise<br />

des Gehirns unterscheiden sich bei<br />

Kindern mit Down-Syndrom und Autismus<br />

von jenen Kindern, die nur das<br />

Down-Syndrom haben. Wenn diese Unterschiede<br />

zwischen beiden Gruppen<br />

der Kinder besser untersucht und dokumentiert<br />

werden, würden wir Kinder<br />

mit Down-Syndrom und Autismus besser<br />

begreifen und eventuelle Behandlungsmöglichkeiten<br />

finden. Eine detaillierte<br />

Analyse des Gehirns, wie man es<br />

bei einer Autopsie durchführen kann,<br />

oder mittels einer Kernspintomographie<br />

(MRI) zeigt, dass bei Kindern mit Autismus<br />

folgende Regionen des Gehirns eine<br />

Rolle spielen:<br />

1. das lymbische System, das wichtig<br />

ist für die Emotionalität, für<br />

Launen und Gedächtnis,<br />

2. die temporalen Cortizes, die<br />

wichtig sind für das Hören und für<br />

die Verarbeitung von Lauten,<br />

3. das Cerebellum, das die Motorik<br />

koordiniert und einige kognitive<br />

Operationen,<br />

4. der Corpus Callosum, der die<br />

beiden Hirnhälften des Stirnhirns<br />

miteinander verbindet.<br />

Im Kennedy Krieger Institut haben wir<br />

25 Kinder mit Down-Syndrom und Autismus<br />

mittels Kernspintomographie<br />

untersucht. Die ersten Ergebnisse bestätigen<br />

unsere Vermutungen, dass das Cerebellum<br />

und der Corpus Callosum bei<br />

diesen Kindern ein anderes Erscheinungsbild<br />

zeigen als bei Kindern mit<br />

Down-Syndrom. Wir beschäftigen uns<br />

zurzeit auch damit, die anderen Hirnregionen<br />

zu untersuchen, inklusiv das<br />

lymbische System und alle wichtigen<br />

Regionen der Cortex, um mehr Hinweise<br />

zu bekommen, ob und in welcher

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!