Nr. 34, Mai - DS-InfoCenter
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M O N T E S S O R I<br />
Doch Hilfen sind immer wieder nötig. So<br />
bin ich wirklich froh, dass den Kindern<br />
in der Frei-Arbeit außer mir meist ein<br />
oder zwei Erwachsene zur Seite stehen.<br />
Ich als Lehrerin habe so auch die Gelegenheit<br />
zu beobachten oder mich mit einem<br />
Schüler einzeln zu beschäftigen –<br />
das bringt wertvolle Erkenntnisse.<br />
Dies ist auch bitter nötig, denn jeder<br />
der Schüler steht in nahezu jedem Bereich<br />
an einem anderen Punkt. Mit den<br />
seinen Bedürfnissen entsprechenden<br />
Lernmaterialien kann jeder auf seinem<br />
Weg selbst weitergehen.<br />
Meine wichtigste didaktische Aufgabe<br />
besteht also darin, ständig so genau<br />
wie möglich über die Lernbedürfnisse<br />
der Kinder informiert zu sein, um ihnen<br />
entsprechende Angebote machen zu<br />
können.<br />
In der Sprache Maria Montessoris:<br />
“Ich gebe dem Kind den passenden<br />
Schlüssel, dann kann es die Tür allein<br />
öffnen!”<br />
Gerade dieser Grundzug der Montessori-Pädagogik<br />
kommt den vier Kindern<br />
mit Down-Syndrom besonders entgegen.<br />
Bei allen Unterschieden ist ihnen<br />
doch eine ausgeprägte Eigenwilligkeit<br />
gemeinsam. In der Frei-Arbeit kann jeder<br />
sein eigener Chef sein.<br />
Mein persönliches Fazit nach vielen<br />
Jahren herkömmlichen Unterrichtens in<br />
Anfangsklassen, jetzt im zweiten Montessori-Jahr:<br />
”Die Kinder lernen so motiviert<br />
und haben so große Fortschritte<br />
42 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>34</strong>, <strong>Mai</strong> 2000<br />
Konzentriert bei der Arbeit:<br />
Johanna (oben) und Michelle (unten)<br />
gemacht, wie ich es in all der Zeit vorher<br />
noch nie erlebt habe!”<br />
Eigentlich wäre es allen Kindern zu<br />
wünschen, dass sie auf diese Art lernen<br />
können; am besten gemeinsam in integrativen<br />
Klassen! Denn: “Der Weg, auf<br />
dem die Schwachen sich stärken, ist der<br />
gleiche wie der, auf dem die Starken<br />
sich vervollkommnen.” (Zitat von Maria<br />
Montessori)<br />
Marion Feiner,<br />
Sonderschullehrerin<br />
Dieser Bericht stammt aus der Mauritiusschule<br />
in Ahorn bei Coburg, einer<br />
Schule zur individuellen Lebensbewältigung<br />
und Tagesstätte für Kinder und<br />
Jugendliche mit geistigen Behinderungen<br />
Montessorikindergarten<br />
Meine Tochter Anna, die jetzt fast neun<br />
Jahre alt ist, besuchte vier Jahre lang einen<br />
städtischen Kindergarten. Jeder der<br />
altersgemischten Gruppen (je 25 Kindern<br />
mit zwei Erzieherinnen) standen<br />
zwei Räume zur Verfügung: Ein Arbeitsraum<br />
mit dem Montessori-Material,<br />
der mittags als Schlafraum diente,<br />
und ein Spiel- und Speiseraum. Teilweise<br />
war Original-Montessori-Material<br />
vorhanden, weiterhin standen selbst<br />
gefertigtes Material und das des Sensor-<br />
Verlags zur Verfügung.<br />
Im Montessori-Raum arbeiteten die<br />
Kinder am Vormittag etwa eine Stunde<br />
leise und sehr konzentriert. Das wurde<br />
uns Eltern mittels eines Videos gezeigt.<br />
Anna fügte sich schnell ins Gruppenleben<br />
ein, zeigte jedoch lange nur<br />
Zuschauerstatus, bis sie selbst das Material<br />
ausprobierte. Sie kam schon früh<br />
mit Zahlen und Buchstaben in Berührung,<br />
die jedoch nicht sofort zum frühen<br />
Lesen und Rechnen führten. Dieses Interesse<br />
wird jetzt erst durch die Schule<br />
und durch ihre jüngere Schwester stärker<br />
geweckt.<br />
Das Sinnesmaterial und die praktischen<br />
Übungen waren für sie das Wichtigste.<br />
Fast nebenbei, in Aktion mit den<br />
eher jüngeren Kindern, erwarb sie einen<br />
großen passiven Wortschatz, der<br />
mit entsprechender Zeitverzögerung<br />
und im Spiel mit ihrer kleinen Schwester<br />
aktiv eingesetzt wurde. Ihre Feinmotorik<br />
und das Sozialverhalten entwickelten<br />
sich sehr gut, sodass sie ausreichende<br />
Fertigkeiten für eine integrative<br />
Beschulung vorweisen konnte.<br />
Heute wird sie teilweise nach dem<br />
Lehrplan der Geistigbehinderten- wie<br />
auch nach dem der Lernbehindertenschule<br />
unterrichtet. Leider ist es uns<br />
nicht gelungen, sie in einer Montessori-<br />
Schule unterzubringen. In Berlin-Pankow<br />
gab es damals noch keine altersgemischte<br />
Grundschulklasse.<br />
Zurückblickend auf die Kindergartenzeit<br />
sind wir sehr dankbar, dass Anna,<br />
einerseits angeregt durch das Material<br />
und andererseits durch die Spielkameraden,<br />
die sie motivierten mitzumachen,<br />
die Gelegenheit hatte, sich so gut<br />
zu entwickeln.<br />
Regine Lange<br />
Berlin