Spielzeitheft 2011/12 - Theater Ingolstadt
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92 Uraufführung<br />
Eine Zierde für den Verein<br />
von Marieluise Fleißer<br />
für die Bühne bearbeitet von Christoph Nußbaumeder<br />
Regie: Donald Berkenhoff<br />
93<br />
Premiere am 15. Oktober <strong>2011</strong><br />
<strong>Ingolstadt</strong>. – Die Soldaten sind in der Stadt, der<br />
Schwimmverein trainiert. Aus der Donau wird ein<br />
Ertrinkender gezogen. Der kühne Lebensretter<br />
ist der Schwimmer Gustl, Held für einige Zeit. Frieda<br />
verliebt sich in ihn, vor allem in seinen Körper<br />
und seine geistige Haltung. »Genau gedacht ist das<br />
Wesentliche des Sportsmanns sein Sportsgeist,<br />
eine bestimmte Kampfeinstellung des Lebensgefühls.<br />
Vielleicht kann der Mann der geistigen Arbeit von<br />
den Methoden, die der Sportsmann durchführt, lernen.«<br />
(Marieluise Fleißer)<br />
Frieda ist eine selbständige Frau, die für sich und ihre<br />
minderjährige Schwester sorgt. Sie fährt Auto,<br />
hat einen Beruf, raucht und sie bewegt sich männerlos<br />
durch die Stadt, was sie suspekt macht, eine<br />
Früh-Emanzipierte. In Gustl sieht sie den »gesunden<br />
Barbaren«, den »Kenner der Natur«, dass er ihr<br />
intellektuell unterlegen ist, stört sie nicht weiter.<br />
Doch bald stoßen die beiden Lebensentwürfe hart<br />
zusammen. Gustl will Frieda heiraten, er will an ihr<br />
Erspartes, welches er dringend für den kleinen<br />
Zigarettenladen in der Ingolstädter Innenstadt braucht.<br />
Und er will durch die Ehe eine unbezahlte Arbeitskraft<br />
gewinnen. Frieda besteht auf ihrer Selbständigkeit<br />
und die Beziehung geht zu Bruch.<br />
Nun bleibt Gustl nichts anderes, als noch fanatischer<br />
zu trainieren. Die verletzten Emotionen panzern<br />
den Körper durch neue Muskeln. Das sportliche Training<br />
gehört zur Leib- und Lustfeindlichkeit des kleinbürgerlichen<br />
Milieus, es geht um die asketische und<br />
aggressive Disziplinierung des Körpers. Und die<br />
Konkurrenz schläft nicht, junge Schwimmer drängen<br />
nach, holen die Rekorde. Bald wird Gustl zum alten<br />
Eisen gehören. Und wer ist er, wenn er kein Schwimmer<br />
mehr ist?<br />
Die unterdrückte Lust kehrt als unbeherrschte<br />
Aggression zurück, fast vergewaltigt Gustl Friedas<br />
minderjährige Schwester. Frieda und ihre<br />
Schwester verschwinden. Was bleibt ist der Verein<br />
und seine Zierde, der Gustl und eine sich<br />
disziplinierende Männerwelt an der Schwelle zum<br />
Dritten Reich.<br />
Marieluise Fleißer, *1901 in <strong>Ingolstadt</strong>,<br />
†1974, ebenda. Als Dramatikerin vor<br />
allem durch ihre Ingolstädter Stücke<br />
bekannt: »Fegefeuer in <strong>Ingolstadt</strong>«,<br />
»Pioniere in <strong>Ingolstadt</strong>«. »Eine Zierde<br />
für den Verein« ist ihr einziger Roman.<br />
Christoph Nußbaumeder<br />
Biografie S. 81<br />
Donald Berkenhoff<br />
Biografie S. 268<br />
Kleines Haus