18.02.2013 Aufrufe

Grundlagen der Programmarbeit Programme des Jahres

Grundlagen der Programmarbeit Programme des Jahres

Grundlagen der Programmarbeit Programme des Jahres

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Dirk Steffens zeigt schickes<br />

Schuhwerk<br />

76 I<br />

Dokumentationen die Formel 70/30 formuliert.<br />

70 Prozent Unterhaltung und 30 Prozent Information!<br />

Nicht umgekehrt! So viel zu dem immer<br />

wie<strong>der</strong> vorgetragenen Sermon, früher seien die<br />

elektronischen Medien viel ernsthafter und glaubwürdiger<br />

gewesen. Das mag in <strong>der</strong> persönlichen<br />

Erinnerung <strong>des</strong> Einzelnen so scheinen – korrekt<br />

ist es aber nicht. Das ZDF war damals noch gar<br />

nicht gegründet, die »Tagesschau«, eine filmische<br />

Boulevardsendung ohne Sprecher, und investigative<br />

Reportagen, gab es gar nicht. Die Frühzeit<br />

<strong>der</strong> Wissenschafts- und Naturdokumentation war<br />

vor allem geprägt von dem ungebremsten Willen<br />

zu unterhalten, um ein möglichst großes Publikum<br />

vor die Mattscheiben o<strong>der</strong> in die Kinos zu locken.<br />

Hans Hass inszenierte seine komplette Reise<br />

mit <strong>der</strong> »Xarifa« wie einen Spielfilm, Walt Disney<br />

ließ die Wildnis zu lustiger Musik wild sein, Bernhard<br />

Grzimek verpackte seine Tiergeschichten in<br />

Spielszenen, in denen er und sein Sohn Michael<br />

als Hauptdarsteller fungierten.<br />

Dies folgt <strong>der</strong> Erkenntnis, dass es nicht ausreicht,<br />

einfach nur möglichst viele Fakten in eine Dokumentation<br />

zu quetschen. Man muss diese Fakten<br />

auch verdaubar aufbereiten, daher ist die Form<br />

<strong>der</strong> Wissensvermittlung von elementarer Bedeutung.<br />

Eine Sendung, die es nicht schafft, gleichzeitig<br />

informierend und emotional ansprechend<br />

zu sein, hat im mo<strong>der</strong>nen TV-Markt nur geringe<br />

Chancen. Das kann man bejubeln o<strong>der</strong> bejammern<br />

– än<strong>der</strong>n lässt es sich nicht.<br />

Grzimek baute in seine Filme bereits Re-Enactment-Elemente<br />

ein, als es diesen Begriff noch<br />

gar nicht gab. Heute ist »Terra X« im deutschen<br />

Fernsehmarkt führend darin, dieses Stilmittel zielgerichtet<br />

einzusetzen. Bei seiner später ausgestrahlten<br />

Reihe »Ein Platz für wilde Tiere« brachte<br />

<strong>der</strong> Frankfurter Zoodirektor immer ein Tier mit ins<br />

Studio und setzte ganz bewusst darauf, dass sich<br />

seine »Komo<strong>der</strong>atoren« während <strong>der</strong> Livesendung<br />

keineswegs an irgendein Drehbuch hielten,<br />

2010.Jahrbuch<br />

son<strong>der</strong>n jede Menge Unsinn verzapften. Genau<br />

diese Unberechenbarkeit machte den Reiz aus.<br />

Sie war unterhaltend! Ich kann mich noch heute<br />

lebhaft daran erinnern, wie begeistert ich als Kind-<br />

Zuschauer je<strong>des</strong> Mal war, wenn <strong>der</strong> Schimpanse<br />

nach seiner Brille grabschte o<strong>der</strong> während <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ation eine Raubkatze über den Schreibtisch<br />

schlich. Grzimeks Konzept war genauso einfach<br />

wie genial – und es reichte für drei Jahrzehnte und<br />

175 Folgen.<br />

Natürlich können wir diese alten Ideen nicht<br />

einfach kopieren, wir müssen uns schon selber<br />

etwas einfallen lassen. Aber das Prinzip bleibt<br />

gültig: Ein leichter, ein unterhalten<strong>der</strong> Rahmen ist<br />

die vielversprechendste Form, Bildungsfernsehen<br />

massenkompatibel zu gestalten – und das ist<br />

schließlich unser Programmauftrag: Bildungsfernsehen<br />

für alle! O<strong>der</strong> zumin<strong>des</strong>t für möglichst viele.<br />

Unterhaltung kann dabei viele Formen annehmen:<br />

Sie kann sich als Humor manifestieren o<strong>der</strong><br />

als formale Flappsigkeit. Sie kann in pompösen<br />

Bil<strong>der</strong>n, mit symphonischer Musik, in rasanten<br />

Schnitten, exklusiven Einstellungen und digitalen<br />

Animationen auftauchen. Sie kann aber auch als<br />

gewollte Spannung daherkommen, wie in einem<br />

Actionfilm. Das alles ist erlaubt, so lange wir<br />

die journalistischen Grundtugenden achten. »In<br />

<strong>der</strong> Form anarchisch, beim Inhalt pedantisch« –<br />

so gefällt mir persönlich Bildungsfernsehen am<br />

besten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!