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Grundlagen der Programmarbeit Programme des Jahres

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Näher an die Zuschauer<br />

Wie das Fernsehen Informationen vermittelt<br />

Nachricht o<strong>der</strong> Show? Polarisierung o<strong>der</strong> Aufklärung?<br />

Mitmachfernsehen o<strong>der</strong> <strong>Programme</strong><br />

zum Zurücklehnen? Zwischen Facebook, You-<br />

Tube und »Scripted Reality« entsteht auch im<br />

ZDF ein neues Bild vom Journalismus.<br />

»Berlin direkt« hat seit kurzem eine Rubrik, die<br />

zum Abschluss <strong>der</strong> Sendung mit einem unkommentierten<br />

Zitat ein ironisches Schlaglicht auf<br />

politische Kommunikation im Medienzeitalter wirft.<br />

Am 17. Oktober 2010 war dies <strong>der</strong> Ausschnitt<br />

eines Schaltgesprächs zwischen Claus Kleber<br />

und Karl-Theodor zu Guttenberg. Ersterer fragt:<br />

»Könnten Sie Kanzler?«. Letzterer antwortet: »Ach,<br />

Herr Kleber, Sie wachen ja auch nicht jeden Morgen<br />

auf und denken darüber nach, wie man ZDF-<br />

Intendant werden könnte.«<br />

Gelesen wirkt <strong>der</strong> Wortwechsel eher schlicht. Und<br />

doch ist er ein Beispiel dafür, was Fernsehen in<br />

seinen besten Momenten ausmacht: Nicht die<br />

Information allein entscheidet, son<strong>der</strong>n auch das<br />

Dabeisein. Mitzuerleben, wie <strong>der</strong> Verteidigungsminister<br />

schaut, wenn er einer Frage ausweicht,<br />

wie die Kanzlerin sich verhält, wenn sie auf<br />

Koalitionsquerelen angesprochen wird, wie bürgerliche<br />

Demonstranten reagieren, wenn sich die<br />

Schutzmacht Polizei gegen sie wendet – all dies<br />

beobachtend erfassen zu können, hat einen Wert<br />

an sich. Und dieser Wert ist mit <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> digitalen Technik sprunghaft gestiegen.<br />

Das Bedürfnis, dabei zu sein, nicht abgehängt<br />

zu werden, ist immens, das haben alle Großereignisse<br />

dieses <strong>Jahres</strong> gezeigt. Bei <strong>der</strong> Wahl <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>präsidenten blieben die Zuschauer dran,<br />

obwohl zwischen den Ergebnissen <strong>der</strong> Wahlgänge<br />

lange ereignislose Strecken lagen. Millionen<br />

Zuschauer verfolgten die Spezialsendungen nach<br />

dem Erdbeben von Haiti. Und die Spendenbereitschaft<br />

für die Flutopfer von Pakistan stieg spürbar,<br />

nachdem wir mit eigenen Reportern die Lage vor<br />

Ort bebil<strong>der</strong>n konnten.<br />

Wirklich deutlich wurde die Stärke <strong>des</strong> Bildmediums<br />

Fernsehen jedoch bei <strong>der</strong> Rettung <strong>der</strong><br />

Bergleute in Chile. Die »ZDF spezial«-Sendungen<br />

waren ein Erfolg, die Nachrichten lagen erheblich<br />

über dem Quotenschnitt, und auf zdf.de und<br />

heute.de zeigte sich, dass in Situationen wie diesen<br />

vielen schon das reine Bild reicht: Mit bis zu<br />

17 600 Sichtungen pro Minute verfolgten Tausende<br />

den Livestream <strong>der</strong> Bergung, sahen die pure<br />

Emotion <strong>der</strong> Geretteten, hörten spanischsprachige<br />

Telefonate <strong>des</strong> chilenischen Präsidenten<br />

und erlebten, wie die Rettungskapsel mit jedem<br />

Auftauchen mehr Optimismus brachte. Selbst<br />

in den Nachtstunden blieb <strong>der</strong> Livestream fast<br />

10 000 Mal aktiviert. Ereignisse ohne redaktionelle<br />

Bearbeitung in dieser Form weiterzugeben,<br />

wird nach wie vor die Ausnahme sein. Dennoch<br />

zeichnet sich ab: Nicht immer ist es die journalistische<br />

Einordnung, die beim Publikum punktet.<br />

Manchmal ist es gerade das Unverfälschte, das<br />

<strong>der</strong> Zuschauer erwartet.<br />

Wir stecken mitten im medialen Umbruch, <strong>der</strong> weit<br />

über technische Verän<strong>der</strong>ung hinausgeht und<br />

das Ende <strong>der</strong> tradierten Rollenverteilung in <strong>der</strong><br />

Medienlandschaft mit sich bringt. Den Flaschenhals<br />

Journalismus, <strong>der</strong> exklusive Informationen<br />

in verdaulichen Häppchen an die Menschen<br />

weiterreicht, gibt es nicht mehr. Längst teilen sich<br />

Presse, Radio und Fernsehen dieses Privileg<br />

mit einem Internet, das neben viel Subjektivem<br />

und ideologisch gefärbtem Inhalt ebenso viele<br />

gut recherchierte Informationen bietet. Und die<br />

Verfügbarkeit dieser Informationen steigt täglich<br />

Näher an den Zuschauer<br />

I 89<br />

Peter Frey<br />

Chefredakteur <strong>des</strong> ZDF

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