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R E - R E A D E R - Biro Beograd

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meine „Lebensqualität“, auch wenn meiner<br />

Meinung Stadt und „Lebensqualität“ nicht<br />

zusammen gehen. Aber auch diese Absicht,<br />

dieses Thema ist verschwunden. Alles ist auf<br />

die ausgerichtet, die Geld haben, in bar oder<br />

für einen Kredit. Ich denke das Ideal ist auch<br />

weiter Dedinje 2 : ein Haus mit blühendem<br />

Garten – nur zu klein sollte es nicht sein.<br />

Wenn man an die alte Stadt auf der anderen<br />

Seite der Sava denkt, die wer weiß<br />

wie oft zerstört und wieder aufgebaut<br />

worden ist, kann man sagen, dass Neu<br />

Belgrad eine Stadt ohne Vergangenheit<br />

ist. Wo heute Betonhochhäuser stehen,<br />

war bis in die 1950er Jahre noch Sumpfgebiet.<br />

Denkst Du, dass die Geschichte<br />

eines Ortes auf die Menschen Einfluss<br />

hat, die dort leben?<br />

Das stimmt nicht ganz. Auch Neu-Belgrad<br />

hat eine Vergangenheit, die Teil der Vergangenheit<br />

Belgrads ist. Jetzt hat es auch schon<br />

seine eigene Mythologie, seine Helden, seine<br />

besondere Mentalität, usw. Außerdem sind<br />

die ersten Einwohner von Neu-Belgrad, und<br />

auch die, die später gekommen sind, von<br />

irgendwo anders hergekommen; ich z.B. bin<br />

aus Zemun gekommen, und das ist so alt wie<br />

Belgrad, vielleicht älter. Aber wir leben nicht<br />

in diesen Umgebungen, das sind Abstraktionen.<br />

Wir leben in konkreten Verhältnissen<br />

und Beziehungen und in unseren persönlichen<br />

Geschichten. Aber es hängt auch etwas<br />

mit dem Ort zusammen. Wenn man in einer<br />

so großen Peripherie aufwächst, die in sich<br />

selbst eine Einheit bildet, wird man vielleicht<br />

unaufmerksam gegenüber dem, was sich im<br />

„offiziellen“ Zentrum abspielt. Dadurch entstehen<br />

gleichzeitig ein Minderwertigkeitskomplex<br />

und ein Überlegenheitsgefühl, was<br />

auch positive Auswirkungen haben kann.<br />

Zum Beispiel ist es leichter, etwas eigenes an-<br />

2 Reichenviertel in Belgrad<br />

119<br />

zufangen, das von den offiziellen Standards<br />

und Regeln unabhängig ist, die das Zentrum<br />

diktiert – das politische, kulturelle, mediale<br />

Zentrum. Ich weiß nicht, vielleicht ist das<br />

etwas übertrieben, aber vielleicht stimmt es<br />

auch ein Stück weit.<br />

Fehlt etwas in den Blocks?<br />

Mir nicht, zumindest nicht auf der institutionellen<br />

Ebene und noch weniger auf dem<br />

Gebiet der kulturellen Produktion.<br />

Was wäre das Schlimmste, das diesem<br />

Stadtteil passieren könnte?<br />

Dass weiter gebaut wird. Das sollte man<br />

sowieso verhindern, überall. Entwicklung,<br />

Fortschritt, das führt mit Sicherheit in die<br />

Katastrophe. Ich würde mir wünschen, dass<br />

keine einzige Wiese oder Heide mehr betoniert<br />

wird, dass keine einzige Tankstelle<br />

mehr gebaut wird, keine Shopping Mall,<br />

keine Bank, kein Bürogebäude, keine Oper.<br />

Dass die Funktion der Stadt abstirbt. Mit anderen<br />

Worten, dass die Stadt als Arbeitslager<br />

verschwindet. Dass alles im Sand versinkt<br />

und mit Schlingpflanzen überwuchert. Ich<br />

denke, dass wir erst dann von Leben sprechen<br />

können. Hier geht es doch nur darum,<br />

zu schuften, zu überleben, irgendwie durchzukommen.<br />

Das Interview führte Rena Rädle<br />

http://www.europaradio.info/<br />

?cat=all&mode=browse&start=66<br />

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