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art-e-conomy _ reader - marko stamenkovic

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Umgangs mit der Natur muß man sich jedenfalls immer einem Entweder-Oder stellen,<br />

während den Begriff der Kunst das Sowohl-Als-auch kennzeichnet und Vokabular<br />

aus der Physik keineswegs inkompatibel mit romantischen Begriffslementen ist,<br />

wie viele Texte zeigen, in denen Unschärfe-Relation oder Relativitätstheorie zitiert<br />

wurden, um Spiel<strong>art</strong>en abstrakter Kunst zu legitimieren, die man aber ‘zugleich’<br />

als Ausdruck divinatorischer Fähigkeiten oder als heroisches Ringen um Urformen<br />

feierte.Der Kunstbegriff gehört somit zu einem anderen Begriffstypus als ‘Liebe’ oder<br />

‘Natur’, ist weder ein eingefrorener, noch ein von Streit und Aufspaltung bestimmter<br />

Begriff, sondern bezieht seine Macht – seinen Nimbus – aus seiner Gefräßigkeit,<br />

indem er in sich aufnimmt, was jeweils angesagt ist. (Vergleichbar wäre er mit<br />

Madonna als zeitgemäßer Ilsebill, die im Lauf ihrer Karriere die unterschiedlichsten<br />

Frauenrollen ‘aufgesammelt’ hat und damit immer aktuell geblieben ist, als Figur<br />

nach und nach zudem an Komplexität gewonnen hat.) Zumindest für die beiden<br />

letzten Jahrhunderte ergäben historische Schichtenbohrungen beim Kunstbegriff<br />

jedenfalls ein repräsentatives Bild der wechselnden intellektuellen Strömungen,<br />

und man fände dort, wie in einer Schatzkammer, wichtige Beutestücke der jeweils<br />

angesehensten Diskurse. Oder, anders formuliert: Der Kunstbegriff ist ein Patchwork<br />

zahlloser Metaphern – aus diversen Bereichen transferierter Vokabeln, Wendungen<br />

und Denkfiguren.<br />

Sonst sind Metaphern ebenfalls oft Indiz dafür, daß das Vokabular, dem sie<br />

entstammen, attraktiv ist und deshalb gerne ‘angezapft’ wird, oder daß es über<br />

besonders viel Autorität verfügt und daher über die eigenen Grenzen hinausdrängt.<br />

Genaue Messungen des transdisziplinären Metaphernverkehrs ergäben aufschlußreiche<br />

Konjunkturberichte und könnten aufweisen, welche Diskurse jeweils boomen oder<br />

an Ausstrahlungskraft einbüßen. Metaphern sind (ähnlich wie Zitate) immaterielle<br />

Statussymbole, Tauschgüter par excellence, und auf sie gründet sich eine ganze<br />

Ökonomie des intellektuellen Lebens, was Nietzsche schon imaginierte, als er sie<br />

mit Münzen verglich.[5]<br />

Eine Umformatierung des Kunstbegriffs<br />

Auch gegenwärtig gibt es ein Vokabular, das weit über seinen angestammten Bereich<br />

hinaus an Geltung gewinnt – nämlich das der Wirtschaft. Es ist schick geworden,<br />

verschiedenste Arten von Wechselwirkung oder Entwicklungsprozesse in ökonomischen<br />

Kategorien zu beschreiben, und neben dem Vokabular der Gehirnforschung gehört die<br />

Sprache von Börse und Betriebswirtschaft zu den großen Siegern der letzten Jahre.<br />

Daher verwundert es nicht, daß das Wirtschaftsvokabular mittlerweile auch in den<br />

Kunstbegriff Eingang findet. Aber sollte es nicht doch verwundern? Immerhin gehörte<br />

ein klarer Antiökonomismus zu den Konstanten der modernen Geschichte des Begriffs<br />

von Kunst: Gleichgültig, ob diese sakralisiert wurde, ob man sie zur Triebkraft von<br />

Revolution und Ausnahmezustand erklärte oder ob sie als Ort der Wahrheit ausgerufen<br />

wurde, jeweils setzte man sie der von Handel und Geld bestimmten Alltagszivilisation<br />

als das Reine, Transzendente, Ursprüngliche, Zweckfreie entgegen.<br />

Diese Zeiten scheinen vorüber – und wieder wird der Kunstbegriff mit einem<br />

Vokabular reformuliert, das noch bis vor kurzem als unvereinbar mit seiner Tradition<br />

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