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art-e-conomy _ reader - marko stamenkovic

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Katalogen lesen, von Art Consultants gesagt bekommen und immer schon so ähnlich<br />

bereits in der Schule oder in einem bildungsbürgerlichen Milieu gehört haben.<br />

Entsprechend interessieren sie sich vor allem für Werke, die die Eigenschaften<br />

der Kunst – ihren Begriff – gut sichtbar zu repräsentieren versprechen und die etwa<br />

deren sakrale oder m<strong>art</strong>ialische Züge abbilden. Ist ein Gemälde gestisch-expressiv<br />

und bunt gemalt, gilt es z. B. als authentisch, existenziell oder kompromißlos und<br />

eben deshalb als Kunst. Wenn eine Zeichnung skizzenhaft, auf kariertem Papier,<br />

angelegt ist, hastig entstanden wirkt und Eselsohren oder Kaffeeflecken aufweist,<br />

wird das ebenfalls als Zeichen von Kunst gedeutet, signalisieren solche Elemente<br />

doch Impulsivität oder sogar eine Genialität, die sich um Begleitumstände nicht<br />

kümmert (so als habe der Künstler nicht in seiner Gewalt gehabt, was er da macht).<br />

Daher verwundert auch nicht, daß gerade die Künstler, die die Eigenschaften des<br />

Kunstbegriffs pflegen und eine Rhetorik der Autonomie aufrecht erhalten, indem<br />

sie sich in ihren Werken als wilde Maler oder sensible Eigenbrötler darstellen, in<br />

den letzten Jahren besonders begehrt waren und viel verkaufen konnten. Es ist, als<br />

wollten sich Banken und Firmen noch rechtzeitig mit einer Art von Kunst eindecken,<br />

die bald selten werden könnte – zumindest falls es demnächst noch mehr Künstler<br />

geben sollte, die Kooperationsfähigkeit und vielfältige Einsetzbarkeit höher schätzen<br />

als Autonomie.<br />

Das Bedürfnis, in einem Kunstwerk den Begriff von Kunst gleichsam materialisiert<br />

wiederzufinden, erklärt im übrigen auch die Vorliebe der meisten Unternehmen<br />

für bildende Kunst. Besser als Musik, Lyrik oder Film fungiert sie als pars pro<br />

toto, als – geradezu fetischisierbare – Verkörperung jener guten – und vielen<br />

– Eigenschaften, die der Kunst im allgemeinen zugesprochen werden und die im<br />

Verlauf der letzten rund 250 Jahre von Philosophen, Kritikern und Künstlern in<br />

einem großen, Generationen übergreifenden Teamwork definiert, angesammelt<br />

und immer wieder aktuell reformuliert wurden. Wer als Künstler für den ‚Export‘,<br />

also weniger für die eigene Szene als für die Bewunderer der Kunst arbeitet, muß<br />

dies berücksichtigen und darauf achten, daß in seinen Werken möglichst etablierte<br />

Elemente des Kunstbegriffs präsent (repräsentiert) sind. Es verhält sich hier nicht<br />

anders als bei anderen edlen Markenprodukten: Am meisten gilt das Image, und die<br />

Artikel verkaufen sich am besten, die besonders viel vom jeweiligen Marken-Image<br />

vergegenwärtigen können.<br />

Also: Die Macht des Kunstbegriffs kann eine bequeme Basis für künstlerischen<br />

Erfolg sein, birgt damit aber auch die Gefahr eines bloßen Akademismus – reiner<br />

Tautologien – in sich. Andererseits dient diese Macht (wie zu Beginn dargelegt) dazu,<br />

den Kunstbetrieb für Neues offenzuhalten. Nur weil das Image der Kunst so strahlend<br />

und makellos ist und sie seit langem über eine hervorragende Reputation verfügt,<br />

sind jene Aschenputtel-Geschichten möglich, bei denen etwas bis dato Belangloses,<br />

Unbeachtetes allein dadurch Wertschätzung erfährt, daß es auf einmal im Terrain<br />

der Kunst auftaucht. Nochmals: Die Beute, mit der sich die Kunst am Leben hält,<br />

verdankt sie allein dem Nimbus ihres Begriffs – einer nach und nach erworbenen, aus<br />

verschiedenen Bereichen zusammengeborgten – ihrerseits erbeuteten – Autorität.<br />

Daher dürfte die Einbeziehung des Vokabulars der Wirtschaft auch nur eine weitere<br />

Phase in der Geschichte des Kunstbegriffs darstellen – weder sein Ende, noch einen<br />

vollständigen Neubeginn.

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