art-e-conomy _ reader - marko stamenkovic
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sich lässig, sm<strong>art</strong>, durchsetzungsfähig oder flexibel – und behalten dennoch,<br />
individuell und situativ unterschiedlich, Elemente der bisherigen Rollenbilder bei,<br />
haben sich somit lediglich eine weitere Option erworben, Eindruck zu machen und<br />
Stars zu werden. Bestärkt fühlen sie sich durch kunsthistorische Publikationen wie<br />
Svetlana Alpers‘ Buch Rembrandt als Unternehmer (1988) oder Aufsätze, in denen<br />
ein anderer berühmter Vorgänger – Cranach, Holbein, Vermeer oder Rubens – als<br />
homo oeconomicus analysiert wird.<br />
Doch empfinden die Künstler den Wandel in ihrem Selbstbild, wonach nicht länger<br />
Van Gogh oder einer der Heroen der Klassischen Moderne als Vorbild fungiert, selbst<br />
als so spektakulär und auch provozierend, daß er seinerseits zum Thema und Sujet<br />
künstlerischer Tätigkeit wird. So schließt man sich seit den 1990er Jahren – auch<br />
infolge eines erweiterten oder gelockerten Werkbegriffs – gerne zu Netzwerken<br />
zusammen, bei denen die Arbeit im Team als das eigentliche Projekt begriffen wird.<br />
Simuliert werden Handlungsweisen, Praktiken und Ziele von Wirtschaftsunternehmen,<br />
die Künstler orientieren sich bevorzugt am Stil von Dienstleistern oder St<strong>art</strong>ups und<br />
versuchen, ihre jeweilige Rolle möglichst perfekt zu bekleiden. Insgesamt benehmen<br />
sie sich, als übten sie, fasziniert von den gegenüber dem Genie-Paradigma so anderen<br />
Leitbildern und deren gesellschaftlicher Reputation, konzentriert neue Verhaltensformen<br />
– ähnlich wie man Vokabeln einer bislang fremden Sprache paukt. Dabei vergessen<br />
sie die anderen Vokabulare, die den Kunst- und Künstlerbegriff konstituieren, natürlich<br />
nicht und verstehen es, ihr neu einstudiertes Auftreten als Manager je nach Bedarf<br />
um eine Prise Geniegestus, Heldenpose oder Wissenschaftsduktus zu ergänzen.<br />
Wegen des von Künstlern selbst entwickelten Interesses für das Leben des<br />
Business wäre es verfehlt, die neue Liaison zwischen Kunst und Wirtschaft als<br />
Usurpationsversuch von seiten der letzteren zu deuten; vielmehr ist die Neugier<br />
aufeinander gegenseitig, wodurch die Reformulierungen des Kunstbegriffs auch<br />
erst wirksam werden. Genauer: Mit Kunst und Wirtschaft treten zwei Bereiche in<br />
Interaktion, die beide über hohe Reputation verfügen – der eine für den anderen<br />
schon seit langem, der andere für den einen erst seit wenigen Jahren. So ist ein<br />
Austausch von Statussymbolen zu beobachten, wobei Künstler in gewohnter Manier<br />
aufsammeln, was gerade gefällt, während die Vertreter der Wirtschaft – ebenfalls<br />
nach vertrautem Muster – kaufen, was ihnen mehr Aura verspricht.<br />
Erw<strong>art</strong>ungen an die Kunst<br />
Dabei ist nicht ohne Paradoxie, daß die Kunst gerade dadurch attraktiv wird<br />
und sich für (durchaus freundlich gemeinte) Übernahmen eignet, weil sie ihrerseits<br />
immer von Übernahmen profitierte. Enthielte ihr Begriff nicht Elemente etwa<br />
aus dem Militärischen, deren Herkunft freilich kaum noch bewußt ist, wäre die<br />
Faszination, die sie auf Business-People ausübt, gewiß geringer. Diese verkörpern<br />
nämlich ihrerseits militärische Tugenden, die sie jedoch nicht als solche ausgeben<br />
wollen, da das Militärische selbst kein gutes Image mehr besitzt; indem sie sich<br />
aber mit moderner Kunst im Avantgarde-Stil identifizieren, können sie als schneidig,<br />
konsequent, leistungsfähig und nüchtern-vorwärtsorientiert wahrgenommen werden,<br />
ohne deshalb als kalt oder brutal gelten zu müssen.