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LT128

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Leuchtturm Nr. 128<br />

Exklusiv-Empathien ausgeprägter Linker, dem stehen auch<br />

Wirtschaftsverbände recht wohlwollend gegenüber - wenn<br />

auch aus etwas schnöderen Gründen: wenn Arbeitskräfte<br />

fehlen, werden Frauen und Ausländer gebraucht (die müssen<br />

ja deshalb nicht gleich in den Vorstand).<br />

Die Liste lässt sich noch verlängern. Wenn Regierungen<br />

heute zum Unmut des Volkes gelegentlich etwas hilflos wirken,<br />

hat das seine Ursprünge nicht 1968, sondern darin,<br />

dass mancher Konzern vor lauter Markttreiben und Globalisierung<br />

einfach zu einer kleinen Weltmacht geworden ist.<br />

Oder es für Reiche Steuermodelle auf Inseln gibt. Und die<br />

Großakteure an den Finanzmärkten schon einmal Regierungen<br />

vor sich hertreiben. Demokratie? Wenn der weise<br />

Markt urteilt, muss halt auch das Volk mal die Klappe halten.<br />

Bevormundung.<br />

Exzesse eines schief gelaufenen Experiments<br />

Unsere Bundestagsabgeordneten hätten in der Euro-Krise<br />

nicht so hastig Akuthilfen für Griechen absegnen müssen,<br />

wenn nicht diese Finanzmärkte wieder verrückt gespielt -<br />

und von Frohsinn auf Panikattacken umgeschaltet hätten<br />

(wie 2011/12). Auch das hat seine Wurzeln nicht bei Uschi<br />

Obermaier, sondern bei Ronald Reagan - Folge der Exzesse<br />

eines schief gelaufenen konservativen Experiments. Verständlich,<br />

dass mancher im Land ärgerlich ist, wenn über<br />

Jahre alles Mögliche gekürzt wurde - und jetzt (scheinbar)<br />

mehr Geld für Andere da ist. Die Frage müsste nur lauten:<br />

musste überhaupt so viel gestrichen werden?<br />

Dass an allem die 68er schuld sein sollen, ist ein ganz<br />

schön plumper Versuch, die Geschichte umzudeuten. Egal,<br />

was man von denen hält. Was nicht heißt, dass es für Konservative<br />

keinen legitimen Wunsch gibt, sich an Volksfesten<br />

und Nationalsymbolen zu erfreuen. Nur: wer die Probleme<br />

im Land wirklich lösen will, sollte auch ein bisschen genauer<br />

hinsehen - vom ritualisierten Schimpfen auf gealterte<br />

Lieblingsfeinde gehen die bestimmt nicht weg. So schön<br />

das die konservative Seele erheitert.<br />

Der Banker Leonhard Fischer hat kürzlich gesagt: „Der<br />

systemverändernde Politikwechsel wird von links kommen,<br />

sobald sich die Linke konzeptionell erneuert hat.“ Vielleicht.<br />

Könnte sich lohnen, wenn der eine oder andere Konservative<br />

dabei ist.<br />

Abgedruckt mit Genehmigung von SPIEGEL ONLINE<br />

Es geht um das Problem der mangelnden politischen Bildung:<br />

Angehende LehrerInnen & Medien…<br />

Die Kommunikationswissenschaftler der TU-Dresden<br />

haben eine Studie veröffentlicht, die die Informationsquellen<br />

angehender LehrerInnen untersucht hat. Nur 20%<br />

lesen mehrmals pro Woche eine gedruckte Zeitung, 40%<br />

lesen keine Zeitung. Als erste Quelle nennen viele die „sozialen“<br />

Medien. Befragt wurden KollegInnen, die Deutsch,<br />

Ethik und Politik studieren.<br />

Dabei ist problematisch, dass hier die Bildungsdefizite in<br />

der `Schule der Demokratie´, nämlich der Schule, auftauchen.<br />

Hier lernt die nächste Generation, wie unsere Demokratie<br />

mit Parlament, Regierung und Opposition<br />

funktioniert. Auch, warum wie unabhängige Gerichte brauchen,<br />

die die Bürgerrechte schützen.<br />

Lehrer müssen die Fähigkeit lehren können, wie man sich<br />

kompetent informiert und im Internet Wahrheit und Lüge<br />

unterscheiden kann. Schüler müssen erfahren, dass man<br />

mindestens zwei unabhängige Quellen braucht und jede<br />

Meinung eine Gegenmeinung hat. Solche seriösen Informationen<br />

erfährt man nur mit Printmedien. Denn der Kodex<br />

der Journalisten schreibt solche Nachrichten-Sichtung vor.<br />

Doch in fast allen digitalen Bildungsplänen fehlt diese<br />

Kompetenz. Und eine kritische Auseinandersetzung mit<br />

dem Problem, dass die individuelle Infosuppe das Gegenteil<br />

von seriöser Informationsbeschaffung ist. Der ehemalige<br />

23<br />

Verfassungsrichter Udo di Fabio schreibt: „An die Stelle<br />

von journalistischer Recherche tritt das zusammengeflickte<br />

Momentanwissen in Erregungszuständen.“<br />

„Soziale“ Medien neigen beim Kampf um die Aufmerksamkeit<br />

der Nutzer zum Propagieren extremistischer Positionen.<br />

„Zwietracht wird gesät, die Demokratie wird<br />

zerstört“ (brit. Historiker Niall Ferguson). Problematisch<br />

ist auch die Abhängigkeit von sozialen Medien als überwiegende<br />

Informationsquelle. Selten steht Nachrichtenkompetenz<br />

in Curricula oder Schulbüchern. „In Zeiten<br />

beliebig manipulierbarer Fakten und Fotos, Audiodateien<br />

und Videos wird die Unterscheidung von Wahrem und<br />

Nichtwahrem zur zentralen Aufgabe bei jeder Informationsbeschaffung.“<br />

Wichtig bleibt bei LehrerInnen eine fundierte<br />

politische Bildung und die Befähigung zur<br />

Informationsbeschaffung durch seriöse Medien. Dabei bleiben<br />

analoge Medien wie Zeitungen und öffentlich-rechtliche<br />

Infokanäle die erste Wahl. Die individuelle Infosuppe<br />

jedwelcher digitaler Echokammern birgt keine Nachrichten<br />

darüber, wie es wirklich in der Welt aussieht.<br />

Hasso Rosenthal<br />

Quelle: „Nachhilfe in Skepsis – Wie informieren sich angehende<br />

Lehrer über demokratische Berichterstattung; Die Zeit; von Martin<br />

Spiewak; 1. März 2018

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