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LT128

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Leuchtturm Nr. 128<br />

Inklusion - Fluch oder Segen?<br />

Kinder sind von Grund auf verschieden. Sie kommen<br />

aus unterschiedlichen familiären Verhältnissen, bringen<br />

unterschiedliche Voraussetzungen und Kompetenzen<br />

mit in die Schule und haben verschiedenste Interessen und<br />

Fähigkeiten. Das ist nicht neu und sollte jedem einleuchten.<br />

Integration in der Schule ist ein Thema, seit es Schule<br />

gibt. Schon immer, schon vor 100 Jahren, mussten Kinder<br />

verschiedenster Altersstufen und Lernvoraussetzungen<br />

miteinander differenziert beschult werden, sei es durch äußerliche<br />

oder auch innerliche Differenzierung, im und außerhalb<br />

des Unterrichts. Pädagogen standen und stehen<br />

dabei immer vor einer Herausforderung und stellen sich<br />

die Frage: Wie werde ich in dieser heterogenen Lerngruppe<br />

zeitgleich allen Kindern gerecht?<br />

Die Wahl der Unterrichtsmethoden, Lernarrangements,<br />

Gruppenzusammenstellungen und Sitzordnungen sind<br />

dabei entscheidende Bausteine für das Gelingen von gemeinsamen<br />

Lernen. Sie werden seit jeher diskutiert, um<br />

Unterricht mit einer vielfältigen Schülerschaft zu ermöglichen<br />

und so attraktiv zu gestalten, dass der Lernerfolg<br />

bei jedem Einzelnen möglichst hoch ausfällt.<br />

Der Gedanke der Inklusion ist daher nichts Neues. Vielmehr<br />

regt er dazu an, die oben genannten Bedingungen<br />

für gelingenden Unterricht in heterogenen Gruppen noch<br />

weiter zu denken und so Voraussetzungen zu schaffen, um<br />

alle Kinder in einer Schule unterrichten zu können. Mit<br />

der Entscheidung zur Inklusion werden neue Zeichen gesetzt,<br />

um Ausgrenzung, Hass und Vorurteile in der Gesellschaft<br />

endgültig den Riegel vorzuschieben. Stattdessen<br />

geraten gesellschaftliche Werte und Ziele wie Akzeptanz,<br />

Toleranz und Respekt in den Vordergrund. Gleichwertige<br />

Unterstützung unabhängig von Aussehen, Herkunft oder<br />

kognitiven Fähigkeiten sowie die Selbstverständlichkeit<br />

gemeinsamen Lernens erhalten immer mehr Bedeutung.<br />

Dies ist eine große Chance für ein Mehr an gutem sozialem<br />

Miteinander in der Gesellschaft. Um diese Gedanken<br />

nachzuverfolgen oder gar schon umzusetzen, sind gründlich<br />

vorüberlegte Konsequenzen für Schule unabdingbar.<br />

Inklusion - eine wunderbare Gelegenheit, um Zeichen<br />

zu setzen - die Welt zu verändern. Doch wie kann das gelingen?<br />

Anstatt gründlich überlegte und auf Erfahrung basierte<br />

Maßnahmen zu ergreifen, die langfristig Inklusion<br />

an Schulen möglich machen, werden die Kolleginnen und<br />

Kollegen, Schulleitungen, Schulämter und weitere pädagogische<br />

Akteure aktuell ins kalte Wasser geworfen. Teilweise<br />

werden diese zusätzlich mit dem Kopf unter Wasser<br />

gehalten, sodass kaum noch Luft bleibt, um zu atmen, geschweige<br />

denn, ordentlich zu unterrichten.<br />

Inklusion erfordert finanzielle Ressourcen in die Hand<br />

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zu nehmen und dafür zu sorgen, dass dadurch erforderliche<br />

Voraussetzungen geschaffen werden, um inklusiv unterrichten<br />

zu können. Von Nöten sind nicht nur optimale<br />

Lernbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler, sondern<br />

ebenfalls attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen<br />

und Lehrer. Nur auf die Weise können langfristig<br />

gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte eingestellt werden.<br />

Fortbildungsangebote mit alltagstauglichen, praxisnahen<br />

und umsetzbaren Inhalten, geleitet von<br />

professionellen und praxiserfahrenen Teams, werden<br />

immer wichtiger. Darüber hinaus sind eine Ausschöpfung<br />

bzw. Schaffung aller möglichen räumlichen Ressourcen<br />

und nicht zuletzt die Gestaltung einer optimalen Lernumgebung<br />

durch Anpassung der technischen, medialen und<br />

möbiliaren Ausstattung anzustreben. Die strukturelle Veränderung<br />

und Anpassung der Schule an die veränderten<br />

Anforderungen muss gründlich und vor allem langfristig<br />

durchdacht werden. Kurzfristige und scheinbar finanziell<br />

attraktive Maßnahmen, die gleichzeitig mehr Belastung<br />

für jede unterrichtende Lehrkraft bedeuten, schaden dem<br />

Ansehen der Institution Schule und verletzen gleichzeitig<br />

die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Akteuren<br />

vor Ort.<br />

Wir werden den Kindern auf diese Weise nicht mehr gerecht.<br />

Sie erfahren alles andere als ein optimales Lernsetting<br />

und sind häufig auf sich allein gestellt. Das Gegenteil<br />

von dem, was wir damit erreichen wollen, wird erreicht:<br />

Zunahme von Frustration und Überforderung bei Kindern<br />

sowie Inakzeptanz und fehlender Respekt gegenüber<br />

ihren Mitschülern sind zu beobachten. Wir müssen nun<br />

handeln, finanzielle Mittel bereitstellen, Voraussetzungen<br />

schaffen, um das Mammutprojekt Inklusion zu ermöglichen<br />

- Weitblick statt kurzfristige Maßnahmen. Es geht<br />

hierbei nicht um die Optimierung eines Produkts. Kinder<br />

sind keine Ware, die wir beliebig verändern können und<br />

mit der wir umgehen können wie es uns gerade passt.<br />

Schule ist kein Unternehmen, in dem mit möglichst wenig<br />

finanziellem Aufwand das gefragteste Produkt produziert<br />

wird. Hier entscheidet nicht Angebot und Nachfrage. Hier<br />

geht es um mehr, um die Zukunft unserer Kinder und letztlich<br />

um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Gesellschaft.<br />

Bildung für alle, Erfolg, Gerechtigkeit, Toleranz, gegenseitiger<br />

Respekt und friedliches Miteinander können nur<br />

angestrebt werden, wenn die Voraussetzungen seitens<br />

höchster Instanz dafür geschaffen werden.<br />

Inklusion? JA, aber richtig!<br />

Inklusion - Fluch oder Segen? SEGEN, aber bitte ohne<br />

Flüchtigkeit.<br />

Jan Demandt

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