Anwaltsblatt 2011/0708 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Abhandlungen<br />
312<br />
Ausgenommen hiervon sind insbesondere Fälle, in denen<br />
durch das Bereitstellen von Wohnraum ein besonderes<br />
Naheverhältnis begründet wird. Darunter fällt<br />
beispielsweise das Inserieren eines freien Zimmers in<br />
einer reinen Frauen-Wohngemeinschaft, die auch nur<br />
wiederum durch eine Person weiblichen Geschlechts<br />
ergänzt werden soll und dadurch das Inserat die Wendung<br />
„Nur Frauen erwünscht“ beinhaltet. 11) In diesem<br />
Zusammenhang ist auch zu beachten, dass eine Ungleichbehandlung<br />
aufgrund einer Schwangerschaft<br />
ebenfalls eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts<br />
darstellt (§ 31 Abs 1 aE GlBG). Daraus folgt,<br />
dass in Inseraten schwangere Personen nicht aufgrund<br />
ihrer Schwangerschaft ausgeschlossen werden dürfen.<br />
Bei Verstößen gegen § 36 GlBG ist die inserierende<br />
Person beim ersten Vorfall von der Bezirksverwaltungsbehörde<br />
zu ermahnen und kann durch diese erst<br />
bei einem weiteren Verstoß eine Geldstrafe von bis zu<br />
€ 360,– verhängt werden (§ 37 GlBG).<br />
2. Gleichbehandlung beim Zugang zu und bei der<br />
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen<br />
Wie bereits erwähnt, war in der Regierungsvorlage ursprünglich<br />
vorgesehen, dass das bisher bestehende<br />
Verbot von Diskriminierungen beim Zugang zu und<br />
bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen<br />
über die bisherigen Diskriminierungsgründe des Geschlechts<br />
und der ethnischen Zugehörigkeit hinaus<br />
auch auf die Gründe der sexuellen Orientierung, der<br />
Religion oder Weltanschauung sowie des Alters ausgeweitet<br />
werden soll. 12) Dies hätte zur Folge gehabt, dass<br />
damit einerseits über die erfassten Diskriminierungsgründe<br />
der bisherigen Antidiskriminierungs-RL hinausgegangen<br />
worden wäre und andererseits der bisher<br />
bestehenden faktischen Hierarchisierung der Diskriminierungsgründe<br />
begegnet hätte werden können.<br />
13)<br />
Im Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrats<br />
wurde jedoch von dieser Ausweitung des Diskriminierungsschutzes<br />
wieder abgegangen, da europäische<br />
Entwicklungen abgewartet werden sollen. 14) Somit<br />
wurden in der Novelle <strong>2011</strong> nur die ehemals getrennten<br />
Regelungen bezüglich der Diskriminierungsgründe<br />
des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit<br />
zusammengefasst. Damit hat der österreichische<br />
Gesetzgeber es (vorerst) versäumt, ein einheitliches<br />
Gleichbehandlungsrecht im Bereich des<br />
Schuldrechts einzuführen.<br />
3. Versicherungsverträge (EuGH, Test-Achats) 15)<br />
In seiner ersten grundlegenden E zur Güter-Gleichbehandlungs-RL<br />
befasste sich der EuGH Anfang dieses<br />
Jahres mit der Frage der Zulässigkeit einer Übergangsbestimmung<br />
für Versicherungsverträge. Art 5 Abs 1<br />
Aktuelles zum Gleichbehandlungsrecht<br />
Autor: Mag. Christoph Kasper, Graz<br />
Güter-Gleichbehandlungs-RL sieht vor, dass die Mitgliedstaaten<br />
bei spätestens nach dem 21. 12. 2007 abgeschlossenen<br />
Versicherungsverträgen keine Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts mehr zulassen dürfen.<br />
Davon abweichend wurde in Abs 2 den Mitgliedstaaten<br />
die Möglichkeit eingeräumt, über den<br />
21. 12. 2007 hinaus vorzusehen, dass das Geschlecht<br />
bei der Gewährung von Versicherungsleistungen bzw<br />
bei der Berechnung von Versicherungsprämien zu unterschiedlichen<br />
Ergebnissen führen darf, wenn einerseits<br />
das Geschlecht als bestimmender versicherungsmathematischer<br />
Faktor in der konkreten Versicherung<br />
dient (zB Lebensversicherungen) und andererseits die<br />
Differenzierung auf regelmäßig aktualisierten Daten<br />
(zB Sterbetafeln) beruht.<br />
Zur Zulässigkeit dieser Ausnahmebestimmung führt<br />
der EuGH zusammenfassend aus, die konkrete Ausgestaltung<br />
der Ausnahmebestimmung könne dazu führen,<br />
dass die Mitgliedstaaten unbefristet die unterschiedliche<br />
Gestaltung von Prämien und Leistungen<br />
aufgrund des Geschlechts erlauben könnten. Eine derartige<br />
Praxis würde jedoch den Zielen der RL – nämlich<br />
die Herstellung der Gleichheit zwischen Männern<br />
und Frauen – widersprechen sowie sei diese mit dem<br />
Gleichheitssatz nach Art 21 und 23 der Grundrechtecharta<br />
(GRC) 16) unvereinbar. Daraus folge nach Ansicht<br />
des EuGH, dass – unter Einhaltung einer angemessenen<br />
Übergangsfrist – über den 21. 12. 2012 hinaus<br />
keine unterschiedlichen Versicherungsprämien<br />
und -leistungen nur aufgrund des Geschlechts bestehen<br />
dürfen.<br />
Für die österreichische Versicherungswirtschaft bedeutet<br />
dies, dass ab dem 21. 12. 2012 bloß sog Unisex-Tarife<br />
17) angeboten werden dürfen, die keine unterschiedlichen<br />
Prämien oder Leistungen aufgrund des<br />
Geschlechts vorsehen. Beispielsweise dürfen daher im<br />
Rahmen von Lebensversicherungen Frauen keine höheren<br />
Prämien ausschließlich aufgrund des Geschlechts<br />
auferlegt werden.<br />
11) Vgl ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 10.<br />
12) Vgl hierzu nunmehr Art 19 AEUV (ex-Art 13 EGV).<br />
13) Zur (Gefahr der) Hierarchisierung von Diskriminierungsgründen<br />
siehe bereits ua Flynn, The Implications of Article 13 EC – After Amsterdam,<br />
will some Forms of Discrimination be more equal than<br />
others? CMLRev 1999, 1127 (1139 f).<br />
14) Zu verweisen ist hierbei auf den Entwurf einer Allgemeinen Gleichbehandlungs-RL<br />
(KOM [2008] 426 endg), die jedoch vom Rat nicht<br />
verabschiedet wurde. Derzeit finden Beratungen im Rat über mögliche<br />
Änderungen statt.<br />
15) EuGH 1. 3. <strong>2011</strong>, C-236/09, Test-Achats. Siehe dazu auch Perner,<br />
ÖJZ <strong>2011</strong>, 333.<br />
16) Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass die GRC<br />
seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon nunmehr gleichrangig<br />
mit den Verträgen der Union steht (Art 6 Abs 1 EUV).<br />
17) Siehe dazu bereits St. Korinek, Umsetzung der Gleichbehandlungs-<br />
RL: „Unisextarife“ und Versicherungen, ecolex 2006, 549.<br />
Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2011</strong>/07-08