Anwaltsblatt 2011/0708 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Nach Darstellung des sekundärrechtlichen Diskriminierungsschutzes<br />
wird untersucht, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen<br />
in Österreich ausreichend umgesetzt wurden.<br />
Kritisch wird die Entwicklung der Schadenersatzregelungen<br />
beleuchtet, die zu keiner Zeit ambitioniert in Richtung der<br />
vom europäischen Richtliniengeber geforderten „Abschreckung“<br />
ausgestaltet wurden. Die Novelle <strong>2011</strong> ist, wie Ulrich<br />
folgert, nur als kleiner Teilschritt auf dem Weg zu einem effektiven<br />
Diskriminierungsschutz zu sehen – die Fragmentierung<br />
des Diskriminierungsschutzes bleibt fortbestehen. Als<br />
größtes Hindernis zu einem adäquaten Diskriminierungsschutz<br />
bleibt die Hierarchisierung zwischen den Diskriminierungsmotiven<br />
bestehen. Ulrich liefert einen wesentlichen<br />
Beitrag zum Verständnis und zur praktischen Anwendung<br />
von Primärrecht im Bereich des Gleichbehandlungsrechts.<br />
Die Gleichbehandlungsanwältinnen Birgit Gutschlhofer<br />
und Ulrike Salinger setzen sich mit dem Gleichbehandlungsrecht<br />
in der außergerichtlichen Praxis auseinander. Einer<br />
kurz gehaltenen Einführung zum geltenden österreichischen<br />
Gleichbehandlungsrecht folgt eine detaillierte Schilderung<br />
der Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der<br />
Gleichbehandlungskommission samt Erläuterung plakativer<br />
Fälle, die wichtige Klarstellungen und Hilfe zur Beurteilung<br />
von Diskriminierungsfällen bieten. Geht es im ersten Fall<br />
um eine Ungleichbehandlung aufgrund des Familiennamens<br />
durch ein Finanzamt hinsichtlich Gewährung der Familienbeihilfe<br />
und die Überprüfung der Umsetzung der von der<br />
Gleichbehandlungskommission empfohlenen Maßnahmen,<br />
behandeln Gutschlhofer und Salinger im zweiten Fall eine Altersdiskriminierung<br />
bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses.<br />
In einem weiteren Fall wird das Diskriminierungsverbot<br />
bei Assoziierung am Wohnungsmarkt besprochen.<br />
Im Fall der unterschiedlichen Tarife für Frauen und<br />
Männer bei öffentlichen Transportmitteln sprechen die Autorinnen<br />
grundsätzliche Fragen des Diskriminierungsschutzes<br />
an: Ist die Benachteiligung von Frauen beim Einkommen<br />
ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung<br />
nach dem Alter? Fallen Begünstigungen im Sozialschutz<br />
unter die Ermächtigung zu positiven Maßnahmen<br />
nach dem Gleichbehandlungsgesetz? Nach Ansicht der<br />
Gleichbehandlungskommission liegt kein rechtmäßiges Ziel<br />
iSd Gleichbehandlungsgesetzes vor. Gutschlhofer und Salinger<br />
geben einen äußerst brauchbaren Überblick über die<br />
Bandbreite praktischer Fälle und die Reichweite des außergerichtlichen<br />
Rechtsschutzes samt Argumentationsmustern<br />
für eine erfolgreiche Rechtsdurchsetzung.<br />
Im Beitrag von Thomas Majoros wird die in der Praxis<br />
höchst relevante Frage des immateriellen Schadenersatzes<br />
bei Diskriminierung untersucht. RA Majoros diskutiert anhand<br />
einer umfangreichen Judikaturauswahl zu Belästigungsfällen<br />
die Probleme der Bemessung des immateriellen<br />
Schadenersatzes. In Hinblick auf die Vorgaben der EU-Antidiskriminierungs-Richtlinien,<br />
nach denen die Entschädigun-<br />
Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2011</strong>/07-08<br />
Rezensionen<br />
gen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen,<br />
entwirft Majoros einen Kriterienkatalog, nach dem die<br />
Bemessung erfolgen sollte. Er führt aus, dass die Regeln<br />
des Behindertengleichstellungsgesetzes wie Dauer der Diskriminierung,<br />
Schwere des Verschuldens, Erheblichkeit der<br />
Beeinträchtigung oder Mehrfachdiskriminierung auch in<br />
Fällen, die unter die anderen Gleichbehandlungsgesetze fallen,<br />
anzuwenden sind. Zur geforderten Abschreckung sei es<br />
notwendig, dass die Entschädigung über den Ausgleich des<br />
erlittenen Schadens hinausgeht. Ein wesentlicher Parameter<br />
ist daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Diskriminierenden,<br />
wobei dieser seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
zu belegen haben wird. Der Grad des Verschuldens<br />
ist nachvollziehbar ein weiteres Kriterium. Schließlich wird<br />
die Bemessung des ideellen Schadens auch auf die Folgen<br />
für das Opfer abzustellen haben. Insgesamt sollte die Höhe<br />
des Schadenersatzes im Verhältnis zu den im Gesetz genannten<br />
Mindestbeträgen stehen. Majoros gibt damit ein konkretes<br />
Werkzeug zur Ermittlung und Begründung des zu begehrenden<br />
Anspruchs zur Hand.<br />
Anschließend befasst sich Petra Smutny mit der Bedeutung<br />
von Beweisfragen im Gleichbehandlungsrecht, da es als Ausnahme<br />
zu den allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln<br />
Beweislasterleichterungen vorsieht. Anschaulich wird die<br />
Problematik aufgerollt und erörtert und auch aus europarechtlicher<br />
Sicht beleuchtet. Als größte Schwierigkeit in<br />
der Praxis sieht Smutny das Problem der Mehrzahl angebotener<br />
Motive, die alle eine gewisse Glaubwürdigkeit besitzen,<br />
aber kein ausschlaggebendes Motiv (allein) erkennbar ist.<br />
Dieses Problem hat insb bei Mehrfachdiskriminierungen<br />
Auswirkungen, so kann dadurch eine Überschneidung von<br />
Motiven zur Ablehnung des Begehrens führen, weil kein verpöntes<br />
Motiv als ausschlaggebend erkannt wird. Smutnys<br />
Beitrag zeigt auf, welche Schwachstellen in den Vorbringen<br />
zu vermeiden sind, um die Erfolgsaussichten im Prozess zu<br />
maximieren.<br />
Abschließend wird eine am Österreichischen Institut für<br />
Menschenrechte im April 2010 abgehaltene Podiumsdiskussion<br />
wiedergegeben. Die Stellungnahmen bieten einen interessanten<br />
Einblick in die Fallkonstellation in der Praxis und<br />
die Zugangsweisen der unterschiedlichen Akteurinnen und<br />
Akteure im Bereich des Diskriminierungsschutzes.<br />
Aufgrund der weitgestreuten Expertise der Autorinnen<br />
und Autoren bietet dieses Buch einen wichtigen Einblick<br />
in aktuelle Themen – Europa- und Grundrechtsrechtsrelevanz,<br />
aktuelle Entscheidungen, Schadenersatz und Beweisregelungen<br />
– des Antidiskriminierungsrechts für die Praxis. In<br />
knapper, aber ausgesprochen profunder Form bietet der<br />
Band einerseits einen hervorragenden Überblick über das<br />
aktuelle Gleichbehandlungsrecht und hält wertvolle Hinweise<br />
in prozeduraler als auch materieller Hinsicht für Expertinnen<br />
und Experten parat.<br />
Veronika Apostolovski/Klaus Starl<br />
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