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Im Fokus<br />

Zukünftig werden die europäer<br />

ihre krisen überwiegend ohNe die<br />

usa bewältigen müssen.<br />

– kurz, es handelt sich um fragile Staaten,<br />

die <strong>der</strong> Organisierten Kriminalität<br />

guten Nährboden bieten. Da we<strong>der</strong> die<br />

politische Entwicklung noch die wirtschaftliche<br />

eine Tendenz zum Besseren<br />

zeigt – in vielen Län<strong>der</strong>n ist auch aufgrund<br />

<strong>der</strong> Rezession <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

seit 2008 das Gegenteil zu beobachten –,<br />

sieht die Jugend keine Lebenschancen<br />

für sich und versucht, ihre Heimat zu<br />

verlassen. Ein Brain-Drain gut ausgebildeter<br />

Osteuropäer könnte zwar in Zukunft<br />

<strong>der</strong> EU nutzen, schwächt aber diese<br />

Staaten weiter.<br />

Russland unter Putin ist bestrebt,<br />

mit Hilfe seiner Energiepolitik neue und<br />

stärkere Abhängigkeiten zu schaffen,<br />

um die post-sowjetischen Staaten erneut<br />

an sich zu binden. An einer nichtdemokratischen,<br />

vom Autoritarismus<br />

Moskaus beeinflussten Nachbarschaft<br />

fragiler Staaten kann den Europäern<br />

aber nicht liegen. Auf Dauer kann so<br />

auch die Stabilisierung <strong>der</strong> Staaten nicht<br />

gelingen. Im Osten muss die Europäische<br />

Union folglich weiterhin versuchen,<br />

wirtschaftliche und politische Anreize<br />

zu bieten, den Reformprozess fortzusetzen.<br />

Darüber hinaus brauchen die<br />

osteuropäischen Staaten die Unterstützung<br />

beim Aufbau <strong>der</strong> Polizei und <strong>der</strong><br />

Grenz- und Zollverwaltungen. Zugleich<br />

bedarf es <strong>der</strong> engen Kooperation <strong>der</strong><br />

Schengenstaaten, um das Überschwappen<br />

<strong>der</strong> Organisierten Kriminalität und<br />

48 POLITISCHE STUDIEN // 448<br />

Korruption einzudämmen. Das wirksamste<br />

Instrument für den Anreiz für<br />

Reformen will die EU aus gutem Grund<br />

nicht einsetzen: Es ist das Angebot einer<br />

EU-Mitgliedschaft. Es bleiben also ökonomische<br />

und politische Kooperationsangebote<br />

unterhalb dieser Schwelle, die<br />

dennoch attraktiv sein müssen – in Anbetracht<br />

<strong>der</strong> menschenrechtlich bedenklichen<br />

Lage, z. B. in Weißrussland<br />

und in <strong>der</strong> Ukraine, ein heikler Balanceakt<br />

für die EU.<br />

Problemlage Südeuropa<br />

Viel bedrohlicher ist die Lage im Süden.<br />

Es fragt sich, ob wir Nordeuropäer bereits<br />

wirklich erfassen, dass die Entwicklung<br />

im Mittelmeerraum auch uns<br />

betrifft. Zunächst ist <strong>der</strong> demographische<br />

Faktor zu erwähnen, den man<br />

durchaus unter an<strong>der</strong>em als tiefere Ursache<br />

für die Umstürze während <strong>der</strong> „Arabellion“<br />

betrachten kann. Alle Staaten<br />

im südlichen Mittelmeerraum haben ein<br />

sehr hohes Bevölkerungswachstum. Die<br />

Bevölkerung Ägyptens hat sich von rund<br />

20 Mio. (1950) auf über 80 Mio. (2011)<br />

vervierfacht. In manchen Län<strong>der</strong>n entlang<br />

des Mittelmeeres bzw. in den an<br />

ihnen angrenzenden arabischen Staaten<br />

liegt <strong>der</strong> Median <strong>der</strong> Bevölkerung zwischen<br />

17 und 25 Jahren, das heißt, die<br />

Hälfte <strong>der</strong> Bevölkerung ist unter 25 Jahren<br />

o<strong>der</strong> noch jünger, ca. 60 % sind nicht<br />

älter als 30. In Subsahara-Afrika, von<br />

die eu muss die post-sowjetischen<br />

staaten aus dem einflussbereich<br />

russlaNds bekommen.<br />

Europa nur durch zwei Grenzen getrennt,<br />

liegt <strong>der</strong> Median zwischen 14<br />

und 20 Jahren. Die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Staaten, ihrer nachwachsenden Bevölkerung<br />

Bildung und Arbeitsplätze zur Verfügung<br />

zu stellen, ist schlicht immens.<br />

Die Mittelmeeranrainer sind durch<br />

fragile Staatlichkeit gekennzeichnet und<br />

<strong>der</strong>zeit durchweg nicht in <strong>der</strong> Lage, für<br />

diese „Jugendblase“ (youth bulge) Ausbildung<br />

und Arbeitsplätze in ausreichendem<br />

Maße zur Verfügung zu stellen.<br />

In diesen traditionellen Gesellschaften<br />

ist damit zumeist eine Familiengründung<br />

nicht möglich. Die ihrer Lebenschancen<br />

beraubten jungen Menschen<br />

bieten somit ein Reservoir für<br />

die demographische entwicklung<br />

einiger mittelmeeranrainer birgt<br />

sozialen und politischen sprengstoff.<br />

Kriminalität, politische und islamistische<br />

Radikalisierung, Terrorismus und<br />

für bewaffnete Auseinan<strong>der</strong>setzungen,<br />

z. B. für Bürgerkriege. Die politischen<br />

und wirtschaftlichen Entwicklungen<br />

werden Flucht, Wirtschaftsmigration<br />

und Vertreibung zur Folge haben. Die<br />

größte Zahl werden weiterhin die Binnenmigranten<br />

stellen – displaced persons<br />

im eigenen Land. Dies wird zur<br />

weiteren Destabilisierung <strong>der</strong> armen<br />

und schwachen Staaten beitragen. Viele<br />

Flüchtlinge werden jedoch auch versuchen,<br />

in die sicheren und wohlhabenden<br />

Regionen im Norden – also nach Europa<br />

– zu fliehen.<br />

Problemlage Naher Osten und<br />

arabischer Raum<br />

Die wirtschaftliche Unterentwicklung<br />

und die autoritären bzw. diktatorischen<br />

politischen Systeme haben zu den Umstürzen<br />

in den Län<strong>der</strong>n des südlichen<br />

Mittelmeeres beigetragen. Es ist noch<br />

völlig offen, wie <strong>der</strong> Reformprozess verlaufen<br />

wird, zu islamistischen autoritären<br />

Regierungen o<strong>der</strong> zu islamischen<br />

Demokratien, die pluralistisch orientiert<br />

sind und (islamische und christliche)<br />

religiöse Min<strong>der</strong>heiten tolerieren.<br />

Zu befürchten ist jedoch, dass <strong>der</strong> Umbruchprozess<br />

eine Generation lang dauert,<br />

wie die in viel günstigerem Kontext<br />

und mit großer Hilfe <strong>der</strong> EU stattfindende<br />

Transformation Mittelost- und Osteuropas<br />

zeigt. Diese ist auch nach 20<br />

Jahren noch nicht abgeschlossen. Die<br />

revolutionäre, z. T. bürgerkriegsartige<br />

Situation, wie wir sie in Ägypten, Libyen<br />

und Syrien sehen, wird ausländische<br />

wie inländische Investoren abschrecken.<br />

Für die meisten Staaten ist <strong>der</strong><br />

Tourismus aber eine wichtige Einnahmequelle,<br />

die allen Bevölkerungsschichten<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten sichert.<br />

Der Tourismus ist eingebrochen<br />

und mit ihm die Staatseinnahmen, also<br />

die Fähigkeit, soziale Härten abzumil<strong>der</strong>n<br />

und Gesundheits- und Bildungssysteme<br />

zu erhalten. Die Spirale <strong>der</strong> Unzufriedenheit<br />

ist erneut in Gang gesetzt<br />

Wie in allen Konfliktregionen strahlen<br />

auch hier die Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

weit aus: Umliegende Staaten werden radikalisiert,<br />

Islamisten und ehemalige<br />

Söldner werden bewaffnet und überwältigen<br />

schwache Staaten. Mali ist dafür<br />

ein Beispiel par excellence: Gaddafis<br />

Waffen gelangten in die Hände von Islamisten<br />

in Mali und <strong>der</strong> schwache Staat<br />

hatte keine Abwehrmöglichkeit. Syrien<br />

– und möglicherweise nicht nur Syrien –<br />

steht vor <strong>der</strong> Gefahr, auseinan<strong>der</strong> zu<br />

brechen und den Weg Jugoslawiens zu<br />

gehen. Zugleich strömen syrische<br />

Flüchtlinge in die Nachbarstaaten wie<br />

448 // POLITISCHE STUDIEN 49

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