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aktuelles buch<br />
/// Mit kennerblick<br />
chinas Wandel in den<br />
letzten 40 Jahren<br />
Aus <strong>der</strong> großen Menge von Literatur<br />
über die politischen und wirtschaftlichen<br />
Entwicklungen Chinas hebt sich<br />
Henry Kissingers Buch „China: Zwischen<br />
Tradition und Herausfor<strong>der</strong>ung“<br />
positiv ab. Ursächlich dafür ist die beson<strong>der</strong>e<br />
Perspektive des Autors, <strong>der</strong><br />
nicht nur als wissenschaftlicher Beobachter<br />
über China schreibt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
als Sicherheitsberater und US-Außenminister<br />
die Chinapolitik <strong>der</strong> USA aktiv<br />
mitgestaltet hat. Kissinger war in dieser<br />
Zeit maßgeblich an <strong>der</strong> diplomatischen<br />
Vorbereitung <strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> Volksre-<br />
96 POLITISCHE STUDIEN // 448<br />
Kissinger, Henry A.:<br />
China: Zwischen Tradition und Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
München: Pantheon Verlag 2012,<br />
624 Seiten, € 16,99.<br />
publik gegenüber dem Westen beteiligt<br />
und pflegt bis heute – nach insgesamt<br />
über fünfzig Besuchen im „Reich <strong>der</strong><br />
Mitte“ – regelmäßigen Kontakt mit chinesischen<br />
Entscheidungsträgern. Dieser<br />
persönliche Blickwinkel lässt die Beschreibung<br />
des Handelns und <strong>der</strong> Persönlichkeiten<br />
<strong>der</strong> chinesischen Staatschefs<br />
wie Mao Zedong, Zhou Enlai,<br />
Deng Xiaoping und Jiang Zemin überaus<br />
authentisch wirken.<br />
Nach einer Einführung zu den konzeptionellen<br />
Grundüberlegungen chinesischer<br />
Politik ist das 600-Seiten-Werk<br />
chronologisch aufgebaut. Beginnend<br />
mit <strong>der</strong> Macartney-Mission 1793 schlägt<br />
<strong>der</strong> Autor einen Bogen von <strong>der</strong> einstigen<br />
chinesischen Vormachtstellung über<br />
den politischen Nie<strong>der</strong>gang im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />
<strong>der</strong> durch die Nie<strong>der</strong>lage Chinas<br />
in den Opiumkriegen und den Ungleichen<br />
Verträgen gegenüber dem technologisch<br />
weit überlegenen Westen gekennzeichnet<br />
war und China zum „Objekt<br />
konkurrieren<strong>der</strong> Kolonialmächte“<br />
verwandelt hat. Darauf aufbauend beschreibt<br />
Kissinger die politischen Wirren<br />
in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
bis zur Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China 1949. Einen beson<strong>der</strong>en<br />
Schwerpunkt bilden die politischen Entwicklungen<br />
seit 1969, bei <strong>der</strong>en Beschreibung<br />
<strong>der</strong> Autor auf seine persönlichen<br />
Gespräche und Begegnungen als<br />
Primärquellen zurückgreifen kann. Die<br />
Annäherung an den Westen zu Beginn<br />
<strong>der</strong> 1970er-Jahre, die Reform- und Öffnungspolitik<br />
unter Deng Xiaoping wie<br />
auch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufstieg Chinas zu einer<br />
international anerkannten politischen<br />
und wirtschaftlichen Macht unter<br />
Jiang Zemin und Hu Jintao werden detailliert<br />
und einleuchtend analysiert.<br />
Abschließend wird das Konzept eines<br />
„friedlichen Aufstiegs“ <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
und die mögliche Entwicklung zu<br />
einer „Pazifischen Gemeinschaft“ skizziert,<br />
in <strong>der</strong> die Europäer nur mehr eine<br />
untergeordnete Nebenrolle einnehmen.<br />
Dieser chronologische Blick erleichtert<br />
es dem Leser, die vielen sehr unterschiedlichen,<br />
teils wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Facetten des heutigen Chinas zu begreifen:<br />
Das technologisch und wirtschaftlich<br />
hochentwickelte China an<br />
<strong>der</strong> Ostküste einerseits und das rückständig<br />
wirkende ländliche China an<strong>der</strong>erseits<br />
erscheinen ebenso gegensätzlich<br />
wie die autoritären Elemente des<br />
politischen Systems und die neueren,<br />
vor allem wirtschaftlichen Freiheiten<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung.<br />
Dabei wählt <strong>der</strong> Realpolitiker Kissinger<br />
durchgehend eine an Fakten orientierte,<br />
vielfach neutrale Perspektive,<br />
die versucht, die Hintergründe chinesischen<br />
Handelns mit Hilfe historischer<br />
Tradition wie auch beson<strong>der</strong>er Mentalität<br />
verständlich aufzuzeigen.<br />
Henry Kissinger gelingt es, kompetent,<br />
faktenreich und zugleich unterhaltsam<br />
den Wandel Chinas von seinen<br />
Anfängen an und beson<strong>der</strong>s in den vergangenen<br />
40 Jahren darzustellen.<br />
Zweifellos eine empfehlenswerte Lektüre<br />
für Chinainteressierte wie auch<br />
für Chinakenner.<br />
MarkUS GrabMEIEr<br />
448 // POLITISCHE STUDIEN 97