Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ezensionen<br />
Gaddafi ließ sich Obama nur aufgrund<br />
eines UN-Mandats und <strong>der</strong> Kostenteilung<br />
mit Großbritannien und Frankreich<br />
bewegen. Obamas strategielose<br />
– euphemistisch ausgedrückt: pragmatische<br />
– Haltung gegenüber dem Arabischen<br />
Frühling könnte, so befürchtet<br />
Mann, die unerwünschte Botschaft an<br />
den Iran und Nordkorea gesendet haben:<br />
„Wenn Sie nachsichtig und respektvoll<br />
von den USA behandelt werden<br />
wollen, hilft es, wenn Sie ein Atomwaffenprogramm<br />
haben.“<br />
So ausgewogen Manns Rekapitulation<br />
<strong>der</strong> Außenpolitik während <strong>der</strong> ersten<br />
Amtszeit Obamas ist, so uninspiriert<br />
flüchtet er sich bei <strong>der</strong> Schlussbetrachtung<br />
in nichtssagende Allgemeinplätze.<br />
Als großen Erfolg wertet er Obamas<br />
Vorgehen gegen die Kaida in Afghanistan,<br />
mittleren Erfolg schreibt er <strong>der</strong><br />
Umorientierung <strong>der</strong> US-Außenpolitik<br />
hin zu Asien und dem Wie<strong>der</strong>herstellen<br />
<strong>der</strong> Stellung <strong>der</strong> USA im Mittleren Osten<br />
zu. Die Amtszeit <strong>der</strong> Obamians markiere<br />
den Beginn einer neuen Ära, in <strong>der</strong><br />
amerikanische Vorrangstellung nicht<br />
mehr als gegeben gilt. Möglicherweise<br />
haben es Experten auch schwerer, eine<br />
von Krisenmanagement und Pragmatismus<br />
geprägte Außenpolitik zu analysieren<br />
– zumindest diesbezüglich vermissen<br />
wohl einige Beobachter die Streitbarkeit<br />
George W. Bushs.<br />
MaNfrED GrOß<br />
* Alle Übersetzungen aus dem<br />
Englischen von Manfred Groß.<br />
Oltmer, Jochen:<br />
Globale Migration.<br />
Geschichte und<br />
Gegenwart.<br />
München: C.H. Beck<br />
Verlag 2012,<br />
128 Seiten, € 8,95.<br />
„Migration ist ein globales Zukunftsthema“,<br />
denn die Zahl weltweiter Migranten<br />
dürfte aufgrund fortschreiten<strong>der</strong><br />
Globalisierung, demographischer<br />
und sozio-ökonomischen Entwicklungsunterschiede,Ressourcenknappheit,<br />
Demokratiedefiziten und Kriegen<br />
zunehmen. Nur selten wird jedoch erkannt,<br />
dass Migration und Integration<br />
Ergebnis historischer Prozesse und<br />
staatlicher Politik sind. Jochen Oltmer,<br />
Professor für Neueste Geschichte und<br />
Vorstand des Instituts für Migrationsforschung<br />
und Interkulturelle Studien<br />
(IMIS) <strong>der</strong> Universität Osnabrück, beschäftigt<br />
sich daher „unter historischen<br />
und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten<br />
mit <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Migrationsverhältnisse<br />
für die historischen und<br />
aktuellen Prozesse“.<br />
In nur 128 Seiten umreißt Oltmer<br />
souverän die sozio-ökonomischen, politischen<br />
und kulturell-religiösen Hintergründe,<br />
Rahmenbedingungen und Folgen<br />
globaler Migration von <strong>der</strong> Neuzeit<br />
bis zur Gegenwart. Das Wechselverhältnis<br />
von Globalisierung und Migration<br />
erarbeitet er in den sechs Buchkapiteln<br />
chronologisch. Im ersten Kapitel wird<br />
die „Migrationsgeschichte als Menschheitsgeschichte“<br />
beginnend vor 120.000<br />
Jahren über die Sesshaftwerdung in <strong>der</strong><br />
Jungsteinzeit bis zum 15. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
skizziert. Der Autor zeigt, dass „Migration<br />
zwar seit jeher ein zentrales Element<br />
<strong>der</strong> Anpassung des Menschen an<br />
Umweltbedingungen und gesellschaftliche<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen“ ist, man jedoch<br />
erst seit <strong>der</strong> Expansion Europas im 15.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t von „globaler Migration“<br />
sprechen kann. Vorher verliefen Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen<br />
meist kontinental<br />
und nur über kurze Distanzen. Zu einem<br />
Massenphänomen wurde Migration<br />
jedoch erst viel später, nämlich während<br />
<strong>der</strong> industriellen Revolution. Voraussetzungen<br />
hierfür waren die Entstehung<br />
industrieller Arbeitsplätze und <strong>der</strong><br />
Einsatz von Massenverkehrsmitteln.<br />
Die „Bedingungen, Formen und Folgen<br />
weltweiter Wan<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong><br />
Neuzeit“ stellt Oltmer im zweiten Kapitel<br />
dar. Dabei unterscheidet er 14 Wan<strong>der</strong>ungsformen<br />
und differenziert nach<br />
dem Hintergrund und den raum-zeitlichen<br />
Dimensionen von Migration. Das<br />
dritte Kapitel widmet sich <strong>der</strong> „Erschließung<br />
und Verdichtung des globalen<br />
Raums durch Migration vom 16. bis<br />
zum 19. Jahrhun<strong>der</strong>t“ mit Sklavenhandel,<br />
kolonialer Expansion, Massenabwan<strong>der</strong>ungen<br />
aus Europa und dem Anstieg<br />
<strong>der</strong> europäischen Nordamerikamigration<br />
im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Die überseeische<br />
Abwan<strong>der</strong>ung von Europäern<br />
blieb vom 16. bis in das 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
in ihrem Umfang noch mo<strong>der</strong>at, führte<br />
aber in <strong>der</strong> Folgezeit bis in das frühe 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t hinein zu einem weitreichenden<br />
Wandel in <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung v. a. in Amerika,<br />
im südlichen Pazifik und in Teilen Afrikas<br />
und Asiens.<br />
Kapitel 4 thematisiert die „Arbeits-<br />
und Siedlungswan<strong>der</strong>ungen im Zeichen<br />
rapi<strong>der</strong> Globalisierung im späten<br />
19. und frühen 20. Jahrhun<strong>der</strong>t“. Die<br />
intensivierte koloniale Expansion Europas,<br />
<strong>der</strong> USA und Japans führte zum<br />
Höhepunkt weltweiter Fernwan<strong>der</strong>ungen.<br />
In <strong>der</strong> Phase des Hochimperialismus,<br />
<strong>der</strong> Zeit von Verkehrs- und Kommunikationsrevolution<br />
sowie beschleunigter<br />
Wirtschaftsvernetzung und<br />
-transformation trugen Überseewan<strong>der</strong>ungen<br />
mitunter bereits Züge mo<strong>der</strong>ner<br />
Arbeitsmigration. Anschließend<br />
befasst sich Oltmer mit dem Thema<br />
„Flucht, Vertreibung, Deportation: Migration<br />
und weltweite Kriege im 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t“. Erster Weltkrieg, Zweiter<br />
Weltkrieg und Kalter Krieg verursachten<br />
tiefe Einschnitte in die weltpolitische<br />
Ordnung und die globalen<br />
Wirtschaftsverhältnisse. Im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
migrierte weltweit die bislang<br />
größte Zahl von Menschen – und dies<br />
zumeist unfreiwillig.<br />
Das sechste und letzte Kapitel trägt<br />
den Titel „Neue Weltordnung und globale<br />
Handlungsräume: Migrationsverhältnisse<br />
im späten 20. und frühen 21.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t“. Das globale Migrationsgeschehen<br />
unterliegt in steigendem<br />
Maße staatlicher Kontrolle und Steuerung.<br />
Aufgrund beschleunigten sozioökonomischen<br />
und politischen Wandels<br />
erfuhr die Arbeitsmigration neue Ausprägungen<br />
wie z. B. Anwerbeverträge.<br />
Der damit einhergehende Familiennachzug<br />
und die Etablierung transnationaler<br />
sozialer Netzwerke perpetuierten<br />
die Migration. Zusätzlich führten im<br />
späten 20. Jahrhun<strong>der</strong>t Bürgerkriege<br />
und gewaltsame politische Konflikte zu<br />
erheblichen Flüchtlingsströmen. Aktuell<br />
werden Umwelt- und klimawandelbedingte<br />
Migrationsmotive vermehrt<br />
thematisiert.<br />
Jochen Oltmer skizziert souverän<br />
die Hintergründe, Formen und Konse-<br />
102 POLITISCHE STUDIEN // 448 448 // POLITISCHE STUDIEN 103