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AnAlysen<br />
sundheitsvorsorge für alte Menschen<br />
entscheiden würden. Hinzu kam die<br />
grundsätzliche Ablehnung <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
einer Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen<br />
aus Steuergel<strong>der</strong>n,<br />
die als Teil <strong>der</strong> Gesundheitsreform vorgesehen<br />
war. Obama musste sich dem<br />
politischen Druck <strong>der</strong> Abtreibungsgegner<br />
beugen und reagierte, um einem<br />
Scheitern des Reformvorhabens vorzubeugen,<br />
noch vor Verabschiedung des<br />
Gesetzes in Form eines präsidentiellen<br />
Erlasses („Executive Or<strong>der</strong> 13535“),<br />
welcher die Verwendung von Bundesmitteln<br />
für Abtreibungen untersagt. Die<br />
Christliche Rechte bedient sich in ihrer<br />
Kritik an Obama antikommunistischer<br />
Rhetorik, die seit <strong>der</strong> McCarthy-Ära<br />
fester Bestandteil des konservativ-rechten<br />
Sprachgebrauchs ist. So wurde die<br />
Gesetzgebung des US-Präsidenten abwechselnd<br />
als „Sozialismus“ o<strong>der</strong><br />
„Kommunismus“ verunglimpft, beides<br />
Konzepte, die bei vielen Amerikanern<br />
eine durchweg negative Konnotation<br />
haben.<br />
Barack Obamas Haltung zum Thema<br />
„Homosexualität“ hatte seit dessen<br />
Versprechen von vor <strong>der</strong> Wahl 2008, die<br />
„Don’t ask, don’t tell“-Regelung abzuschaffen,<br />
ebenfalls starke Kritik aufseiten<br />
<strong>der</strong> Christlichen Rechten hervorgerufen.<br />
Die besagte Regelung legte vom<br />
Zeitpunkt ihrer Einführung 1993 bis<br />
zum Jahr 2011 den Status von Homosexuellen<br />
in den US-Streitkräften fest. Homosexuellen<br />
Soldaten wurde auf diese<br />
Weise <strong>der</strong> Dienst beim US-Militär ermöglicht,<br />
allerdings verbunden mit <strong>der</strong><br />
Auflage, ihre sexuelle Orientierung vor<br />
ihren Kameraden und Vorgesetzten geheim<br />
zu halten. Im September 2011 trat<br />
dann schließlich <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Obama-<br />
Administration bereits im Dezember<br />
2010 offiziell auf den Weg gebrachte<br />
72 POLITISCHE STUDIEN // 448<br />
„Don’t Ask, Don’t Tell Repeal Act“ in<br />
Kraft, welcher eine Aufhebung <strong>der</strong> alten<br />
Regelung zugunsten <strong>der</strong> rechtlich verbindlichen<br />
Anerkennung homosexueller<br />
Soldaten vorsieht.<br />
Der vorläufige Höhepunkt <strong>der</strong> Konfrontation<br />
zwischen Barack Obama und<br />
<strong>der</strong> Christlichen Rechten wurde im<br />
Sommer des Jahres 2012 durch einen<br />
Fernsehauftritt des Präsidenten erreicht,<br />
in dem er sich erstmalig öffentlich zu<br />
seiner Überzeugung bekannte, dass<br />
gleichgeschlechtliche Partnerschaften<br />
vor dem Gesetz den gleichen Stellenwert<br />
wie heterosexuelle Partnerschaften haben<br />
sollten. Obama machte sich damit<br />
zum Fürsprecher von „same-sex marriage“<br />
und „marriage equality“, was sicherlich<br />
auch wahlstrategischen Überlegungen<br />
geschuldet sein dürfte. Für die<br />
konservativen Christen in den USA<br />
stand nun endgültig fest, dass <strong>der</strong> Präsident<br />
eine Politik verfolgt, die letztlich zu<br />
einer Aufhebung des „Defense of Marriage<br />
Act“ von 1996 führen wird. Die darin<br />
enthaltene Definition von Ehe bringt<br />
die Überzeugung eines Großteils <strong>der</strong><br />
Christlichen Rechten zum Ausdruck.<br />
Eine intensive politische Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
über das Reizthema „Homo-<br />
Ehe“ ist deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
für die zweite Amtszeit<br />
Obamas zu erwarten.<br />
Die größte Provokation für die<br />
Christliche Rechte ist Obamas Befürwortung<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Gleichstellung<br />
gleICHgeSCHleCHTlICHeR<br />
Partnerschaften.<br />
Die Qual <strong>der</strong> Wahl – welcher „GOP<br />
front-runner“ 17 ?<br />
Die Suche nach einem für das Gros <strong>der</strong><br />
Christlichen Rechten annehmbaren republikanischenPräsidentschaftskandidaten<br />
gestaltete sich im Zuge <strong>der</strong> US-<br />
Vorwahlen 2012 schwierig. Obwohl eigentlich<br />
in ihrer Ablehnung des Mormonen<br />
18 Mitt Romney vereint, spiegelte die<br />
Unfähigkeit <strong>der</strong> Christlichen Rechten,<br />
sich auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten<br />
zu verständigen, die Zersplitterung<br />
ihrer selbst in verschiedene<br />
evangelikale Denominationen wi<strong>der</strong>.<br />
Michele Bachmann, eine Tea-Party-Ikone,<br />
war zu Beginn des US-Vorwahlkampfes<br />
Mitte 2011 laut Umfragen die<br />
aussichtsreichste Kandidatin <strong>der</strong> Republikaner.<br />
Bachmann zählt zu den sogenannten<br />
Charismatikern 19 . Ihr anfänglich<br />
größter Wi<strong>der</strong>sacher war Rick Perry,<br />
ein evangelikaler Christ und ebenfalls<br />
ein Liebling <strong>der</strong> Tea Party. Die Kandidatur<br />
dieser beiden Republikaner zog<br />
bei <strong>der</strong> Wählerschaft <strong>der</strong> Christlichen<br />
Rechten eine Spaltung entlang religiöser<br />
Faltlinien nach sich, welche auch bei <strong>der</strong><br />
Tea Party beobachtbar war. Die mangelnde<br />
Geschlossenheit, sich hinter einem<br />
<strong>der</strong> Kandidaten zu versammeln,<br />
hatte zur Folge, dass Bachmann und<br />
Perry sehr frühzeitig ihre Kandidaturen<br />
aufgeben mussten. Erst nach einem geheimen<br />
Treffen <strong>der</strong> Wortführer <strong>der</strong><br />
Christlichen Rechten in Texas Anfang<br />
des Jahres 2012 gelang es, sich auf einen<br />
Wunschkandidaten zu verständigen:<br />
Rick Santorum, ehemaliger Senator des<br />
Bundesstaates Pennsylvania, machte am<br />
Ende das Rennen. Trotz einiger Überraschungssiege<br />
von Santorum in den Staaten<br />
im Mittleren Westen <strong>der</strong> USA trat<br />
auch er schließlich im Frühjahr 2012<br />
von seiner Kandidatur zurück. Mitt<br />
Romney hatte von allen republikani-<br />
schen Bewerbern den längsten Atem –<br />
und wohl auch das meiste Geld. Das erklärte<br />
Ziel <strong>der</strong> Abwahl Obamas veranlasste<br />
die christlich-rechte Basis <strong>der</strong> Republikanischen<br />
Partei – trotz gewisser<br />
Vorbehalte – zu einer geschlossenen Unterstützung<br />
des Kandidaten Romney,<br />
des früheren Gouverneurs des Bundesstaates<br />
Massachusetts. Aus christlichrechter<br />
Perspektive erschien 2011/12 je<strong>der</strong><br />
republikanische Kandidat allemal<br />
besser als <strong>der</strong> demokratische Amtsinhaber.<br />
Fazit: Durchwachsene Bilanz<br />
für die „Jesuskrieger“<br />
Die Phase <strong>der</strong> Neuorientierung ist für<br />
die Christliche Rechte noch nicht abgeschlossen.<br />
Der Streit um den richtigen<br />
Weg hat die „Christian Soldiers“ 20 in ihrer<br />
politischen Mission zeitweise nachhaltig<br />
geschwächt. Auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
neuen Bündnispartnern in <strong>der</strong> innenpolitischen<br />
Arena muss nun den konservativen<br />
Christen in den USA <strong>der</strong> Spagat<br />
gelingen, sich einerseits ein Stück weit<br />
zu öffnen, um wie<strong>der</strong> bündnisfähig zu<br />
sein, an<strong>der</strong>erseits ihre Kernanliegen in<br />
einer Zeit demographischen, gesellschaftlichen<br />
und auch politischen Wandels<br />
in Amerika zu bewahren. Ihr Verhältnis<br />
zu Präsident Obama gestaltet<br />
sich indes schwierig und kann als kritisch-distanziert<br />
eingestuft werden. Vor<br />
allem an Themen wie Homo-Ehe 21 und<br />
<strong>der</strong>en rechtlicher Anerkennung o<strong>der</strong> die<br />
kontroverse Gesundheitsreform wird<br />
das vorhandene Konfliktpotenzial zwischen<br />
Präsident und christlich-rechtem<br />
Lager deutlich. Was den Wahlausgang<br />
2012 anbelangt, so konnte die Christliche<br />
Rechte keinen wahlentscheidenden<br />
Einfluss wie einst 2004 ausüben. Die<br />
genauen Gründe hierfür gilt es noch zu<br />
analysieren. Ein interessanter Aspekt er-<br />
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