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Im Fokus<br />

für Arbeitsmigranten aus arabischen<br />

und osteuropäischen Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

auf den Weg zu bringen. „Stattdessen<br />

kämpft sie mit irregulärer Zuwan<strong>der</strong>ung,<br />

schafft keine neuen Einwan<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten,<br />

son<strong>der</strong>n verstärkt<br />

sogar die Kontrolle an den Außengrenzen.“<br />

2 Der folgende Beitrag soll einige<br />

aktuelle Hintergründe dieser Problemlage<br />

beleuchten.<br />

Wenn von Europa als Erfolgsmodell<br />

gesprochen wird, dann soll dabei nicht<br />

übersehen werden, dass das „europäische<br />

Friedensparadies“ (um die Bezeichnung<br />

des US-amerikanischen Publizisten<br />

Robert Kagan aus seinem Bestseller<br />

„Macht und Ohnmacht …“ aufzugreifen)<br />

nicht allein von Menschen des alten<br />

Europas errichtet worden ist, son<strong>der</strong>n<br />

auch mit tatkräftiger Unterstützung von<br />

Einwan<strong>der</strong>ern, die als benötigte „Gastarbeiter“<br />

kamen und nach einer Übergangszeit<br />

als freiwillige Neubürger ihre<br />

Rechte als Mitbürger einfor<strong>der</strong>n. So<br />

konnte in <strong>der</strong> politischen Klasse<br />

Deutschlands jüngst <strong>der</strong> politische<br />

Glaubenssatz entstehen „Auch <strong>der</strong> Is-<br />

am erfolg von europa haben auch<br />

die migranten miTgewiRkT.<br />

lam ist ein Teil Europas“, was 2009 <strong>der</strong><br />

damalige Innenminister Thomas de<br />

Maizière wie folgt präzisierte: „Der Islam<br />

ist uns als Religion in Deutschland<br />

willkommen. Skeptisch werden wir<br />

[nur] beim extremistischen Islamismus,<br />

<strong>der</strong> keinen Platz in unserer Gesellschaft<br />

hat“ 3 . Damit war eine kulturelle Grenzziehung<br />

markiert.<br />

Bekanntlich war die Bundesrepublik<br />

Deutschland (ebenso wenig wie an<strong>der</strong>e<br />

Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen Gemein-<br />

54 POLITISCHE STUDIEN // 448<br />

schaft) zunächst nicht gewillt, sich als<br />

Einwan<strong>der</strong>ungsland zu verstehen. Seit<br />

den 70er- und 1980er-Jahren hat sich<br />

diese Einstellung in <strong>der</strong> politischen<br />

Klasse wie auch in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

langsam gewandelt, bedingt unter an<strong>der</strong>em<br />

durch die Einsicht, dass Deutschland<br />

als stark überalterte Gesellschaft<br />

mit einer schrumpfenden Zahl von Einwohnern<br />

auf Grund niedriger Geburtenraten<br />

Auslän<strong>der</strong> nicht mehr nur als<br />

Gastarbeiter, son<strong>der</strong>n auch als dauerhafte<br />

Neubürger mit Migrationshintergrund<br />

angewiesen ist. Schon heute fehlen<br />

Tausende von Facharbeitern, Landärzten,<br />

Pflegern, Krankenschwestern,<br />

Ingenieuren und Verwaltungsangestellten.<br />

So hat Innenminister Hans-Peter<br />

Friedrich auf <strong>der</strong> Jahrestagung des<br />

Deutschen Beamtenbundes in Köln am<br />

7. Januar 2013 dazu aufgerufen, dass<br />

mehr Zuwan<strong>der</strong>er auch in den Verwaltungen<br />

eingestellt und vorhandene Potenziale<br />

heute und morgen besser genutzt<br />

werden sollen. 4<br />

Offensichtlich ist hierzulande ein<br />

Bewusstseinswandel eingetreten. Immer<br />

häufiger wird öffentlich die Ansicht<br />

vertreten, dass Immigranten, Asylbewerber<br />

und Immigrationswillige nicht<br />

mehr primär als Bedrohung unserer gesellschaftlichen<br />

Ordnung durch Auslän<strong>der</strong><br />

gesehen werden sollten, son<strong>der</strong>n vor<br />

allem als nützliche Ergänzung und Festigung<br />

unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,<br />

die sich dadurch auch<br />

in Richtung Multikulturalität verän<strong>der</strong>t.<br />

Immigranten könnten so tatsächlich,<br />

wie es <strong>der</strong> in Essen lehrende Kulturwissenschaftler<br />

Claus Leggewie gefor<strong>der</strong>t<br />

hat, zum Garanten von Europas<br />

Wohlfahrtsstaaten werden, die <strong>der</strong>en<br />

Zukunftsfähigkeit sichern helfen. 5<br />

Es gibt in <strong>der</strong> Literatur eine breite<br />

Debatte über die Frage, ob die positiven<br />

Effekte <strong>der</strong> Diaspora o<strong>der</strong> die negativen<br />

Wirkungen <strong>der</strong> Abwan<strong>der</strong>ung aus dem<br />

Heimatland überwiegen. Diese Diskussion<br />

kann irreführen, da beides gleichzeitig<br />

stattfindet. Dennoch kann und<br />

soll Politik Einfluss nehmen auf die sozialen<br />

und wirtschaftlichen Folgen aller<br />

Beteiligten, um mögliche win-win-Wirkungen<br />

zu erzielen. Bei aller berechtigten<br />

Freude über die Kompatibilität <strong>der</strong><br />

Interessen von Immigranten, die hier einen<br />

Arbeitsplatz und eine neue Lebensperspektive<br />

suchen einerseits, und von<br />

wohlhabenden, aber kin<strong>der</strong>armen Industriestaaten,<br />

die auf den Zuzug von<br />

Menschen jenseits <strong>der</strong> Grenzen immer<br />

mehr angewiesen sind an<strong>der</strong>erseits, sollte<br />

ein Problem nicht kleingeredet o<strong>der</strong><br />

verschwiegen werden, das man dem Mikro-Makro-Paradox<br />

zurechnen kann. Es<br />

besteht darin, dass bisher viele positive<br />

Einzelmaßnahmen realisiert wurden<br />

(Arbeitsvermittlung und Berufsqualifikation<br />

auf <strong>der</strong> Mikro-Ebene), ohne dass<br />

sich an dem strukturellen Hauptproblem<br />

(massive Not, Perspektivlosigkeit<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen und politische wie soziale<br />

Instabilität in den Herkunftslän<strong>der</strong>n<br />

auf <strong>der</strong> Makro-Ebene) etwas Entscheidendes<br />

geän<strong>der</strong>t hätte, vor allem<br />

wegen <strong>der</strong> Größendimension <strong>der</strong> zu bewältigenden<br />

Probleme und Aufgaben.<br />

Man kann in <strong>der</strong> Entwicklungs-, Außen-<br />

o<strong>der</strong> Kulturpolitik das ethisch<br />

Richtige und wirtschaftlich Vernünftige<br />

einzelerfolge im mikrobereich<br />

lösen nichT automatisch die<br />

Probleme auf <strong>der</strong> makroebene.<br />

tun, ohne doch die gewünschte Reformwirkung<br />

im Partnerland, nämlich Überwindung<br />

von Not sowie Stabilisierung<br />

verfassungskonformer Institutionen zu<br />

erreichen.<br />

Dazu ein aktuelles Beispiel: Die bundesdeutsche<br />

Gesellschaft für Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (GTZ, jetzt<br />

GIZ) hat in Äthiopien, einem armen Agrarland<br />

mit 85 Mio. Menschen, den Bau<br />

von zwölf neuen Universitäten mit unterstützt,<br />

um in dem Land „human capital“<br />

aufzubauen. Nach ihren Bachelor-<br />

Abschlüssen sind ca. 80 % <strong>der</strong> Studenten<br />

arbeitslos geblieben und viele träumen<br />

nun von einem Arbeitsleben in Europa.<br />

Vor Euphorie bezüglich <strong>der</strong> Allmacht<br />

unserer Politik sei somit gewarnt.<br />

Doch es bleibt die offene Frage: Gibt es<br />

einen Ausweg aus diesem Handlungsdilemma,<br />

das volkstümlich als „Tropfen<br />

auf den heißen Stein“ umschrieben<br />

wird?<br />

Anhalten<strong>der</strong> Migrationsdruck<br />

aus islamischen Staaten und den<br />

unruhigen Nachbarregionen im<br />

Süden und Osten<br />

Die politisch Verantwortlichen in<br />

Deutschland und <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

müssen damit rechnen, dass in naher<br />

und ferner Zukunft noch weit mehr<br />

Menschen aus den kriselnden Nachbarstaaten<br />

an die Pforten <strong>der</strong> EU klopfen<br />

werden als bislang. Und es sind sicherlich<br />

weit mehr, als in den Aufnahmelän<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> EU willkommen geheißen werden<br />

könnten, selbst wenn sich durch<br />

politische Kraftakte die Zahl <strong>der</strong> legal<br />

Eingewan<strong>der</strong>ten von ca. 100.000 jährlich<br />

auf 200.000 o<strong>der</strong> 300.000 erhöhen<br />

würde. Denn außereuropäische Regionen<br />

wie das von <strong>der</strong> „Arabellion“ heimgesuchte<br />

islamische Nordafrika, <strong>der</strong> politisch<br />

destabilisierte Nahe und Mittlere<br />

448 // POLITISCHE STUDIEN 55

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