Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
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Quelle: AFP/getty Images<br />
Die erste Direktwahl zum Präsidentschaftsamt – seit Januar 2013 ist Miloš Zeman<br />
<strong>der</strong> neue tschechische Staatspräsident.<br />
neuer Parteien die politische Landschaft<br />
in Tschechien nachhaltig verän<strong>der</strong>ten. 2<br />
In <strong>der</strong> Folge dieses „dritten Prager Fenstersturzes“<br />
erhielt auch die Debatte um<br />
die Direktwahl des Staatsoberhaupts<br />
neue Schubkraft. Am 14. November 2011<br />
stimmte in Prag das Abgeordnetenhaus<br />
und am 8. Februar 2012 <strong>der</strong> Senat einer<br />
Verfassungsän<strong>der</strong>ung in diesem Sinne zu.<br />
Amt und Politik<br />
Das erste konkrete Ergebnis <strong>der</strong> ersten<br />
Wahl nach neuem Modus stand schon<br />
nach dem ersten Wahlgang am 11. und<br />
12. Januar fest: Europa hatte gewonnen.<br />
Jenen Kandidaten und jene Kandidatin,<br />
die für eine ausgeprägte Europa-Skepsis<br />
standen, verwies <strong>der</strong> tschechische Wähler<br />
auf die abgeschlagenen letzten beiden<br />
Plätze bei <strong>der</strong> Stimmenauszählung. Verlierer<br />
waren am 12. Januar auch wie<strong>der</strong><br />
die großen Altparteien. In <strong>der</strong> Endrunde<br />
übrig geblieben waren die Kandidaten<br />
zweier junger Parteien: Miloš Zeman und<br />
Karel Schwarzenberg, die für die beiden<br />
von ihnen 2009 selbst mitbegründeten<br />
Parteien SPOZ (Partei <strong>der</strong> Bürgerrechte)<br />
und TOP 09 (TOP für: Tradition, Verantwortung,<br />
Wohlstand) angetreten waren.<br />
Nach dem zweiten Wahlgang waren zwei<br />
weitere prominente Verlierer zu beklagen:<br />
die politische Fairness und <strong>der</strong> objektive<br />
Journalismus. Für Polemik und<br />
Aufregung sorgten im Wahlkampf kleine,<br />
aber lautstarke Segmente in einer ansonsten<br />
ruhigen und besonnenen veröffentlichten<br />
Meinung in Tschechien. Karel<br />
Schwarzenberg wurde in mancher Darstellung<br />
verdächtigt, mit den Landsmannschaften<br />
<strong>der</strong> Sudetendeutschen zusammenzuarbeiten.<br />
Betont vorurteilsbeladen zeigten sich<br />
aber auch die deutschen Medien, die<br />
über die Wahlen aus Prag berichteten. So<br />
wurde die Wahrheit oft verdreht. Geisti-<br />
ge Schablonen spielten eine große Rolle,<br />
wenn so Die Zeit dem tschechischen<br />
Wähler „Provinzialismus“ vorwarf. Die<br />
Tagesschau sprach von dem Sieg des<br />
„Linkspopulisten“ Miloš Zeman. 3 Doch<br />
so einfach greifen diese Kategorisierungen<br />
nicht, bleibt schon allein <strong>der</strong> Begriff<br />
des Populismus in analytischer Hinsicht<br />
untauglich. Zeman zieht mit seiner<br />
hemdsärmeligen und provokativen Art,<br />
an Themen heranzugehen, Kritik an.<br />
Doch er setzte in seiner politischen Karriere<br />
bislang auf die soziale wie die nationale<br />
Karte in gleichem Maße, so dass die<br />
tschechische Presse schon nach dem ersten<br />
Wahlgang feststellte, dass die Wahl<br />
zwischen Karel Schwarzenberg und<br />
Miloš Zeman keine Entscheidung „zwischen<br />
links und rechts“ sei. 4<br />
Die eUrOSKePTiSCHeN Parteien<br />
fielen gleich beim ersten Wahldurchgang<br />
durch.<br />
Die zweite Runde des Wahlkampfs<br />
war geprägt von einer emotional überladenen<br />
Kontroverse um die Beneš-<br />
Dekrete. Es stimmte nicht, dass Zeman<br />
diese Debatte provoziert habe, wie die<br />
deutschen Medien es darstellten. Das<br />
Thema war vielmehr ein unerwartetes<br />
Wahlkampfgeschenk von Karel Schwarzenberg<br />
an Zeman. Schwarzenberg war<br />
es, <strong>der</strong> in einer Fernsehdebatte mit Zeman<br />
„unbedacht die Büchse <strong>der</strong> Pandora“<br />
geöffnet hatte. Viele Beobachter, wie auch<br />
Marcus Hundt, <strong>der</strong> Chefredakteur <strong>der</strong><br />
Prager Zeitung, haben sich die Frage gestellt,<br />
was den Spitzenkandidaten von<br />
TOP 09 wohl dazu bewogen hat, seinem<br />
Kontrahenten „unverhoffte Munition“<br />
gegen sich selbst zu liefern. 5 Im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Vertreibung <strong>der</strong> Sude-<br />
AnAlysen<br />
448 // PoLITISCHE STUDIEN 89