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ezensionen<br />

Stöver, Bernd: United States<br />

of America. Geschichte<br />

und Kultur. Von <strong>der</strong> ersten<br />

Kolonie bis zur Gegenwart.<br />

München: Verlag C.H. Beck<br />

2012, 763 Seiten, € 29,95.<br />

Ob es sich um die unzulängliche Sozialversorgung,<br />

das starke Misstrauen<br />

gegenüber dem Staat, die Waffengesetzgebung<br />

o<strong>der</strong> um die Fast Food-Kultur<br />

handelt – in vielerlei Hinsicht wirken<br />

die Vereinigten Staaten von Amerika<br />

gerade auf Europa befremdlich.<br />

Doch warum sind die Amerikaner so,<br />

wie sie sind? Woher kommen die vielen<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten in <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Geschichte?<br />

In seinem neuesten Werk „United<br />

States of America. Geschichte und Kultur.<br />

Von <strong>der</strong> ersten Kolonie bis zur Gegenwart“<br />

liefert Bernd Stöver einen umfassenden<br />

Überblick über die Stationen<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Geschichte. Als<br />

Professor für Neuere Geschichte mit<br />

dem Schwerpunkt Neueste Geschichte<br />

und Zeitgeschichte an <strong>der</strong> Universität<br />

Potsdam weiß er um die weltpolitische<br />

Bedeutung <strong>der</strong> USA. In <strong>der</strong> Darstellung<br />

zeichnet Stöver zunächst die Idee des<br />

amerikanischen Traums nach, bevor er<br />

auf die Entstehung <strong>der</strong> ersten Kolonie<br />

1585 über die Amerikanische Revolution<br />

und den Bürgerkrieg bis hin zum<br />

Aufstieg <strong>der</strong> USA zur Supermacht im 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t eingeht. Eine ausschließlich<br />

politisch-militärische Aufbereitung<br />

des Themas reicht jedoch nicht aus, um<br />

die Entwicklung <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Identität zu verstehen. So präsentiert<br />

Stöver keine bloße Aneinan<strong>der</strong>reihung<br />

von Fakten, son<strong>der</strong>n ergänzt die politische<br />

und militärische Geschichte <strong>der</strong><br />

USA um die Einflüsse aus Kunst, Literatur,<br />

Musik und Architektur. Auf diese<br />

Weise gelingt es ihm, dass auch <strong>der</strong> fachfremde<br />

Leser die amerikanischen Eigenheiten<br />

nachvollziehen kann.<br />

Die Anfänge des amerikanischen<br />

Selbstverständnisses erkennt <strong>der</strong> Autor<br />

bereits in <strong>der</strong> puritanischen Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> ersten Kolonien. Die Siedler wollten<br />

sich von <strong>der</strong> Herrschaft des britischen<br />

Königs befreien. In ihrem traditionell<br />

manichäischen Weltbild übernahm <strong>der</strong><br />

König die Rolle einer dunklen Macht,<br />

die die eigene freie Welt – und vor allem<br />

die eigene freie Entscheidung – bedrohte.<br />

Nur Unabhängigkeit und <strong>der</strong> Verlass<br />

auf die eigene Leistung konnten die<br />

Siedler demnach erlösen. So galten bereits<br />

die Puritaner als Revolutionsspezialisten<br />

und Mentoren von Freiheitsbewegungen.<br />

Der Begriff <strong>der</strong> „Versklavten<br />

Nation“ entwickelte sich daher nicht<br />

durch Zufall zu einem <strong>der</strong> zentralen Topoi<br />

politischer Identität in den USA, mit<br />

dem sich die Amerikaner nach ihrer<br />

Staatsgründung bis ins 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

als Schutzmacht jener Nationen verstanden,<br />

die nach Freiheit strebten.<br />

Die Freiheit als höchstes Gut wird in<br />

den Vereinigten Staaten somit auch als<br />

Freiheit von einem übermächtigen<br />

Staatsapparat verstanden. Die Verantwortung<br />

für das eigene Leben trägt je<strong>der</strong><br />

Bürger selbst. Denn schon die US-Verfassung<br />

postulierte als Grundsatz das<br />

aktive Streben nach Glück, nicht das<br />

Warten auf Erfolg. Leistungsfähigkeit<br />

wurde so zum Merkmal gesellschaftlichen<br />

Erfolgs erklärt. Dass diese Ideologie<br />

des Erfolgs die bestehenden sozialen<br />

Ungerechtigkeiten vollkommen außer<br />

Acht lässt, macht Stöver sehr deutlich.<br />

Dennoch lassen sich so auch beispielsweise<br />

die Wi<strong>der</strong>stände in <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Gesellschaft gegen eine staatliche<br />

Krankenversicherung erklären.<br />

Dieses Modell des Erfolgsmenschen<br />

besagt umgekehrt, dass je<strong>der</strong> Misserfolg<br />

auf persönliches Versagen zurückzuführen<br />

ist und dies auch den Ausschluss aus<br />

<strong>der</strong> erfolgsorientierten Gesellschaft bedeuten<br />

kann. Dass es gerade an amerikanischen<br />

Bildungseinrichtungen immer<br />

wie<strong>der</strong> zu Schulmassakern kommt,<br />

hat zwar viel mit dem vereinfachten Zugang<br />

zu Waffen zu tun. Der Autor erklärt<br />

aber, dass nicht zuletzt genau diese<br />

Erfolgsideologie ebenso zur Begehung<br />

solcher Verzweiflungstaten beiträgt. In<br />

diesem Zusammenhang erläutert Stöver,<br />

dass auch <strong>der</strong> amerikanische Umgang<br />

mit Waffen auf einer jahrhun<strong>der</strong>telangen<br />

Tradition basiert. So bestehen<br />

heute noch viele Amerikaner auf ihr von<br />

<strong>der</strong> Verfassung garantiertes Recht, Waffen<br />

tragen zu dürfen – gemäß des tradierten<br />

Modells <strong>der</strong> Eigenverantwortung<br />

und Freiheit. Die Begründung des<br />

Waffengebrauchs wirkt dabei oftmals<br />

rückständig. Das steht in einem enormen<br />

Gegensatz zum bekannten Fortschrittsoptimismus,<br />

<strong>der</strong> das Land sowohl<br />

wirtschaftlich als auch kulturell<br />

antreibt. Als Beispiel nennt <strong>der</strong> Autor<br />

den Bereich <strong>der</strong> Architektur. Die als typisch<br />

geltenden Hochhäuser weisen keinen<br />

ureigenen amerikanischen Stil auf;<br />

eher die technische Leistung und <strong>der</strong><br />

Wettbewerb um Höhe und Ausstattung<br />

bilden die Beson<strong>der</strong>heiten amerikanischer<br />

Architektur. Mit dem Wachsen<br />

<strong>der</strong> Industriegesellschaften ging außerdem<br />

ein verstärktes Bedürfnis nach<br />

möglichst einfacher, schneller und gesicherter<br />

Versorgung einher. Diesem Ge-<br />

danken ist beispielsweise auch <strong>der</strong> weltweite<br />

Siegeszug <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Fast-Food-Ketten geschuldet.<br />

Stöver ist es mit seinem neuen Buch<br />

gelungen, eine umfassende Darstellung<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Geschichte von den<br />

Anfängen bis zur Gegenwart mit <strong>der</strong><br />

spezifischen Entwicklung einer originär<br />

amerikanischen Identität zu verbinden.<br />

An weit mehr als den aufgeführten Beispielen<br />

verdeutlicht er, auf welchen jahrhun<strong>der</strong>telangen<br />

Traditionen das heutige<br />

Selbstverständnis <strong>der</strong> Amerikaner beruht.<br />

Er deckt dabei Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />

auf und behält stets seinen kritischen<br />

Blick auf das Land <strong>der</strong> unbegrenzten<br />

und doch begrenzten Möglichkeiten.<br />

Trotz eines Umfangs von mehr als<br />

670 Seiten hat es <strong>der</strong> Autor verstanden,<br />

ein gut verständliches und interessantes<br />

Grundlagenwerk zu schaffen, das zu<br />

keinem Zeitpunkt langatmig wirkt.<br />

SUSaNNE WaxENbErGEr<br />

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