Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Download der Publikation - Hanns-Seidel-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
AnAlysen<br />
Das bestimmende innenpolitische<br />
Thema im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf<br />
war die<br />
wIRTSCHAfTlICHe lage Amerikas.<br />
Rolle spielt, teilt die Mehrheit ihrer Anhänger<br />
das Ideal einer wirtschaftsliberalen<br />
Form <strong>der</strong> Marktwirtschaft für die<br />
USA. Diese Überzeugungen beruhen<br />
auf einer langen Tradition <strong>der</strong> Opposition<br />
zu sozialpolitischen Programmen,<br />
die als vermeintliche Vorformen des Sozialismus<br />
verstanden wurden. Ab den<br />
1950er-Jahren nahmen Gruppen <strong>der</strong><br />
Christlichen Rechten an den antikommunistischen<br />
Kreuzzügen <strong>der</strong> McCarthy-Ära<br />
teil und gründeten Organisationen<br />
wie Christian Crusade als Bollwerk<br />
gegen den Kommunismus. Dieses generelle<br />
Misstrauen gegenüber zu großem<br />
staatlichen Einfluss auf die Individualrechte<br />
<strong>der</strong> US-Bürger findet bis heute<br />
Wi<strong>der</strong>hall bei zahlreichen Christlich-<br />
Konservativen sowie bei <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />
Republikanischen Partei.<br />
Christliche Rechte und Tea Party,<br />
ein und dasselbe?<br />
Seit dem Amtsantritt von Barack Obama<br />
im Jahr 2009 vertritt eine neue Bewegung<br />
innerhalb <strong>der</strong> Republikanischen<br />
Partei die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Christlichen<br />
Rechten nach weniger Staat und<br />
bringt <strong>der</strong>en Angst vor dem Sozialismus<br />
zum Ausdruck: die Tea Party. Vergleicht<br />
man die Tea Party mit <strong>der</strong> Christlichen<br />
Rechten, so erscheint erstere Gruppierung<br />
fast wie letztere in neuem Gewand.<br />
Die Tea-Party-Basis ist wie die Christli-<br />
68 POLITISCHE STUDIEN // 448<br />
che Rechte überwiegend weiß, männlich<br />
und überdurchschnittlich religiös. 10<br />
Der politische Fokus <strong>der</strong> Tea Party liegt<br />
im Unterschied zur Christlichen Rechten<br />
auf <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik. Auffällig<br />
ist jedoch, dass prominente Tea-Party-<br />
Kandidaten, wie z. B. Richard Mourdock<br />
und Todd Akin, die 2012 beide für den<br />
US-Senat zur Wahl standen, sozialkonservative<br />
Werte vertreten, die mit denen<br />
<strong>der</strong> Christlichen Rechten übereinstimmen.<br />
Wahlthema „Außenpolitik“<br />
Uneingeschränkte Unterstützung<br />
Israels<br />
Über die letzten Jahre hinweg hat sich<br />
zwar die Position <strong>der</strong> Christlichen Rechten<br />
in Bezug auf den Nahostkonflikt<br />
insgesamt mo<strong>der</strong>at mit Blick auf die palästinensische<br />
Seite und etwaigen Zugeständnissen<br />
ihr gegenüber entwickelt,<br />
doch gibt es nach wie vor ausreichend<br />
proisraelische Lobbyorganisationen,<br />
u. a. American Israel Public Affairs<br />
Committee (AIPAC), und christliche<br />
Graswurzelbewegungen, wie z. B. Christians<br />
United for Israel (CUFI), die eine<br />
bedingungslose Unterstützung <strong>der</strong> israelischen<br />
Regierung for<strong>der</strong>n und eine militante<br />
US-Außenpolitik im Nahen und<br />
Mittleren Osten befürworten. Für diese<br />
kommt demzufolge eine Zwei-Staaten-<br />
Lösung nicht in Betracht, da eine solche<br />
– so die Argumentation – israelischen<br />
Interessen und Sicherheitsbedürfnissen<br />
zuwi<strong>der</strong>laufen würde. Seit dem kollektiven<br />
Trauma <strong>der</strong> amerikanischen Nation<br />
von „9/11“ ist in den USA vermehrt die<br />
Rede von <strong>der</strong> „jüdisch-christlichen<br />
Schicksalsgemeinschaft“, die ihren konkreten<br />
Ausdruck in <strong>der</strong> Suche nach gemeinsamer<br />
Sicherheit im sogenannten<br />
„War on Terror“ findet. 11 Mit an<strong>der</strong>en<br />
Worten: Das Wohlergehen Israels und<br />
<strong>der</strong> USA ist für viele evangelikale Christen<br />
unteilbar. Damit wird aus amerikanischer<br />
Perspektive das Schicksal Israels<br />
zu einer Frage nationaler Sicherheit <strong>der</strong><br />
USA erklärt. Der Zusammenhalt unter<br />
Freunden und Verbündeten in Zeiten<br />
gemeinsamer Bedrohung erscheint daher<br />
geboten. Insbeson<strong>der</strong>e Amerikas Politiker<br />
stehen dabei in <strong>der</strong> Pflicht, so die<br />
landläufige Meinung <strong>der</strong> Christlich-<br />
Konservativen in den USA. Zudem hat<br />
je<strong>der</strong> amerikanische Christ – laut Pastor<br />
und CUFI-Grün<strong>der</strong> John C. Hagee –<br />
den biblischen Auftrag, sich in Solidarität<br />
mit Israel zu üben. 12 Neben <strong>der</strong> politischen<br />
Komponente gibt es schließlich<br />
auch eine religiöse und moralische<br />
Komponente, woraus aus Sicht vieler<br />
konservativer Christen für die US-Regierung<br />
bezüglich ihrer Israelpolitik<br />
eine unumstößliche Pflicht und dauer-<br />
Für viele evangelikale Christen ist das<br />
Wohlergehen ISRAelS unteilbar mit dem<br />
<strong>der</strong> UsA verbunden.<br />
hafte Verantwortung erwächst. So wird<br />
vor diesem Erklärungshintergrund <strong>der</strong><br />
Kampf gegen den radikalen Islam im<br />
Allgemeinen und gegen die Hamas im<br />
Beson<strong>der</strong>en zu einer gemeinsamen Mission<br />
von Amerikanern und Juden über<br />
das US-Wahljahr 2012 hinaus.<br />
„Special Relationship“ als zu<br />
bewahrendes Gut<br />
Seit <strong>der</strong> Staatsgründung Israels im Jahr<br />
1948 ist ein beson<strong>der</strong>es Engagement <strong>der</strong><br />
USA im Hinblick auf den jüdischen<br />
Staat und sein Existenzrecht auszumachen.<br />
13 Seither leistet Amerika dem<br />
Staat Israel in den Bereichen Wirtschaft,<br />
Militär und Diplomatie nicht gerade un-<br />
erhebliche Hilfe und Unterstützung.<br />
Manche Stimmen behaupten, dass dies<br />
aus strategischem Interesse (Erdöl, Erdgas<br />
usw.) und moralischer Verpflichtung<br />
(u. a. wegen Geschichte und<br />
Schicksal <strong>der</strong> Juden) geschehe, an<strong>der</strong>e<br />
hingegen bezweifeln die Plausibilität<br />
dieses Begründungsansatzes, wie z. B.<br />
die US-Politologen John J. Mearsheimer<br />
und Stephen M. Walt, die vor allem die<br />
fast schon reflexartige amerikanische<br />
Unterstützung Israels in ihrem Buch<br />
„Die Israel-Lobby“ (2007) beklagen.<br />
Beide sehen ferner keine wirkliche Übereinstimmung<br />
zwischen israelischer Politik<br />
und den nationalen US-Interessen.<br />
Für die Christliche Rechte jedoch steht<br />
die „beson<strong>der</strong>e Beziehung“ Amerikas zu<br />
Israel nicht zur Disposition, und das<br />
trotz <strong>der</strong> zum Teil berechtigten Kritik an<br />
dieser dogmatischen Haltung. Das amerikanisch-israelische<br />
Son<strong>der</strong>verhältnis<br />
wird für evangelikale Christen wohl aller<br />
Voraussicht nach auch künftig unantastbar<br />
bleiben. Christlich-rechte Führungsfiguren<br />
wie Roberta Combs, Präsidentin<br />
von Christian Coalition of<br />
America, sehen keine Chance auf Überwindung<br />
<strong>der</strong> Differenzen zwischen <strong>der</strong><br />
jüdisch-christlichen und <strong>der</strong> islamischen<br />
Gemeinschaft o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Aussöhnung.<br />
14 Damit aber nicht genug: Der<br />
Islam wird von ihnen stigmatisiert und<br />
abgestempelt als das „Böse“, das bekämpft<br />
werden muss. Das vermeintliche<br />
Heil wird indes in <strong>der</strong> „Schicksalsgemeinschaft“<br />
mit Israel gesucht und gefunden<br />
– im Kampf gegen den gemeinsamen<br />
Feind: die „Terroristen“. Das bewusste<br />
Schüren antiislamischer Ressentiments<br />
war auch fester Bestandteil <strong>der</strong><br />
Rhetorik <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Christlichen<br />
Rechten im US-Wahljahr 2012. 15 Sie<br />
sprachen, um Ängste in <strong>der</strong> US-Bevölkerung<br />
zu wecken o<strong>der</strong> zu verstärken,<br />
448 // POLITISCHE STUDIEN 69