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ezensionen<br />

Mann, James:<br />

The Obamians: The Struggle<br />

Inside the White House to<br />

Redefine American Power.<br />

USA: Viking Penguin 2012,<br />

416 Seiten, € 24,30.<br />

Journalisten und Politikwissenschaftler<br />

sind noch uneins. Während ein Lager<br />

alles, was nach George W. Bush kam,<br />

als Fortschritt in <strong>der</strong> Internationalen Politik<br />

sieht, moniert ein an<strong>der</strong>es, Barack<br />

Obama habe seinen mitreißenden<br />

Wahlkampfreden nur dürre Taten folgen<br />

lassen. Als einer <strong>der</strong> ersten Experten<br />

unterzieht James Mann, ein ehemaliger<br />

Korrespondent <strong>der</strong> L.A. Times, in seinem<br />

Buch „The Obamians“ die US-Außenpolitik<br />

<strong>der</strong> ersten Amtszeit Obamas<br />

einer gründlichen Analyse. Über 100 Interviews<br />

mit hochrangigen Regierungsmitarbeitern<br />

in Washington und eine<br />

profunde Kenntnis <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Außenpolitik lassen das Buch aber nicht<br />

zu einem Insi<strong>der</strong>-Bericht à la Bob Woodward<br />

werden. Vielmehr rückt Mann,<br />

<strong>der</strong> 2004 mit „Rise of the Vulcans“ einen<br />

Bestseller über die Außenpolitik<br />

George W. Bushs gelandet hatte, die<br />

amerikanische Außenpolitik in einen<br />

größeren analytischen Kontext. Er eruiert<br />

die Ideen, die die Obama-Regierung<br />

leiteten, und fragt, inwieweit Obamas<br />

Außenpolitik zählbaren Wandel brachte.<br />

Die Darstellung gelingt ihm vortrefflich,<br />

er formuliert allgemeinverständlich<br />

und präzise, urteilt klug und unterlässt<br />

manichäische Wertungen.<br />

Allein: Das Konzept <strong>der</strong> „Obamians“<br />

wirkt an<strong>der</strong>s als bei den „Vulcans“<br />

gezwungen. Denn während sich Bush<br />

von außenpolitischen Schwergewichten<br />

mit gewachsenen Überzeugungen beraten<br />

ließ, holte sich Obama nüchterne<br />

Bürokraten, effiziente Wahlkampfmanager<br />

und junge Idealisten ins Weiße<br />

Haus – die „Obamians.“ Die verschwörerische<br />

Kabale eines Dick Cheney, Donald<br />

Rumsfeld o<strong>der</strong> Paul Wolfowitz<br />

fehlte Obamas jungem Redenschreiber,<br />

Ben Rhodes, seinem Nationalen Sicherheitsberater,<br />

dem Anwalt Thomas Donilon<br />

o<strong>der</strong> dessen Stellvertreter Denis Mc-<br />

Donough völlig. Ihnen gemeinsam war,<br />

dass sie sich für eine neue Generation<br />

amerikanischer Außenpolitiker hielten,<br />

<strong>der</strong>en prägende Erfahrungen nicht <strong>der</strong><br />

Vietnamkrieg, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> 11. September<br />

2001 und <strong>der</strong> Irakkrieg 2003 waren.<br />

Damit lagen sie auf Obamas geistiger<br />

Fluchtlinie, denn „[<strong>der</strong>] ultimative Obamian<br />

war … Obama selbst.“* Dass sich<br />

Obama nicht unmittelbar mit profilierten<br />

Außenpolitikern umgab, lag daran,<br />

dass er fein besaitet, schnell beleidigt,<br />

dünnhäutig im persönlichen Konflikt,<br />

aber auch arrogant und selbstverliebt<br />

war. Wagte jemand, ihm zu wi<strong>der</strong>sprechen,<br />

wie <strong>der</strong> Director of National Intelligence<br />

Dennis Blair, entließ ihn <strong>der</strong> Präsident<br />

kurzerhand. Nach drei Jahren im<br />

Weißen Haus hatte nur noch einer von<br />

acht hochrangigen Mitarbeitern denselben<br />

Job. Ohnehin entschied Obama<br />

vorzugsweise allein im Oval Office. So<br />

konzedierte ein enger Mitarbeiter Obamas:<br />

„Er lässt sich beraten und entscheidet<br />

nach <strong>der</strong> Besprechung, und dann<br />

hört man von seinen Entscheidungen.“<br />

Bei so viel personellem Wandel gegenüber<br />

seinem Vorgänger müsste Obamas<br />

Politik auch eine ganz an<strong>der</strong>e gewesen<br />

sein, könnte man meinen. Mann<br />

relativiert diese Annahme, denn Obamas<br />

Außenpolitik war von mehr Kontinuität<br />

geprägt, als manchem Bush-Kritiker<br />

lieb ist. Oft wird übersehen, dass<br />

sich die Außenpolitik Bushs in dessen<br />

zweiter Amtszeit von unilateralen Alleingängen<br />

zu mehr Diplomatie gewandelt<br />

hatte. Als Garanten <strong>der</strong> Kontinuität<br />

besetzte Obama das Außenministerium<br />

sowie das Pentagon mit durchsetzungsstarken,<br />

in bürokratischen Grabenkämpfen<br />

geübten Persönlichkeiten<br />

des Establishments wie Hillary Clinton,<br />

Robert Gates und Leon Panetta.<br />

So konnte die Regierung den Mangel<br />

an außenpolitischer Erfahrung <strong>der</strong><br />

Obamians kompensieren.<br />

In seinem ersten Amtsjahr wollte<br />

Obama vor allem Distanz in Stil und<br />

Rhetorik gegenüber Bush schaffen und<br />

die Verwerfungen in <strong>der</strong> Internationalen<br />

Politik, die Bushs harscher Ton gezeitigt<br />

hatte, beruhigen. Auf Bushs idealistischen<br />

Impuls reagierte er mit Realismus<br />

in <strong>der</strong> Tradition des 41. Präsidenten<br />

George H.W. Bush und dessen<br />

Nationalen Sicherheitsberaters Brent<br />

Scowcroft. Er redete dem „Nationbuilding<br />

zuhause“ das Wort und warnte<br />

vor einer Überschätzung amerikanischer<br />

Macht. Zugleich versuchte Obama<br />

die Verbreitung von Atomwaffen<br />

auf dem Verhandlungsweg zu bremsen.<br />

Doch er musste akzeptieren, dass Iran<br />

und Nordkorea einen Dialog, <strong>der</strong> den<br />

Verzicht auf Kernwaffen zum Ziel hatte,<br />

ablehnten.<br />

Eine von Obamas ersten Verfügungen<br />

war die Schließung Guantanamos,<br />

die aber am Wi<strong>der</strong>stand des Kongresses,<br />

an den Gerichten und <strong>der</strong> Apathie<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Bevölkerung scheiterte.<br />

Echten Wandel gab es hingegen<br />

bei den Verhörtechniken <strong>der</strong> CIA, die<br />

mil<strong>der</strong>en Vorgaben angepasst wurden.<br />

Obama beendete den Krieg im Irak<br />

und löste damit eines seiner zentralen<br />

Wahlversprechen ein, profitierte dabei<br />

aber von Bushs Abkommen mit dem<br />

Irak aus dem Jahr 2008, alle Truppen<br />

bis Ende 2011 abzuziehen. In Afghanistan<br />

adaptierten die Streitkräfte unter<br />

<strong>der</strong> Führung des Generals David<br />

Petraeus die im Irak erfolgreiche Strategie<br />

<strong>der</strong> „Counterinsurgency.“ Die Tötung<br />

Osama bin Ladens im Mai 2011<br />

beschleunigte die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Strategie<br />

zu „Counterterrorism,“ zu Truppenreduzierungen<br />

und zu einem Abzugsplan<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Streitkräfte<br />

bis 2014. Zugleich weitete Obama<br />

gezielte Tötungen und den Drohnenkrieg<br />

gegen die Kaida zahlenmäßig<br />

und geographisch aus. Obama in die<br />

Reihe pazifistischer Demokraten wie<br />

George McGovern einzuordnen wäre<br />

daher töricht. Wenn nötig, griff er ohne<br />

zu zögern zu militärischer Gewalt.<br />

Ende des Jahres 2010 erkennt Mann<br />

einen Wandel <strong>der</strong> Außenpolitik zu<br />

mehr Idealismus. Obama sprach bei<br />

seiner Rede vor <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

<strong>der</strong> Vereinten Nationen vom Nutzen<br />

amerikanischer Macht, von Freiheit,<br />

von universellen amerikanischen<br />

Werten und freien Märkten. Doch <strong>der</strong><br />

Arabische Frühling 2011 entlarvte Obamas<br />

Rhetorik als Indifferenz. Obama gab<br />

das Bild eines von den Ereignissen Getriebenen<br />

ab. Während er in Ägypten<br />

Hosni Mubaraks Rücktritt for<strong>der</strong>te<br />

und in Jordanien König Abdullah zu<br />

Reformen drängte, goutierte er die Nie<strong>der</strong>schlagung<br />

<strong>der</strong> Proteste in Bahrein,<br />

dem Stützpunkt <strong>der</strong> fünften amerikanischen<br />

Flotte, und in Saudi Arabien.<br />

Gegenüber Syrien vermied er es, das internationale<br />

Gewicht <strong>der</strong> USA in die<br />

Waagschale zu werfen. Zu einem Vorgehen<br />

gegen den libyschen Diktator<br />

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