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Schmerztherapie 2 / 2010 - Schmerz Therapie Deutsche ...

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Frage war. Amüsant an der „42“ von Deep<br />

Thought ist nicht nur die falsche Tiefgründigkeit<br />

der Antwort, amüsant ist vielmehr auch<br />

die absurde Vorstellung, dass nur die Antwort<br />

und nicht der ihr zugrunde liegende Entscheidungsprozess<br />

für die Bewohner der von<br />

Adams beschriebenen Galaxis eine Rolle<br />

spielen könnte – analog zu der Tatsache, dass<br />

die Ergebnisse medizinischer Metaanalysen<br />

von Ärzten in aller Regel willfährig hingenommen<br />

werden, ohne auch nur jemals kritisch<br />

hinterfragt zu werden.<br />

Fluch oder Segen?<br />

Metaanalysen haben zum Ziel, die empirischen<br />

Befunde mehrerer voneinander unabhängiger<br />

Untersuchungen zu einer bestimmten<br />

Problemstellung zu untersuchen, um Wissenschaftler<br />

bei der Informationsintegration<br />

und Praktiker bei der Entscheidungsfindung<br />

zu unterstützen. Dementsprechend sind Metaanalysen<br />

und die auf metaanalytischen Verfahren<br />

beruhenden S3-Leitlinien – so sie korrekt<br />

erstellt, interpretiert und genutzt werden –<br />

durchaus sinnvolle und für die praktische Arbeit<br />

am Patienten hilfreiche Instrumente. Zur<br />

Qual permutieren sie erst bei fehlerhafter Erstellung<br />

(weshalb auch jede noch so hochrangig<br />

publizierte Metaanalyse kritisch gelesen<br />

werden muss), durch missbräuchliche Anwendung<br />

als pseudowissenschaftliches Instrument<br />

zur Rationalisierung ökonomisch notwendig<br />

gewordener Kostensenkungsmaßnahmen<br />

(das gegenwärtig bevorzugte Anwendungsgebiet<br />

für Metaanalysen) oder aufgrund<br />

ihrer Menge. Denn mittlerweile entwickelt sich<br />

die Zahl der weltweit publizierten Metaanalysen<br />

analog zu den Primärdaten exponentiell.<br />

Dies hat zur Folge, dass es – wie bei den Nationalen<br />

Versorgungsleitlinien in Deutschland<br />

bereits beispielhaft realisiert – erste Meta-Metaanalysen<br />

von Metaanalysen gibt.<br />

Mit der Typhusimpfung ging es los!<br />

Um Chancen wie Risiken von Metaanalysen zu<br />

verstehen, ist es sinnvoll, sich noch einmal mit<br />

ihrer Entstehungsgeschichte auseinanderzusetzen.<br />

Eine Metaanalyse ist zunächst einmal<br />

nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine<br />

Zusammenfassung der Ergebnisse von Primäruntersuchungen<br />

zu sog. Metadaten unter<br />

Verwendung quantitativer, statistischer Verfahren.<br />

Der Begriff Metaanalyse wurde erstmalig<br />

1976 eingeführt. Die zugehörigen methodischen<br />

Verfahren wurden aber bereits 1904<br />

von dem britischen Mathematiker Karl Pearson<br />

erstmalig angewandt, um die Teststärke (Power)<br />

von Untersuchungen mit wenigen Probanden<br />

durch Zusammenfassen zu erhöhen (womit<br />

– ganz nebenbei – das zweite sinnvolle<br />

SCHMERZTHERAPIE 2/<strong>2010</strong> (26. Jg.)<br />

Anwendungsgebiet metaanalytischer Verfahren<br />

beschrieben wurde) und letztlich zweifelsfrei<br />

zu klären, ob die damals in Großbritannien<br />

neu eingeführte Impfung gegen Typhus nun<br />

hilft oder nicht.<br />

Eminenz- vs. evidenzbasierte Medizin<br />

Der schnelle Zuwachs wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

in der Medizin macht es selbst für<br />

die engagiertesten Ärzte unmöglich, ihr gesamtes<br />

Fachgebiet anhand von Originalliteratur<br />

zu überblicken. Eine umfassende und ausgewogene<br />

Zusammenfassung medizinischen Wissens<br />

ist daher eine wesentliche Voraussetzung,<br />

um den aktuellen medizinischen Kenntnisstand<br />

für Patienten nutzbar zu machen. In der Vergangenheit<br />

wurde die Zusammenfassung des medizinischen<br />

Kenntnisstandes vom klassischen<br />

narrativen Review übernommen.<br />

Ein solches Review wurde in der Regel von anerkannten<br />

klinischen Autoritäten geschrieben,<br />

die in ihre Übersichtsartikel nicht selten nur diejenigen<br />

Erkenntnisse und Studien selektiv einfließen<br />

ließen, die ihrer eigenen subjektiven<br />

Sichtweise entsprachen, in aller Regel – wenn<br />

überhaupt – unzulässige statistische Verfahren<br />

zur quantitativen Integration der zitierten Studienergebnisse<br />

anwendeten und deren Schlussfolgerungen<br />

für den Leser häufig nicht oder nur<br />

mit Mühe nachvollziehbar waren. Konsekutiv<br />

entwickelten sich – in Abhängigkeit von den<br />

verschiedenen subjektiven Bewertungen wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse im klassischen<br />

Review – divergente klinische Schulen mit zum<br />

Teil unterschiedlichen Behandlungskonzepten<br />

für ein und dasselbe Krankheitsbild (sog. eminenzbasierte<br />

Medizin).<br />

Im Rahmen der Bemühungen, den klassischen<br />

narrativen Review durch objektivere<br />

und für den Leser quantitativ nachvollziehbarere<br />

Methoden zu ersetzen, kommt Metaanalysen<br />

eine zentrale Rolle zu. Diese haben<br />

zum Ziel, die Ergebnisse unabhängiger Studien<br />

zum gleichen Thema quantitativ zu integrieren.<br />

Im Gegensatz zum klassischen Review sollten<br />

Biometrie<br />

sie sämtliche Studien berücksichtigen, die klar<br />

definierte Einschlusskriterien erfüllen und nicht<br />

nur die, die der Intention des Autors entsprechen<br />

– womit die Grundlagen der evidenzbasierten<br />

Medizin gelegt wurden (Tab. 1).<br />

Das Prinzip der Metaanalyse<br />

Die Durchführung einer Metaanalyse lässt sich<br />

vereinfacht auch mit anderen bekannten Untersuchungsformen<br />

der empirischen Forschung<br />

vergleichen wie beispielsweise mit der Befragung<br />

von Personen. Bei der Metaanalyse stellen<br />

jedoch eine Studie bzw. die Untersuchungsergebnisse<br />

dieser Studie die Untersuchungsobjekte<br />

dar. Diese werden durch instruierte<br />

Codierungsspezialisten hinsichtlich relevanter<br />

Eigenschaften „interviewt“ und die ermittelten<br />

Ergebnisse dann anhand definierter biometrischer<br />

Methoden analysiert. Eine metaanalytische<br />

Untersuchung operiert also nach<br />

ähnlichen Prinzipien wie die Primäruntersuchungen,<br />

auf deren Untersuchungsergebnissen<br />

sie aufbaut. Aus diesem Grund sind auch<br />

die Vorgehensweise und der Ablauf einer Metaanalyse<br />

mit der Vorgehensweise von Einzeluntersuchungen<br />

vergleichbar: Auch hier wird ein<br />

Problem formuliert, werden Daten gesammelt,<br />

codiert, bewertet, analysiert und schließlich<br />

präsentiert und interpretiert.<br />

Komplexe Prozeduren ersparen nicht<br />

kritisches Lesen!<br />

Das <strong>Deutsche</strong> Cochrane Zentrum definiert Metaanalysen<br />

als statistische Verfahren mit dem<br />

Ziel, die Ergebnisse mehrerer Studien zu einer<br />

identischen Fragestellung zu einem Gesamtergebnis<br />

zusammenzufassen, um auf diese Weise<br />

die Aussagekraft (Power) bzw. die Genauigkeit<br />

der Effekteinschätzung im Vergleich zu den<br />

Einzelstudien maximal zu erhöhen. Dementsprechend<br />

wird Metaanalysen – insbesondere<br />

wenn es um die Erforschung und Bewertung<br />

medizinischer <strong>Therapie</strong>verfahren geht – eine<br />

sehr hohe Aussagekraft unterstellt. Dabei wird<br />

jedoch außer Acht gelassen, dass sie sich –<br />

Tab. 1: Unterschiede zwischen dem klassischen narrativen Review und der<br />

Metaanalyse hinsichtlich der Zusammenfassung medizinischen Wissens<br />

Klassischer narrativer Review Metaanalyse<br />

I.d.R. geschrieben von klinischen Autoritäten Kann auch von „Nichtklinikern“ geschrieben werden<br />

Selektiver Einschluss von Studien, die den Klare Definition der Einschlusskriterien, (mehr oder<br />

Autor (und seine Aussagen) unterstützen weniger) objektiver Einschluss<br />

Oft unklar, wie Schlussfolgerungen aus den Ableitung der Schlussfolgerungen aus den Daten ist<br />

Daten abgeleitet werden formal nachvollziehbar<br />

Keine oder inkorrekte Methoden der Reproduzierbare, statistisch nachvollziehbare<br />

Datenintegration Datenintegration<br />

Fördert „Schulen“ mit divergenter Zielt auf eine einheitliche, „evidenzbasierte“<br />

Behandlungspraxis Behandlungspraxis<br />

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