Schmerztherapie 2 / 2010 - Schmerz Therapie Deutsche ...
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Zertifizierte Fortbildung<br />
Zerebrum<br />
Rückenmark<br />
Haut<br />
Metamizol<br />
Opioidanalgetika<br />
GABA<br />
Baclofen<br />
Amitriptylin<br />
Capsaicin<br />
LA<br />
ASS<br />
Mod. nach Baron Abb. 2: <strong>Therapie</strong>ansätze bei neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
klärung des Patienten über die Genese und<br />
den Verlauf seiner Erkrankung. Die gemeinsamen<br />
<strong>Therapie</strong>ziele müssen realistisch sein<br />
und können z.B. in der <strong>Schmerz</strong>linderung, dem<br />
Erhalten oder Wiederherstellen der Arbeitsfähigkeit<br />
oder im Beheben von Schlafstörungen<br />
bestehen.<br />
Pharmakotherapie<br />
Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva<br />
wie das Amitriptylin bewirken eine Hemmung<br />
der präsynaptischen Noradrenalin-Wiederaufnahme,<br />
blockieren gleichzeitig spannungsabhängige<br />
Natriumkanäle und sind sympathikolytisch,<br />
antidepressiv und anxiolytisch. Wichtige<br />
Nebenwirkungen sind Antriebshemmung, Müdigkeit,<br />
Schwindel und Gewichtszunahme.<br />
Kontraindikationen sind Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen<br />
und Prostatahypertrophie.<br />
Bei ähnlichem Nebenwirkungsspektrum wirken<br />
tri- oder tetrazyklische Antidepressiva (z.B.<br />
Desipramin) nur über die Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung<br />
und die Verstärkung der<br />
zentralen deszendierenden Hemmung.<br />
Carbamazepin, Gabapentin<br />
NMDA-Antagonisten<br />
Opioidanalgetika<br />
Nicht-Opiod-Analgetika<br />
Das untere Oval stellt das Rückenmark dar, die oberen Ovale symbolisieren den Hirnstamm<br />
und das Großhirn. Zentrale Projektionen unmyelinisierter C-Afferenzen enden im Hinterhorn<br />
und werden hier auf sekundäre nozizeptive Neurone umgeschaltet. A-Berührungsafferenzen<br />
projizieren beim Menschen ohne Umschaltung in die Hinterstränge (nicht eingezeichnet)<br />
und enden ebenfalls an afferenten Hinterhornneuronen. Sekundäre Hinterhornneurone<br />
projizieren zum Hirnstamm, Thalamus und Cortex. Deszendiere hemmende Bahnsysteme mit<br />
den Überträgersubstanzen Serotonin (5-HT) und Noradrenalin (NA) projizieren zum Rückenmark.<br />
Hemmende GABAerge (GABA) Interneurone wirken ebenfalls auf die nozizeptiven Hinterhornneurone.<br />
Die theoretischen Ansatzpunkte der verschiedenen Pharmaka sind durch<br />
Pfeile gekennzeichnet. ASS: Azetylsalizylsäure; LA: Lokalanästhetika.<br />
C<br />
A<br />
Selektive Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren<br />
wie Duloxetin verstärken die<br />
zentrale deszendierende Hemmung. Sie führen<br />
eher zu einer Appetitabnahme, gelegentlich zu<br />
Übelkeit und Schwindel. Sie dürfen nicht gleichzeitig<br />
mit MAO-Hemmern eingesetzt werden<br />
und können Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien<br />
und Antipsychotika haben.<br />
Antikonvulsiva: Carbamazepin, Oxcarbazepin,<br />
Lamotrigin sind Antikonvulsiva, die über<br />
die Blockade von spannungsgeladenen Natriumkanälen<br />
auf sensibilisierten nozizeptiven<br />
Neuronen wirken. Die ektope Erregungsausbreitung<br />
im peripheren und zentralen Nervensystem<br />
wird reduziert. Lamotrigin hemmt zusätzlich<br />
NMDA-Rezeptoren.<br />
Gabapentin und Pregabalin wirken über<br />
Kalziumkanäle durch Ligandenbildung an<br />
spannungsabhängigen neuronalen Kalziumkanälen<br />
und reduzieren so den Kalziumeinstrom<br />
im peripheren und zentralen Nervensystem.<br />
Zentrale Nebenwirkungen in der<br />
Titrationsphase wie Schwindel, Müdigkeit, Ataxie<br />
etc. können auftreten. Unter Gabapentin<br />
kann es zu Beinödemen und einer Erhöhung<br />
der Pankreasenzyme kommen, weshalb eine<br />
Pankreatitis eine Kontraindikation für dieses<br />
Medikament darstellt. Die Bioverfügbarkeit<br />
wird durch magnesium- oder aluminiumhaltige<br />
Antazida beim Gabapentin reduziert. Beide<br />
Medikamente können bei Niereninsuffizienz<br />
kumulieren.<br />
Opioide: Tramadol ist ein -Rezeptoragonist,<br />
aber auch ein Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer,<br />
was bei neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
einen Vorteil darstellt. Die dosisabhängigen<br />
Nebenwirkungen sind die der Gruppe der<br />
Opiate. Im Vergleich zu diesem niedrigpotenten<br />
Opiat ist Oxycodon ein hochpotenter -Rezeptoragonist<br />
der zusätzlich entzündungshemmend<br />
am Kappa-Rezeptor wirkt.<br />
Weitere Medikamente: Cannabinoide, Myotonolytika<br />
haben ebenfalls eine Wirkung bei neuropathischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en. Topisch wirken Capsacain<br />
als Agonist am Vanilloid-Rezeptor mit<br />
reversiblem Funktionsverlust und Degeneration<br />
nozizeptiver Neurone sowie Lidocain über<br />
die Blockade von Natriumkanälen afferenter<br />
Neurone.<br />
Nicht empfohlen werden Nicht-Opioid-<br />
Analgetika, selektive Serotonin-Reuptake-<br />
Hemmer, Oxcarbazepin, Phenytoin, Topiramat<br />
und Alpha-Liponsäure.<br />
Nicht medikamentöse <strong>Therapie</strong><br />
Der Patient mit neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en ist<br />
ein <strong>Schmerz</strong>patient. Die Pharmakotherapie<br />
kann nur ein Baustein des <strong>Therapie</strong>gebäudes<br />
sein. Weitere Behandlungsoptionen sind<br />
■ physikalische <strong>Therapie</strong> und Ergotherapie, um<br />
Belastung und Koordination zu erhalten oder<br />
zu steigern,<br />
■ Psychotherapie mit Einsatz von Coping-Stra-<br />
20 SCHMERZTHERAPIE 2/<strong>2010</strong> (26. Jg.)<br />
tegien,<br />
■ transkutane Nervenstimulation (TENS) als<br />
ein vom Patienten selbst zu steuerndes Verfahren,<br />
bei dem die <strong>Schmerz</strong>hemmung durch<br />
die Stimulation von A-Fasern erfolgt,<br />
■ Spinal-Cord-Stimulation (SCS) durch die<br />
Stimulation von zentral deszendierenden<br />
Fasern im Bereich der Hinterstränge des<br />
Rückenmarks (ebenfalls durch den Patienten<br />
selbst steuerbar) und<br />
■ neurodestruktive Verfahren als Ultima Ratio.<br />
Multimodale <strong>Therapie</strong><br />
Wirken medikamentöse Monotherapien nicht,<br />
ist eine Kombination von Opioiden mit Antikonvulsiva<br />
und Antidepressiva sinnvoll. Eine topische<br />
Anwendung entweder von Lidocain<br />
oder Capsacain, beides auch als transdermales<br />
Pflaster, ist eine mögliche Ergänzung.<br />
TENS, interventionelle Verfahren, Psychotherapie<br />
und Physiotherapie sind weitere Thera-