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Schmerztherapie 2 / 2010 - Schmerz Therapie Deutsche ...

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nale <strong>Schmerz</strong>en nach einer Nervenläsion in einer<br />

sonst gefühllosen Körperregion bezeichnet<br />

man als Anaesthesia dolorosa, spontan auftretende<br />

oder provozierte unangenehme und<br />

abnorme Empfindungen als Dysästhesie. Eine<br />

allgemein herabgesetzte Empfindungsstärke<br />

ist eine Hypästhesie, eine verstärkte Empfindung<br />

auf schmerzhafte und nicht schmerzhafte<br />

Reize eine Hyperästhesie. Hypalgesie ist eine<br />

allgemein herabgesetzte, Hyperalgesie eine<br />

verstärkte <strong>Schmerz</strong>empfindung. Hyperpathie<br />

ist eine verstärkte Reaktion auf einen schmerzhaften<br />

oder nicht schmerzhaften Reiz besonders<br />

als Antwort auf wiederholte Reize, und<br />

Parästhesie bezeichnet eine abnorme Gefühlssensation<br />

ohne unangenehmen Charakter.<br />

Zusätzlich zu den sensorischen Veränderungen<br />

können Veränderungen im autonomen<br />

Nervensystem zu Durchblutungsstörungen<br />

und trophischen Störungen führen. Die Motorik<br />

kann ebenfalls beeinträchtigt sein.<br />

Genese<br />

Werden nozizeptive Neurone geschädigt, erhöht<br />

dies die Spontanaktivität. Die Schwelle für<br />

die Reizweiterleitung sinkt bei gleichzeitig gesteigerter<br />

Reizantwort. Natrium- und Kalziumkanäle,<br />

aber auch Capsacainrezeptoren sind<br />

an diesem Prozess beteiligt. Wird das sympathische<br />

Nervensystem durch Neubildung noradrenerger<br />

Rezeptoren einbezogen, wird die<br />

zentrale Sensibilisierung und somit die Chronifizierung<br />

verstärkt. Zentrale Neurone reagieren<br />

auf eine anhaltende Aktivität nozizeptiver Neurone<br />

im Sinne eines Wind-up mit einer verstärkten<br />

Reizantwort bei oft gleichzeitiger Abnahme<br />

der <strong>Schmerz</strong>hemmung.<br />

Allen Störungen gemeinsam ist zwar die<br />

Schädigung nervaler Strukturen, hinter denen<br />

sich allerdings die unterschiedlichsten pathophysiologischen<br />

Veränderungen auf neuronaler und<br />

molekulärer Basis verbergen (Tab. 1, Abb. 1).<br />

Diagnose<br />

Anamnese und Untersuchung weisen den Weg.<br />

Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>fragebogen sowie die<br />

<strong>Schmerz</strong>tagebücher sind wichtige Dokumentationsmittel.<br />

Hinweise liefern auch bestehende<br />

Erkrankungen, die mit einer Neuropathie einhergehen<br />

können. Auch <strong>Schmerz</strong>qualität, <strong>Schmerz</strong>dauer<br />

und Lokalisation geben Anhaltspunkte.<br />

Wichtige Merkmale sind typische sensorische<br />

und motorische Störungen sowie solche des<br />

autonomen Nervensystems. Die Untersuchung<br />

sollte das Bestreichen mit Pinsel oder Watteträgern,<br />

den Fingerdruck, die Berührung mit Pin-<br />

Prick oder einer Akupunkturnadel, die Berührung<br />

mit kalten sowie mit warmen Gegenständen<br />

beinhalten. Diagnostische Sympathikusblockaden<br />

zeigen den Anteil der sympathischen<br />

SCHMERZTHERAPIE 2/<strong>2010</strong> (26. Jg.)<br />

Aktivität an der gesamten <strong>Schmerz</strong>erkrankung.<br />

Laboruntersuchungen (z.B. Blutzuckerwerte,<br />

Borrelientiter, Entzündungsparameter etc.) und<br />

elektrophysiologische Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit,<br />

Elektromyogramm, somatosensorisch<br />

evozierte Potenziale) können<br />

weitere Diagnostikbestandteile sein, wie auch<br />

bildgebende Verfahren oder weitergehende Untersuchungsmethoden.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Liegt eine Grunderkrankung vor, ist diese zu<br />

behandeln. Bei einem Diabetes mellitus sollte<br />

A<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

eine stabile Stoffwechselsituation angestrebt<br />

werden. Engpässe sollten, wenn möglich, beseitigt<br />

werden. Die <strong>Schmerz</strong>symptomatik führt<br />

zur Auswahl des für die individuelle Situation<br />

am ehesten wirksamen Medikamentes (Abb. 2).<br />

Retardpräparate sind für das ideale Verhältnis<br />

von Wirkung und Nebenwirkung günstiger. Die<br />

Wirksamkeit lässt sich erst nach zwei bis vier<br />

Wochen beurteilen. Darüber ist der Patient zu<br />

informieren. Ist die Wirkung einer Monotherapie<br />

nicht ausreichend, können Kombinationstherapien<br />

mit niedrigen Tagesdosen sinnvoll<br />

werden. Wichtig ist die Einbeziehung und Auf-<br />

B C<br />

D<br />

<strong>Schmerz</strong> <strong>Schmerz</strong> <strong>Schmerz</strong><br />

C A C A/Aδ C A<br />

C<br />

Mod. nach Baron Abb. 1: Entstehungsmechanismen neuropathischer <strong>Schmerz</strong>en<br />

Das Oval stellt das Rückenmark dar.<br />

A: Normale Verhältnisse. Zentrale Projektionen unmyelinisierter C-Afferenzen enden im<br />

Hinterhorn und werden hier auf sekundäre nozizeptive Neurone umgeschaltet. A-Berührungsafferenzen<br />

projizieren beim Menschen ohne Umschaltung in die Hinterstränge (nicht<br />

eingezeichnet) und enden ebenfalls an afferenten Hinterhornneuronen.<br />

B: Periphere Sensibilisierung und zentrale Sensibilisierung. Partiell geschädigte primär afferente<br />

C-Nozizeptoren können ektope Nervenimpulse generieren oder chronisch sensibilisiert<br />

werden (Stern an der C-Faser). Diese pathologische Ruheaktivität in afferenten C-Nozizeptoren<br />

führt zu einer zentralen Sensibilisierung der sekundären afferenten Hinterhornneurone<br />

(Stern, zentral) und so zu einer Umwandlung der funktionell wirksamen synaptischen Strukturen<br />

im Hinterhorn. Dadurch können Impulse aus niederschwelligen A- und Aδ-Berührungsafferenzen<br />

jetzt zentrale nozizeptive Neurone aktivieren.<br />

C: Synaptische Reorganisation im zentralen Nervensystem infolge Degeneration primär afferenter<br />

C-Nozizeptoren. Periphere Nervenläsionen können unter besonderen Umständen auch<br />

einen erheblichen Untergang an C-Faser-Neuronen verursachen. Dementsprechend sind die<br />

synaptischen Kontakte an zentralen nozizeptiven Neuronen des Hinterhorns reduziert. Zentrale<br />

Endigungen noch intakter dicker myelinisierter Fasern können daraufhin auswachsen<br />

und neue synaptische Kontakte mit den nunmehr „freien“ zentralen nozizeptiven Neuronen<br />

ausbilden. Dadurch können ebenfalls Impulse aus niederschwelligen A-Berührungsafferenzen<br />

zentrale nozizeptive Neurone aktivieren.<br />

D: Degeneration hemmender Neuronensysteme. Absteigende Bahnen aus dem Hirnstamm<br />

(z.B. aus dem periaquäduktalen Grau) hemmen mit den Transmittern Noradrenalin und<br />

Serotonin die Aktivität in nozizeptiven Hinterhornneuronen. GABAerge Interneurone üben<br />

eine tonische Inhibition im Hinterhorn aus. Chronische nozizeptive Aktivität kann einen<br />

Funktionsverlust und sogar eine Degeneration dieser inhibitorischen Systeme bewirken,<br />

was zu einer unbeeinträchtigten Transmission nozieptiver Impulse führt.<br />

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