Kunstverein und Kunsthalle - kunsthalle fridericianum kassel
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09. JULI - 11. AUGUST 2006 KASSELER KUNSTVEREIN SEITE 118<br />
Robert Barta | Ellen Berendes | Christine Budde |<br />
Mariechen Danz | Robert Elfgen | Luka Fineisen |<br />
Antonia Low | Rana Matloub | Nadine Nordmann<br />
| Edith Plattner | Kathrin Schlegel | Peter Schmitt<br />
| Marina Schulze | Stefan Silies<br />
Lieber Friedrich,<br />
danke für die Einladung, werde sehen, was sich<br />
machen lässt, <strong>und</strong> …<br />
Grüße<br />
Mariechen<br />
Nein, so könnte der Brief einer Künstlerin Mitte<br />
des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts nicht geschrieben sein – zumal<br />
„weibliche Künstler“ sehr selten waren. Untertänigst<br />
hätte man/frau sich an Friedrich II. gewandt,<br />
der als Landgraf in Kassel residierte, <strong>und</strong><br />
ihm seine Dienste angeboten, auch wenn er der<br />
erste Fürst der Aufklärung war – so sagt man<br />
heute. Jetzt steht er steinern <strong>und</strong> erhaben auf dem<br />
Friedrichsplatz, hilfl os den Graffi tis ausgesetzt,<br />
stolz <strong>und</strong> erhaben seinem Fridericianum zugewandt,<br />
das er 1769 bis 1779 von Simon Louis du<br />
Ry (nach Vorgaben des berühmten Revolutionsarchitekten<br />
Claude-Nicolas Ledoux) hat errichten<br />
lassen, als erstes Gebäude (der Welt), das als Museum<br />
konzipiert wurde. Nach dem Britischen<br />
Museum in London war es dann auch das zweite<br />
Museum, das seine Sammlungen der Öffentlichkeit<br />
zugänglich machte – auch wenn das nicht<br />
heißt, dass es gleich für jedermann/frau geöffnet<br />
war wie die weitgehend erhaltenen Sammlungen<br />
heute in der Orangerie, der Neuen Galerie oder<br />
dem Museum Schloss Wilhelmshöhe.<br />
Lieber Friedrich,<br />
Abschlussausstellung der Stipendiatinnen <strong>und</strong> Stipendiaten<br />
der Künstlerförderung des Cusanuswerks<br />
Eröffnung am<br />
Samstag, den 8. Juli<br />
um 18 Uhr<br />
Stefan Silies, Der verzauberte Leutnant<br />
(Ausschnitt), Collage, 2006<br />
„Lieber Friedrich“ könnte also die forsche Anrede<br />
sein, die den frischen Wind <strong>und</strong> Geist zu nutzen<br />
versucht, die Verhältnisse umzukehren – etwa<br />
wie Robert Barta das vorschlägt mit „Time to<br />
Change the World“, eine Arbeit bei der er ein Siegerpodest<br />
umgekehrt in eine Kiste baute. Aber<br />
das hätte Friedrich nicht zugelassen. Das hätte<br />
selbst Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte nicht<br />
zugelassen, der in seiner Regentschaft in Kassel<br />
1810 das Fridericianum umbauen <strong>und</strong> erweitern<br />
ließ, um daraus den „Palast der Stände“ zu machen,<br />
das erste deutsche Parlamentsgebäude.<br />
„Lieber Friedrich,“ ist aber doch vielleicht eher<br />
eine Anrede an eine vertraute Person, geschrieben<br />
von einem, der noch Briefe schreibt <strong>und</strong> darin<br />
zum Beispiel Abschied nimmt – wie die romantisch<br />
anmutenden Wanderer von Robert Elfgen,<br />
die er für ein Fenster im Fridericianum vorgesehen<br />
hat <strong>und</strong> denen er (vielleicht mit Blick auf das<br />
Ende seines Stipendiums) das Lied „Nehmt Abschied<br />
Brüder, …“ von Robert Burns in den M<strong>und</strong><br />
legt.<br />
Wenn die Stipendiatinnen <strong>und</strong> Stipendiaten des<br />
Cusanuswerks ihre Abschlussausstellung also<br />
nicht programmatisch etwa „ever change places“<br />
nennen – in Abwandlung von „changing places“,<br />
der Abschlussausstellung 2001 in den gleichen<br />
Räumen –, sondern „Lieber Friedrich,“ dann geben<br />
sie sich eher privat – in einem so öffentlichen<br />
Raum wie dem Kasseler <strong>Kunstverein</strong>. Sie wenden<br />
sich an Friedrich wie an ihren Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Vertrauten,<br />
den sie sich vielleicht nicht als Stellvertreter<br />
der Obrigkeit, sondern als den einer interessierten<br />
Öffentlichkeit vorstellen, im Vertrauen<br />
ihrerseits, persönlich <strong>und</strong> mit ihrer Arbeit geschätzt<br />
zu werden.<br />
Ein solcher „Friedrich“ fi ele in der Straßenbahn<br />
vielleicht erst auf den zweiten Blick auf als ein<br />
Landesfürst, der ausländische Handwerker <strong>und</strong><br />
Wissenschaftler ins Land holte, um die großen<br />
Vorhaben zu meistern, die er (inter regio) im Kopf<br />
hatte – <strong>und</strong> der in seinem Rucksack kleine Geschichten<br />
mitführt <strong>und</strong> für seine Sitznachbarn<br />
vorspielt, die Rana Matloub, aufgewachsen in<br />
Bagdad, als akustische Zeichnungen ihm anvertraut<br />
hat. Sie werden von freiwilligen „Paten“<br />
vom Friedrichsplatz aus in vier Linien in die Peripherie<br />
Kassels <strong>und</strong> wieder zurück gefahren/erzählt.