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Kunstverein und Kunsthalle - kunsthalle fridericianum kassel

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24.SEPT. - 26.NOV. 2006 KUNSTHALLE FRIDERICIANUM SEITE 73<br />

nächst in Jerusalem, bevor sie ihr Studium in<br />

New York fortsetzte. Heute lebt <strong>und</strong> arbeitet die<br />

Künstlerin in Amsterdam <strong>und</strong> Israel. Wie in<br />

Trembling Time, ihrer ersten Videoarbeit aus dem<br />

Jahr 2001, nimmt Bartana in vielen ihrer Videoarbeiten<br />

<strong>und</strong> –installationen die Position einer<br />

Die künstlerische Verfremdung<br />

des dokumentarischenMaterials<br />

Beobachterin ein, eine Perspektive, die Distanz<br />

einnimmt oder einen Abstand gewonnen hat zu<br />

etwas, was ehedem vertraut <strong>und</strong> alltäglich war.<br />

Oftmals richtet sich der Blick auf die Heimat, auf<br />

das alltägliche Leben in Israel <strong>und</strong> die Rituale<br />

<strong>und</strong> Repräsentationen eines Staates <strong>und</strong> seiner<br />

Bürger <strong>und</strong> fragt, was es mit solchen gemeinschaftlich<br />

vollzogenen Ritualen auf sich hat <strong>und</strong><br />

was sie über das Verhältnis von Staat <strong>und</strong> Individuum<br />

zum Ausdruck bringen:<br />

„Insbesondere im heutigen politischen Klima ist<br />

es wichtig, die Frage zu stellen, ob diese Rituale<br />

uns als Nation stärken, oder ob sie lediglich unsere<br />

Loyalität gegenüber dem Staat erhöhen, während<br />

sie unsere Fähigkeit, uns ein individuelles<br />

Urteil über die Situation zu bilden, aushöhlen.¹“<br />

Viele ihrer Arbeiten befragen die Konstitution<br />

der nationalen <strong>und</strong> kulturellen Identität des<br />

Staates Israel. Anhand von kleinsten Momentaufnahmen<br />

von Menschen, Handlungen <strong>und</strong> Ereignissen<br />

gelingt es ihr Fragen zu stellen, ohne sich<br />

einer einseitigen Kritik zu bedienen. Ihre Arbeiten<br />

geben keine unmittelbaren Antworten, vielmehr<br />

stellt sie ihre Beobachtungen dem Betrachter<br />

zur Verfügung. Ihre Methode ist die Beobachtung<br />

eines Ausschnitts oder eines Momentes,<br />

dessen Vieldeutigkeit oder Tiefgründigkeit Bartana<br />

entfaltet <strong>und</strong> lesbar macht. Die künstlerische<br />

Verfremdung des dokumentarischen Materials –<br />

die Überblendung, Verlangsamung <strong>und</strong> Wiederholung<br />

der Bilder, die Bearbeitung des So<strong>und</strong>s –<br />

lenkt den Blick auf dasjenige, das dem Gesehenen<br />

zugr<strong>und</strong>e liegt. Eine Suche nach dem Ursächlichen,<br />

nach dem durchscheinenden Abwesenden,<br />

nach dem, was nicht direkt ausgesprochen<br />

wird.<br />

Yael Bartana spricht in diesem Zusammenhang<br />

von „amateurhafter Anthropologie“, ein Ausdruck,<br />

entlehnt bei der kanadischen Schriftstellerin<br />

Eva Hoffman, die so das besondere Verhältnis<br />

von Immigranten zu alter <strong>und</strong> neuer Heimat<br />

umschreibt:„Eva Hoffman sagt, dass jeder Im-<br />

migrant zu einer Art von Amateur-Anthropologe<br />

wird. Amateur stammt von ‚amor’ ab, worin die<br />

Liebe als Motivation für Handlung <strong>und</strong> Praxis<br />

zum Ausdruck kommt. Ich habe in Bezug auf<br />

meine Arbeiten darüber nachgedacht. […] Die Intensität<br />

des täglichen Lebens macht es unmöglich,<br />

einen distanzierten oder kritischen Blick<br />

einzunehmen.“²<br />

Nach Jahren im Ausland erlaubt es Yael Bartana<br />

umgekehrt die Rückkehr nach Israel eine solche<br />

kritische Distanz zur Heimat einzunehmen. Etwa,<br />

wenn sie in der Videoinstallation Profi le (2000)<br />

junge Frauen beim Schießtraining im Rahmen ihres<br />

Wehrdienstes der IDF (Israel Defence Forces)<br />

in den Mittelpunkt ihrer Beobachtung stellt, einen<br />

Militärdienst, den sie selbst als junges Mäd-<br />

Yael Bartana, Profi le, 2000, Einkanal-Video- <strong>und</strong> So<strong>und</strong>-Installation, Monitor, Kopfhörer, Farbe, 3 min., geloopt<br />

Amateur stammt von<br />

‚amor’ ab<br />

chen absolvierte. Profi le zeigt junge Frauen bei<br />

Schießübungen. In Nahaufnahme sehen wir eine<br />

Frau im Profi l, die in konzentrierter Vertiefung<br />

einstudierte Handlungsabläufe mit der Waffe ausführt:<br />

das Bereitmachen des Gewehrs, das Zielen,<br />

Warten, Schießen, um schließlich erneut die Waffe<br />

für den nächsten Schuss bereit zu machen, unterbrochen<br />

nur von Bildern der Pappfi guren mit<br />

Zielfeldern, auf die geschossen wird. Es entsteht<br />

eine unmittelbare Nähe zu der Frau auf dem Monitor,<br />

der wir quasi zur Seite stehen, <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt durch die Ähnlichkeit der Kopfhörer fühlen<br />

wir uns in die Reihe der Schießenden aufgenommen.<br />

Charles Esche kommentiert: „ So fühlen<br />

wir die simulierte Konfrontation mit dem<br />

Feind nach, erfahren die Begegnung <strong>und</strong> besetzen<br />

die fremdartige Rolle des Soldaten, des Gesetzesvollstreckers<br />

<strong>und</strong> des potentiellen Mörders.“³ In<br />

der unmittelbaren <strong>und</strong> einfachen Beobachtung ei-

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