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Fotos: Florian Sitter<br />
Ein Jahrhundert im Bäckergewerbe<br />
Von Caroline Mempör<br />
Seit bald 100 Jahren gibt es die Bäckerei Kustor. Kriege, Wirtschaftskrisen<br />
und der Umzug von der Neunkirchnerstraße an<br />
den heutigen Standort konnten dem Familienbetrieb nichts<br />
anhaben. Das Erfolgsgeheimnis seien Freundlichkeit und Qualität<br />
– sagt Fritz Kempf, der Enkel des Gründers der traditionsreichen<br />
Bäckerei.<br />
Ludwig Kustor war das elfte Kind eines ungarischen Bauern. Mit<br />
12 Jahren lief er von zu Hause weg in die Stadt Sopron. Die Bäckerlehre<br />
war dort hart; der Meister zog seine Lehrbuben schon einmal<br />
an den Füßen in die Backstube. Aber Ludwig wurde Bäckermeister<br />
und zog weiter – nach Wiener Neustadt. Die Bäckerei, die er dort<br />
1910 gründete, leitet heute sein Enkel: Fritz Kempf.<br />
Unruhige Zeiten<br />
Die „rustikalen Zustände“, wie Kempf die Lehre seines Großvaters<br />
beschreibt, blieben ihm selbst erspart. Er erlernte den Bäcker beruf<br />
bei seiner eigenen Mutter. Bis dahin jedoch hatte die Bäckerei<br />
Kustor noch schwierige Zeiten zu überstehen: Der Erste Weltkrieg<br />
und die Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit waren nicht einfach.<br />
1945 wurde schließlich der Sitz der Bäckerei, damals noch<br />
das Haus in der Neunkirchnerstraße 24, ausgebombt. Eine Wand<br />
der Backstube fehlte und die russische Besatzungsmacht nahm<br />
sich, was sie wollte, erzählt Fritz Kempf. Doch Ludwig Kustor gab<br />
nicht auf. „Ich weiß nicht, ob die Geschichten wahr sind“, sagt<br />
Kempf, aber die Familienlegende sagt, dass der Großvater „den<br />
Russen“ die Ziegelsteine nachgeschossen hätte.<br />
Mit der Arbeit kommt der Erfolg<br />
Die Bäckerei blieb bestehen, es folgte ein Umzug. Der heutige<br />
Standort an der Ecke von Bahngasse und Lederergasse wurde der<br />
20 Business<br />
Die Bäckerei Kustor in der Bahngasse wird bald 100 Jahre alt.<br />
Familie noch von der Besatzungsmacht zugewiesen. Mit dem Tod<br />
Ludwig Kustors 1951 übernahm Kempfs Mutter den Betrieb, bis<br />
schließlich er selbst die Leitung übertragen bekam. Das ist nun fast<br />
40 Jahre her, das 100-jährige Betriebsjubiläum steht nächstes Jahr<br />
bevor. Fritz Kempf weiß, dass der Erfolg erarbeitet werden musste;<br />
in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen, kann<br />
er sich noch an Zeiten erinnern, in denen Lebensmittelmarken das<br />
einzige Zahlungsmittel im Geschäft waren.<br />
„Wiener Neustadt ist einfach meine Heimat“<br />
Später besuchte Kempf in Wiener Neustadt die Handelsschule<br />
und er entschied sich mit seiner Lehre im familieneigenen Betrieb,<br />
auch weiterhin hier zu bleiben. „Wiener Neustadt ist schlicht<br />
und einfach meine Heimatstadt“, erklärt er. 65 Jahre ist er jetzt<br />
alt, und natürlich macht er sich Gedanken um die lange Tradition<br />
des Betriebs – und ihre Fortsetzung. Einer seiner beiden Söhne<br />
ist Bäcker meister, dessen Gattin ebenfalls. Die zweite Schwiegertochter<br />
steht heute schon als Verkäuferin im Geschäft.<br />
Wer führt die Tradition fort?<br />
Für die Nachfolge sieht Kempf viele Möglichkeiten. Wichtig ist ihm,<br />
dass alle mit der Lösung zufrieden sind und der Betrieb weiterhin<br />
erfolgreich bestehen bleiben kann. Er will sich in die Angelegenheiten<br />
der zukünftigen Leitung nicht zu sehr einmischen.<br />
Schmunzelnd sagt er: „Alles kann man seinem Nachfolger geben,<br />
nur keine guten Ratschläge.“<br />
Jahrzehntelange Erfahrung<br />
In seiner eigenen langen Laufbahn hat Kempf viel gelernt: mit<br />
„Menschenliebe und Toleranz“ ein guter Chef zu sein zum Beispiel,<br />
aber auch sehr viel über die Menschen. Freundlicher und herzli-