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Regio CITADIS verbindet Stadt und Land

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Bedeutung des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs<br />

für moderne Volkswirtschaften<br />

Von Dr. Stefan Rommerskirchen, Stephan Kritzinger, ProgTrans AG, Basel<br />

Einstimmung: Um die „Bedeutung des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs für moderne Volkswirtschaften“ zu analysieren,<br />

bedarf es zunächst einiger Klärungen: Was ist eine „moderne Volkswirtschaft“? Was ist mit „Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr“<br />

genau gemeint? Wie bemisst sich die Bedeutung von Verkehr für eine Wirtschaft? Und: Ist die letzte Frage statisch<br />

(zum Beispiel zum heutigen Zeitpunkt) oder dynamisch, also für einen Entwicklungsprozess, zu interpretieren?<br />

Diese Fragen zeigen bereits auf: Das<br />

Thema ist facettenreicher als man<br />

beim ersten Hinschauen meinen könnte.<br />

Mit „modernen Volkswirtschaften“ sind<br />

sicherlich solche gemeint, die einen hohen<br />

Entwicklungsstand bezüglich Wissen,<br />

Technologie, Produktion, Lebensstil<br />

<strong>und</strong> damit auch hinsichtlich Einkommen<br />

<strong>und</strong> Wohlstand erreicht haben. Hoher<br />

Wissensstand kommt in einem funktionierenden<br />

Bildungssystem <strong>und</strong> namhafter<br />

Beteiligung breiter Volksschichten<br />

daran zum Ausdruck. Dies manifestiert<br />

sich in der Entwicklung eines kulturellen<br />

Lebens sowie technischer Fertigkeiten.<br />

Die technischen Fertigkeiten werden<br />

zu arbeitsteiliger Produktion <strong>und</strong> zur<br />

Entwicklung eines Lebensstils genutzt,<br />

bei dem die eigene Ernährung oder die<br />

der eigenen Familie nicht mehr die alles<br />

andere völlig dominierende Inanspruchnahme<br />

von Zeit darstellt. Freizeit ist ein<br />

wichtiges Wohlstandsmerkmal <strong>und</strong> hat<br />

deshalb auch einen hohen Stellenwert.<br />

In diesem Sinne sind mit der Bezeichnung<br />

„moderne Volkswirtschaften“ wohl<br />

solche wie die heutigen Industrie- <strong>und</strong><br />

einige der Schwellenländer gemeint. Unsere<br />

weiteren Betrachtungen beziehen<br />

sich auf Deutschland als einen typischen<br />

Repräsentanten dieser Gruppe.<br />

Der motorisierte Individualverkehr<br />

(MIV) ist in solchen Ländern Träger des<br />

Personenverkehrs. Er steht für synonym<br />

für eine hohe Qualitätsstufe der<br />

individuellen Mobilität. Moderne Volkswirtschaften<br />

verfügen aber auch über<br />

leistungsfähige Mobilitätsangebote im<br />

öffentlichen Verkehr (ÖV), z.B. in den<br />

Ballungsgebieten mit integrierten Nahverkehrssystemen<br />

oder im Schienenpersonenfernverkehr<br />

mit dem ICE. Eine<br />

sehr hohe Motorisierung, gemessen als<br />

die Anzahl von Pkw je 1.000 Einwohner<br />

wie auch eine intensive Nutzung der<br />

Bahn kennzeichnen moderne Volkswirtschaften<br />

(„Eisenbahn-Europameister“<br />

ist die Schweiz). Ein weiteres wichtiges<br />

Wohlstandsmerkmal der Mobilität ist<br />

der Luftverkehr, der zwar rein zahlenmässig<br />

nicht sehr stark Gewicht fällt,<br />

aber in Deutschland schon seit vielen<br />

Jahren die stärksten Wachstumsraten<br />

aufweist.<br />

Auch im Güterverkehr trägt das Strassennetz<br />

die Hauptlast des Verkehrs, zumindest<br />

in den dicht besiedelten Ländern<br />

Europas. Die Gründe für die starke<br />

Nutzung des Lkws liegen in seiner Flexibilität,<br />

den passenden Sendungsgrössen<br />

<strong>und</strong> seiner Zuverlässigkeit. Diese<br />

Eigenschaften korrespondieren mit den<br />

Anforderungen einer arbeitsteiligen<br />

Volkswirtschaft mit hohen Fertigungstiefen.<br />

Eisenbahn <strong>und</strong> Binnenschiff bedienen<br />

ausgewählte Marktsegmente<br />

(Massengüter, lange Distanzen, grosses<br />

Sendungsaufkommen bei Punkt-zu-<br />

Punkt-Relationen), haben aber ihre ursprüngliche<br />

Bedeutung an den Lkw abtreten<br />

müssen.<br />

Was war zuerst:<br />

die Henne oder das Ei?<br />

Die Frage der Bedeutung des Verkehrssystems<br />

für die Entwicklung von Volkswirtschaften<br />

hat ganze Generationen<br />

von Verkehrswissenschaftlern intensiv<br />

beschäftigt. Stellvertretend seien vor<br />

allem Carl Pirath 1 <strong>und</strong> Fritz Voigt 2 genannt.<br />

Die Problematik, einen empirischen<br />

Beleg für die oben genannte<br />

Gr<strong>und</strong>satzfrage zu finden, bestand <strong>und</strong><br />

besteht vor allem darin, Ursache <strong>und</strong><br />

Wirkung klar zu unterscheiden <strong>und</strong> bei<br />

den vielen Entwicklungsdeterminanten<br />

von Volkswirtschaften auf dem Weg zu<br />

einer „modernen Volkswirtschaft“ die<br />

Bedeutung des Verkehrssystems neben<br />

anderen Entwicklungs- bzw. Standortfaktoren<br />

zu isolieren. Die Frage kommt<br />

mit der „Henne-Ei-Problematik“ trefflich<br />

zum Ausdruck, <strong>und</strong> damit auch die<br />

These, dass es hier keine eindeutige<br />

Antwort geben kann.<br />

Vor r<strong>und</strong> zwei Jahrzehnten stellte sich<br />

im Rahmen einer Veranstaltung eine<br />

ähnliche Frage: Mehr Mobilität mehr<br />

Wohlstand? Wir haben deren Beantwortung<br />

unter voller Nutzung des<br />

Themas <strong>und</strong> unter Bezugnahme auf<br />

verschiedene Entwicklungsphasen der<br />

deutschen Volkswirtschaft als Repräsentantin<br />

„moderner Volkswirtschaften“<br />

mit ähnlichen Entwicklungsmustern –<br />

seinerzeit in die folgenden vier Phasen<br />

untergliedert 3 :<br />

1. Mehr Mobilität = mehr Wohlstand!<br />

2. Mehr Wohlstand = mehr Mobilität!<br />

3. Mehr Mobilität = mehr Wohlstand?<br />

4. Mehr Wohlstand = mehr Mobilität?<br />

In der ersten Phase – in Europa ab Beginn<br />

der Industriealisierung Anfang des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts – ermöglichte die Eisenbahn<br />

neue Formen von Mobilität<br />

<strong>und</strong> Arbeitsteilung. Neue Arbeitskräfte<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten wurden nun auf dem<br />

<strong>Land</strong>weg zugänglich <strong>und</strong> damit von den<br />

Transportwegen der Binnen- <strong>und</strong> Seeschiffe<br />

<strong>und</strong> deren Hafengebieten unabhängig.<br />

Dies erhöhte die Mechanisierung<br />

der Arbeit, <strong>und</strong> die zunehmende Arbeitsteilung<br />

steigerte das Geldeigentum<br />

vieler Bürger. Mehr Mobilität führte zu<br />

mehr Wohlstand.<br />

In der zweiten Phase bekamen Privateigentum<br />

<strong>und</strong> Geldverdienst auch im<br />

Hinblick auf die Mobilität eine neue<br />

Bedeutung. Sie verstärkten zunehmend<br />

den Wunsch nach einer Individualisierung<br />

der Mobilität, der Ende des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts durch die Entwicklung von<br />

Kraftwagen eine neue Gr<strong>und</strong>lage erhielt.<br />

Aber noch im Jahre 1939 gab es<br />

in Deutschland erst r<strong>und</strong> 20 Pkw auf<br />

1.000 Einwohner – eine Motorisierung,<br />

von der China <strong>und</strong> sehr viele andere<br />

Länder der Erde allerdings auch heute<br />

noch weit entfernt sind. Erst Mitte des<br />

letzten Jahrh<strong>und</strong>erts wurde der motorisierte<br />

Individualverkehr ein Massenphänomen<br />

<strong>und</strong> manifestierte sich vor allem<br />

in zwei gravierenden Veränderungen:<br />

einer erheblichen Ausweitung des „Mobilitätsstreckenbudgets“,<br />

also der mit<br />

Personenverkehrsmitteln zurückgelegten<br />

Strecke je Einwohner <strong>und</strong> Jahr,<br />

Nahverkehr 2010 5

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