Nachhaltiges Europa Abschlusspublikation - Global Marshall Plan
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<strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Europa</strong><br />
Probleme der Nachhaltigkeitsstrategie<br />
16<br />
Natürlich ist eine Strategie immer nur eine notwendige,<br />
aber keine hinreichende Bedingung für<br />
die Erreichung eines Ziels. Schließlich nützt die<br />
schönste Strategie nichts, wenn nicht ausreichend<br />
Macht hinter ihr steht, um sie durchzusetzen. Lassen<br />
Sie mich deshalb nun zu den Problemen der<br />
EU-Nachhaltigkeitsstrategie kommen.<br />
Erstes Problem: In der EU hat sich das Kräfteverhältnis<br />
zu Ungunsten der Umweltpolitik verschoben.<br />
Die Grünen sind in Frankreich, Belgien, Finnland,<br />
Italien, Niederland und Dänemark nicht mehr in<br />
der Regierung vertreten. Damit ist die Zeit vorbei,<br />
in der eine ganze Reihe grüner Umweltminister<br />
den EU-Umweltrat dominieren konnten. Jürgen<br />
Trittin ist inzwischen der dienstälteste Umweltmi-<br />
nister in der Europäischen Union. Die Positionen<br />
der Generaldirektion Umwelt finden innerhalb der<br />
gesamten Kommission zunehmend weniger Unterstützung.<br />
Erwähnt seien hier die Angriffe von Tei-<br />
len der Kommission auf das deutsche Dosenpfand,<br />
die exemplarisch zeigen, wie schwer es umweltpolitischen<br />
Anliegen haben, die im Verdacht stehen,<br />
Binnenmarkt und Wettbewerb zu behindern.<br />
Zwar werden Umweltprinzipien nicht abgeschafft,<br />
aber in der europäischen Rechtssetzung deutlich<br />
„tiefer gehängt“. Wurde in der Vergangenheit der<br />
Europäische Rat als ganzer mit der Bearbeitung<br />
eines politischen Themas beauftragt, so werden<br />
jetzt Zuständigkeiten oft direkt an den Wettbewerbskommissar<br />
überwiesen. So wird die Einflussnahme<br />
der Umweltminister beim Umgang mit<br />
Umweltfragen minimiert. Belege für diese schwie-<br />
rige Gemengelage zeigen sich nicht nur in der<br />
europäischen Chemikalienpolitik, sondern auch bei<br />
der Liberalisierung im Bereich der kommunalen<br />
Daseinsfürsorge – vor allem im Wasserbereich.<br />
Zweites Problem: Sowohl in Deutschland als<br />
auch in <strong>Europa</strong> wird zunehmend versucht, Öko-<br />
logie und Ökonomie gegeneinander auszuspielen.<br />
Dies haben wir Grüne erst kürzlich bei der Durchsetzung<br />
des Emissionshandels erfahren müssen.<br />
Der aggressive Lobbykurs der Wirtschaftsverbände,<br />
von Teilen der Industrie und auch der Gewerkschaften<br />
gegen die Klimapolitik hat uns alle über-<br />
rascht. Überrascht hat uns ebenfalls das offene<br />
Ohr, das sie beim Bundeswirtschaftsminister fanden.<br />
Doch auch in der EU kommen derzeit die ökologischen<br />
Aspekte zu kurz. Umwelt wurde nach der<br />
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik als drittes<br />
Schwerpunktthema in den Lissabonprozess einge-<br />
bunden. Dennoch unterliegen die Themen Umwelt-<br />
schutz und Soziales häufig der Hierarchie der Politikfelder<br />
Wirtschaft und Arbeit. Eine gleichwertige<br />
Integration der Themen findet häufig nicht statt.<br />
<strong>Europa</strong>s Grüne und die europäischen Umweltverbände<br />
sind längst zur Einsicht gelangt, dass Ökologie<br />
und Ökonomie nicht gegeneinander ausge-<br />
spielt werden dürfen. Dass mächtige gesellschaftliche<br />
Gruppen in Deutschland und <strong>Europa</strong> die Gräben<br />
der Vergangenheit wieder auszuheben beginnen,<br />
ist für uns eine schmerzliche Erfahrung und<br />
deutliche Warnung.<br />
Drittes Problem: Die Osterweiterung verlangsamt<br />
die europäische Umweltpolitik<br />
Generell ist die Osterweiterung eine große Chance<br />
für die Umwelt in <strong>Europa</strong>. Das europäische Umweltrecht<br />
wird in den Beitrittsländern übernommen<br />
und umgesetzt werden, eine moderne Umweltverwaltung<br />
wird aufgebaut. Dadurch werden sich die<br />
Umweltbelastungen in <strong>Europa</strong> erheblich verringern.<br />
Dieser Prozess wird durch Partnerschaften<br />
zwischen einem Mitgliedstaat und einem Beitrittsland<br />
gefördert. Deutschland beteiligt sich an dieser<br />
Initiative mit eigenen Partnerschaften in Tsche-<br />
chien, Ungarn und Polen.<br />
Trotz der Chancen können wir nicht ignorieren,<br />
dass viele Beitrittsländer in den klassischen Um-<br />
weltbereichen vor ganz erhebliche Anforderungen<br />
stehen: beim Schutz von Wasser, Boden und Luft.<br />
Dies kann in den kommenden Jahren zumindest in<br />
Teilbereichen die europäische Umweltpolitik verlangsamen,<br />
wenn nicht sogar zur Absenkung umweltpolitischer<br />
Standards führen.<br />
Viertes Problem: Den Strategien und Maßnahmen<br />
fehlt es an Kohärenz und Transparenz.<br />
Der Nachhaltigkeitsstrategie fehlt ein roter Faden<br />
und eine Systematik. Sie setzt sich aus wenig<br />
übersichtlichen Dokumenten des Rates und der<br />
Europäischen Kommission zusammen. Außerdem<br />
fehlen verständliche Botschaften, um die Nachhal-<br />
tigkeitsstrategie erfolgreich zu kommunizieren und<br />
anzuwenden.<br />
Was könne wir Grüne tun, um der EU-<br />
Nachhaltigkeitspolitik zu mehr Durchschlagskraft<br />
zu verhelfen?<br />
1. Wir müssen die Europäischen Grünen stärken.<br />
Das gilt sowohl für die Grünen im Europäischen<br />
Parlament als auch in den nationalen Regierungen.<br />
Die These von der <strong>Europa</strong>partei ist eben keine<br />
Wahlkampfmarotte, sondern Teil eines strategi-<br />
schen Konzepts. Nur eine starke, freche und<br />
selbstbewusste grüne Fraktion im Europäischen<br />
Parlament kann einer dort drohenden Großen Koa-