InfoRetica - RhB
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Bahnprojekte in der Surselva<br />
Von Gian Brüngger<br />
Rhätische Bahn <strong>InfoRetica</strong>, Nr. 2 / 2012<br />
Die Lukmanierbahn<br />
Mit dem Bau und der Eröffnung der Eisenbahnlinie Rorschach<br />
– Chur im Jahre 1858 bestand bereits das Vorhaben,<br />
diese über Chur hinaus und dem Lukmanier Richtung<br />
Süden nach Italien zu verlängern. Ja selbst die<br />
Linie Rüti ZH – Rapperswil – Uznach – Sargans ist mit<br />
dieser Absicht gebaut worden. Die als Normalspurbahn<br />
projektierte Linie wäre durch die Ruinaulta über Ilanz<br />
bis Disentis mehrheitlich der heutigen <strong>RhB</strong>-Linie gefolgt<br />
und dann links Richtung Lukmanierpass abgeschwenkt.<br />
Bei der Vision einer Eisenbahnverbindung über die Alpen<br />
hatten die Bündner die Nase vorn: 1845 legte Richard<br />
La Nicca ein erstes Projekt vor und beantragte<br />
eine Konzession für den Bau einer Eisenbahn durch<br />
den Kanton Graubünden über den Lukmanier. 1847<br />
unterzeichneten die Schweizer Kantone St. Gallen,<br />
Graubünden und Tessin einen Staatsvertrag mit dem<br />
Königreich Sardinien, der den Bau der Lukmanierbahn<br />
zum Ziel hatte. Doch sowohl dieser wie auch allen anderen<br />
Bündner Varianten (San Bernardino und Splügen)<br />
war kein Erfolg beschieden.<br />
Der Bündner Ingenieur Richard La Nicca arbeitete in<br />
den folgenden Jahren unermüdlich weiter für das Lukmanier-Projekt.<br />
Insbesondere wollte er, dass die Südostbahn-Gesellschaft,<br />
welche als Vorgängerin der Vereinigten<br />
Schweizerbahnen die Linie von Rorschach<br />
nach Chur baute, sich verpflichtete, die Konzession der<br />
Lukmanier-Bahn bis zur Grenze gegen den Kanton Tessin<br />
zu übernehmen, damit die Lukmanier-Bahn nicht<br />
zerrissen werde. Im Jahre 1853 entschied der Grosse<br />
Rat des Kantons Graubünden gegen La Nicca. Dies hinderte<br />
ihn nicht, die Kammer des Königreiches Sardinien<br />
noch im gleichen Jahr für die Lukmanier-Bahn zu<br />
gewinnen und so kam durch den Beitritt des Kantons<br />
Tessin die Konzession der Südost-Lukmanier-Gesellschaft<br />
bis zum Herbst 1853 dennoch zustande.<br />
Wie schon erwähnt, führte diese nicht zum Erfolg,<br />
da überwiegende gesamtschweizerische Interessen<br />
schliesslich in den Jahren 1869 und 1871 den Ausschlag<br />
zu Gunsten des Gotthards gegeben haben. Der<br />
Gotthard war erst im Jahre 1852 mit dem Lukmanier in<br />
Konkurrenz getreten. Auch das in letzter Stunde von La<br />
Nicca vorgeschlagene Fusionsprojekt Amsteg – Disentis<br />
– Biasca vermochte die Niederlage nicht aufzuhalten.<br />
Die Linie Reichenau – Disentis<br />
Nach dieser Absage war es dann lange still mit Eisenbahnprojekten<br />
in der Surselva. Drei Vorstösse in den<br />
Jahren 1874, 1883 und 1889 scheiterten immer wieder<br />
im Grossen Rat. Am 5. April 1890 reichte der Ingenieur<br />
Marchion aus Valendas ein Konzessionsgesuch für die<br />
Linie Reichenau – Ilanz beim Bundesrat ein. Er hatte für<br />
die Linien keine genaueren Pläne ausgearbeitet, liess es<br />
offen ob Normal- oder Schmalspur und schlug vier Varianten<br />
vor:<br />
1. Führung grösstenteils dem Rhein entlang, 19 km,<br />
3,1 Mio. Franken<br />
2. Rechtsrheinisch über Versam und Valendas, 22,5 km,<br />
3,4 Mio. Franken<br />
3. Linksrheinisch über Reichenau – Trin Mulin – Sagogn<br />
– Schluein, 25,3 km, 4,3 Mio. Franken<br />
4. Ähnliche Linienführung wie 3, aber mit weniger Stationen,<br />
Reichenau – Con – Ilanz, 24 km, 4 Mio. Franken<br />
Der Initiant favorisierte die Rheinlinie, da diese für einen<br />
Dampfbetrieb eine Steigung von lediglich 7 ‰ aufwies.<br />
Eine Fortsetzung bis Disentis sah er auch vor, was<br />
vor allem der Kleine Rat (Regierung) sehr begrüsste. Der<br />
Kleine Rat schrieb dem Eisenbahndepartement, er möge<br />
aus strategischen Gründen und im Hinblick auf eine<br />
Normalspurbahn, auf eine Linie von mehr als 27 ‰ verzichten.<br />
Mitte des Jahres 1894 war Marchion im Besitze<br />
einer Konzession für eine Bahnlinie Reichenau – Disentis.<br />
Nachdem im Jahre 1896 die <strong>RhB</strong>-Linie Landquart –<br />
Chur – Thusis als Schmalspurbahn in Betrieb kam, trat<br />
Marchion seine Konzession der <strong>RhB</strong> ab.