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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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weis- oder besser noch: direkten Verwertbarkeit ent­<br />

zieht. Die Hauptlinien dieses Gegensatzes wurden,<br />

wie Wolfgang Frühwald meint, an der jüngsten Gen­<br />

debatte sichtbar: ein "ch ristliches, zumindest kan ­<br />

tianisches Menschenbild" hier, ein " szientistisch­<br />

sozialdarwinistisches Menschenbild" dort. Mag man<br />

darin einen "Kulturkampf" erkennen oder nicht. Kaum<br />

bestreitbar dürfte die Diagnose sein, daß als Folge<br />

zunehmend eindimensionaler Weitsicht auf seiten der<br />

unmittelbar Geld erwirtschaftenden Wissenschaften<br />

Artikulationsvermögen und Kritikfähigkeit im gleichen<br />

Maße abzunehmen scheinen wie neuer Aberglaube<br />

und Irrationalität Raum greifen.<br />

Betrachtet man vor dieser Kulisse unsere konkrete<br />

Situation etwas genauer, so ist der Ertrag der in der<br />

Philosophischen Fakultät II beheimateten Fächer<br />

unmittelbar und mittelbar sogar sehr bedeutsam, für<br />

unsere <strong>Universität</strong> nicht minder als für die Gesell­<br />

schaft insgesamt. Wer seinen ehemaligen Seminari­<br />

sten als Schulleiter und Lehrer in allen Sparten, als<br />

Übersetzer, Lektoren und Verleger, als Dramaturgen,<br />

Reiseleiter und Journalisten, als Akademiemitarbei­<br />

ter, Professoren und selbst Politiker wiederbegegnet<br />

und immer wieder begegnet, der hält eigentlich je­<br />

des Wort darüber für überflüssig. Leider gerät in die­<br />

ser reizüberfluteten Welt das Alltägliche in Gefahr,<br />

vergessen zu werden. Deshalb sei es laut hinauspo­<br />

saunt: Auch im vergangenen Somrnersemester hat<br />

die Philosophische Fakultät 11 wieder eine große Zahl<br />

von examinierten Studenten in die Welt entlassen<br />

(wo ihnen leider nicht immer ein adäquater Arbeits­<br />

platz geboten wird): 1 Habilitation, 7 Doktor- und 60<br />

Magisterprüfungen wurden zu einem erfolgreichen<br />

Abschluß gebracht. Hinzu kamen allein 318 Staats­<br />

examensprüfungen im Frühjahr 2001: Anglistik 55,<br />

Deutschdidaktik für die Hauptschule 59, Deutschdi­<br />

daktik für die Grundschule 52, Germanistik 84, Ge­<br />

schichte 41, Romanistik 27. Wiewohl die dahinter<br />

verborgene genaue Kandidatenzahl im Moment (noch)<br />

Essays<br />

sondern Institutionen und Personen, denen die ver­<br />

öffentlichte Meinung weit größere Bedeutung zum ißt<br />

als den <strong>Universität</strong>en. Hier wäre es längst Zeit, die<br />

gesellschaftliche Brille zu putzen. Denn bislang hat<br />

noch niemand erklärt, warum das konzeptionell an<br />

sich simple Monopoly des Fusionierens, Wegrationa­<br />

lisierens und Arbeitsplatzvernichtens gesellschaftlich<br />

und auch nach der Vergütung zigmal bedeutsamer<br />

sein soll als die solide Ausbildung traditioneller Be­<br />

rufsgruppen, die für jede des Namens würdige Kul­<br />

turgesellschaft unverzichtbar waren, sind und sein<br />

werden. Die modernen Elfenbeintürme stehen ganz<br />

bestimmt nicht mehr auf dem Campus. Zum allge­<br />

meinen Troste bleibt freilich immer noch die Perspek­<br />

tive, im Falle des Falles Lehrer, Journalisten, Lekto­<br />

ren , Professoren mittels Greencard ins Land zu holen<br />

- und sei es nur, um den Managerkindern das Lesen<br />

und Schreiben und ein paa r nützliche Dinge sonst<br />

beizubringen ....<br />

Kultivierung vieldeutiger<br />

Bedeutung<br />

Gerhard Droesser, Lehrstuhl für christliche<br />

Sozialwissenschaft, Dekan der Katholisch­<br />

Theologischen Fakultät<br />

Die Geisteswissenschaften gehören zu den Basisin­<br />

stitutionen der modernen Gesellschaft. Ihre allgemei­<br />

ne Aufgabe ist das Verstehen der gewordenen und<br />

werdenden Kultur. Verstehen aber ist nicht passives<br />

Hinnehmen und Deponieren. Verstehen kann nur, wer<br />

Fragen stellt, wer aus der Fülle der Kulturphänome­<br />

ne Informationen se legiert und aus ihnen Sinnstruk­<br />

turen aufzubauen imstande ist. Die Geisteswissen­<br />

schaften vollziehen sich mithin in der Haltung der<br />

Reflexion, in der das zunächst verschlossene Ansich<br />

eines Kulturobjekts zu einem Für uns aufgeschlos­<br />

sen wird. Sie eröffnen Räume eines dialogischen<br />

nicht zu ermitteln war: aber es dürften wenigstens Spiels von Fragen und Antworten. Keine ihrer Ant- Gerhard Droesser<br />

120 neue Leh rer sein, die unsere Fakultät dem Staa­<br />

te angeboten hat. Insgesamt also fast zweihundert<br />

Abschlüsse in einem Sommersemester oder, anders<br />

gesagt, beinahe jeder 10. unserer Studenten hat im<br />

vergangenen Semester sein Studium erfolgreich be­<br />

endet!<br />

Zu wenig gesellschaftliche Relevanz und Leistung?<br />

Bekämen doch alle unserer Absolventen einen ihrer<br />

Ausbildung angemessenen Arbeitsplatz! Dafür sind<br />

die Professoren freilich nicht mehr verantwortlich,<br />

worten ist abschließend, sondern jede provoziert neue<br />

Fragehorizonte, die Bekanntes wieder unbekannt<br />

erscheinen lassen, vordem Vernachlässigtes ins Licht<br />

der Aufmerksamkeit rücken. Die Varianz der Thema­<br />

tisierungsmöglichkeiten der besonderen Phänome­<br />

ne hat zur Folge, daß auch deren Gesamtdeutungen<br />

oder Sinnsynthesen als variant zu bestimmen sind.<br />

Wenn die Geisteswissenschaften die gewordene Kul­<br />

turgeschichte vergegenständlichen, dann tun sie das<br />

in einer selbst geschichtlichen und relativen Weise,<br />

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