Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BLICK 94<br />
Hedrich: "Ich denke, wir wur<br />
den für preiswürdig befunden,<br />
weil hier fünf Wissenschaftler,<br />
die in ihrer jeweiligen Spezial<br />
disziplin weltweit führend sind,<br />
gemeinsam ein wirtschaftlich<br />
und ökologisch relevantes For<br />
schungsgebiet voran bringen<br />
wollen. "<br />
Um welches Thema geht es?<br />
Hedrich: " Wir untersuchen die<br />
Versorgung pflanzlicher Zellen<br />
und Organe mit Nährstoffen<br />
und Vitaminen sowie die Spei<br />
cherung pharmazeutisch rele<br />
vanter Verbindungen. Uns in<br />
teressiert der Transport von<br />
Molekülen als Nährstoff, aber<br />
auch als Träger von Informati<br />
on. Man kann sich das vorstel<br />
len wie bei einem Haus: Gibt es<br />
keine Fenster und Türen, weiß<br />
jemand, der sich im Inneren<br />
aufhält, nichts über das Wetter<br />
draußen, und er kann mit sei<br />
nem Nachbarn nicht kommuni<br />
zieren. Erst über Öffnungen in<br />
der Wand ist ein Austausch mit<br />
der Außenwelt möglich. Eine<br />
Alternative dazu ist eine Anten<br />
ne auf dem Dach, über die In<br />
formationen ins Haus gelan<br />
gen können. Pflanzen kennen<br />
beide Möglichkeiten: Sie tau<br />
schen Informationen aus, inter<br />
agieren zum Beispiel mit Bak<br />
terien, und sie holen sich ihre<br />
Nährstoffe aus dem Boden. Es<br />
gibt also elektrische und che<br />
mische Signale. Unser Interes<br />
se gilt Kanälen und anderen<br />
Transportmolekülen, die den<br />
Austausch steuern. "<br />
Was heißt das konkret?<br />
Hedrich: "Die Pflanze holt sich<br />
ihre Nährstoffe in Form von Io<br />
nen aus dem Boden. Schwer<br />
metalle, die ebenfalls als Ion<br />
vorliegen, stören diesen Pro <br />
zess bzw. werden mit aufge-<br />
Wissenschaftspreise<br />
nommen. Wenn es uns nun gelingt, die Transportmo<br />
leküle bio techno logisch so zu verändern, dass sie<br />
Schwermetalle nicht passieren lassen, könnte man in<br />
Zukunft unbelastete pflanzliche Nahrungsmittel pro<br />
duzieren. Auf der anderen Seite könnten speziell auf<br />
Schwermetallanreicherung optimierte Pflanzen zur<br />
Entseuchung von belasteten Böden im Bereich von<br />
Abraumhalden oder ehemaligen Truppenübungsplät<br />
zen und stil/gelegten Industriegeländen zum Einsatz<br />
kommen."<br />
In der Mitteilungder Körber-Stiftung heißt es jedoch,<br />
dass Ihre Arbeit "Anbau probleme in den Entwick<br />
lungsländern langfristig"lösen kann. Worum geht es<br />
hier?<br />
Hedrich: "Kalium ist ein wichtiger Nährstoff für Pflan<br />
zen. Kalium-Ionen sind allerdings denen von Natrium<br />
im Kochsalz oder Meerwasser sehr ähnlich; auf ver<br />
salzten Böden können Pflanzen sie nur schwer aus<br />
einander halten. Weil aber weltweit die Böden infolge<br />
von Düngung und künstlicher Beregnung zunehmend<br />
versalzen, ist der Ernteertrag der Drittweltländer zu<br />
nehmend bedroht. Es wäre viel gewonnen, wenn wir<br />
Pflanzen dazu bringen können, Natrium nicht aufzu<br />
nehmen oder durch Transport in Pflanzenzell-spezifi<br />
sche Endlagerstätten, so genannte Vakuolen, zu ent<br />
giften. "<br />
Sie arbeiten mit Hilfe biophysikalischer aber auch<br />
gentechnischer Methoden. Schleusen Sie auch art<br />
fremde Gene in ihre Versuchspflanzen ein?<br />
Hedrich: "Nein. Wir sind nicht darauf aus, Pflanzen<br />
dazu zu bewegen, etwas zu machen, was sie in der<br />
Natur nicht tun würden. Wir überprüfen im Labor, wei<br />
che Funktion ein Transportmolekül hat. Dazu blockie<br />
ren wir es mit Hilfe der Gentechnik und schauen, wie<br />
die Pflanze reagiert, oder wir verstärken Schritt für<br />
Schritt seine Funktion und optimieren dadurch die<br />
Nahrstoffaufnahme und -verteilung. "<br />
Und wenn Ihnen das gelungen ist, lassen Sie die<br />
Pflanze patentieren und setzen sich mit den Einnah<br />
men aus dem Verkauf zur Ruhe?<br />
Hedrich: " Wir wären blöd, wenn wir die Möglichkeit<br />
der Patentierung nicht nutzen würden. Aber in erster<br />
Linie sind wir Wissenschaftler und haben mit For<br />
schung, Lehre und der Ausbildung des Nachwuchses<br />
genug zu tun. Wen das Abenteuer Forschung einmal<br />
richtig gepackt hat, der setzt sich so schnell nicht zur<br />
Ruhe. Geld spielt dabei keine Rolle. "<br />
Aber im Prinzip stehen Sie der Patentierungvon neu<br />
artigen pflanzen positiv gegenüber?<br />
Hedrich: "Ich bin mir der ethischen Bedenklichkeit<br />
der Patentierung von Organismen bewusst. Es ist<br />
leider immer problematisch, wenn der<br />
wirtschaftliche Gedanke mit dem humanitären<br />
kollidiert; wenn die Frage auftaucht, ob es ethisch<br />
vertretbar ist, Forschungsergebnisse in materielle<br />
Güter umzuwandeln. Ich glaube, in einem solchen<br />
Fall wäre der europäische Ethikrat gefordert, denn<br />
solche Entwicklungen werden von der Politik<br />
geregelt. Aufgrund der BSE- und StammzeIlen<br />
Debatte wird die deutsche Pflanzenforschung<br />
derzeit nicht so optimal gefördert wie zum Beispiel<br />
in den USA. Bevor sich die Bundesregierung nicht<br />
klar zur Gentechnik äußert, wird sich die<br />
Agrarindustrie nur sehr zögerlich an der<br />
universitären Forschung beteiligen. "<br />
Wie kam es eigentlich zur grenzüberschreitenden<br />
Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen?<br />
Hedrich: "Wir kennen uns von wissenschaftlichen Kin<br />
desbeinen an und treffen uns seit 15 jahren regelmä<br />
ßig auf nationaler und internationaler Ebene. Außer<br />
dem arbeiten wir in diversen binationalen Forschungs<br />
verbünden zusammen. "<br />
Und jetzt bekommt jeder ein Fünftel der Preissum<br />
me?<br />
Hedrich: "Wir sind als Team angetreten und nicht als<br />
Gruppe von Einzelkämpfern. Synergismus, mehr als<br />
die Summe der Einzelnen, heißt das Zauberwort. "<br />
1,5 Millionen Mark geteilt durch fünf, verteilt über<br />
drei Jahre. Da bleiben für Sie 100.000 Mark pro Jahr.<br />
Was können Sie damit anfangen?<br />
Hedrich: "Damit kann jeder von uns einen erfahrenen<br />
Wissenschaftler finanzieren, der ausschließlich an<br />
unserem gemeinsamen Projekt arbeitet. Vordem Hin <br />
tergrund unserer über die jahre gewachsenen, hervor<br />
ragenden Laborausstattung sollten fünf zusätzliche<br />
Wissenschaftler einen enormen Multiplikator darstel<br />
len. Ich sehe den Preis als Würdigung unserer lang<br />
jährigen Arbeit an, als Ermutigung. Es ist jetzt mög<br />
lich, einen mutigen Schritt in eine Richtung zu gehen,<br />
den man sonst vielleicht nicht gegangen wäre. "<br />
Und dann wird in drei Jahren das Welternährungs<br />
problem gelöst sein?<br />
Hedrich: "Nein, wir fünf sind nicht angetreten, dieses<br />
Problem zu lösen. Wir sind Grundlagenforscher und<br />
werden auch in drei jahren wahrscheinlich noch kein<br />
Patentrezept entwickelt haben. Aber wir werden bis<br />
dahin die ersten Hürden bei der Umsetzung unseres<br />
erfolgversprechenden Konzeptes überwunden und<br />
Teilerfolge erzielt haben. Erweist sich unser Vorhaben<br />
als tragfähig, sind die nächsten Schritte vorgezeichnet. "