ZGR Nr. 19-20/2001 - Partea II
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ZU EINIGEN ASPEKTEN DER DRAMENTHEORIE IN DER DEUTSCHEN<br />
LITERATUR<br />
Die Urform des Theaters hat eigentlich<br />
sehr wenig mit dem zu tun, was wir heute<br />
unter diesem Begriff verstehen. Theater war<br />
ursprünglich weniger Kunst, sondern eher<br />
soziales Verhalten und läßt sich auf jeden<br />
Fall mit der natürlichen Gabe des Menschen<br />
zur Nachahmung in Verbindung bringen.<br />
Dies ist leicht zu demonstrieren, indem man<br />
die Tierspiele der verschiedenen Eingeborenen<br />
Sippen anführt, die nicht nur dazu<br />
gedacht waren, der täglichen Unterhaltung<br />
zu dienen, sondern eher ein magisches Ritual<br />
darstellten. Es ging in der Urform eigentlich<br />
um den Versuch der Steinzeitmenschen, die<br />
Kraft der Tierfelle auf sich zu übertragen,<br />
denn "das Urdrama der Menschheit ist der<br />
Kampf mit dem Tier" 1 .<br />
Der Wendepunkt in der Geschichte des<br />
Dramas erfolgte im alten Griechenland, wo<br />
man damit beschäftigt war, für den neuen<br />
Gesellschaftstypus auch eine neue Art von<br />
Mensch heranzubilden. So kam es dazu, daß<br />
"das Festspiel um Fruchtbarkeit und Totenkult<br />
zur politischen Festversammlung umfunktioniert<br />
und verweltlicht" 2 wurde. Hier<br />
begann sich Theater nicht mehr zwischen<br />
Schauspieler und Gottheit zu bewegen,<br />
sondern es wurde nun an das Publikum gerichtet,<br />
das von nun an eine passive aber gut<br />
determinierte Rolle spielte. So kam es dazu,<br />
daß sich Aristoteles, der größte Theoretiker<br />
der Antike mit der Beziehung zwischen<br />
Theater und Publikum beschäftigte, um<br />
daraus auch die Rolle des Theaters herauszuarbeiten:<br />
Das, was Aristoteles von seinem<br />
Zuschauer verlangt, ist die Identifikation mit<br />
dem Helden durch Mitempfinden, er spricht<br />
in seiner Poetik von den inzwischen allbekannten<br />
Begriffen von Mitleid und Furcht:<br />
"Die Tragödie ist die Nachahmung einer<br />
edlen und angeschlossenen Handlung, von<br />
einer bestimmten Größe in gewählter Rede,<br />
derart, daß jede Form solcher Rede in ge-<br />
1 Gronemeyer, Andrea Theater, Köln, Du Mont<br />
Buchverlag, <strong>19</strong>95, S. 9.<br />
2 ebd., S. 13.<br />
Daniela Ionescu<br />
sonderten Teilen erscheint und daß gehandelt<br />
und nicht berichtet wird und daß mit Hilfe<br />
von Mitleid und Furcht eine Reinigung von<br />
eben derartigen Affekten bewerkstelligt<br />
wird." 3 . Das Schema nach dem die Funktion<br />
des Theaters erfolgt, ist nach Aristoteles also<br />
ganz einfach: Zuerst empfindet man einen<br />
Schrecken durch die Bedrohung des Helden<br />
(phobos) und dieser Schrecken wird dann,<br />
nach dem Wendepunkt des Dramas durch<br />
Jammer abgearbeitet (eleos), damit der Zuschauer<br />
am Ende des Stückes kathartisch<br />
(gereinigt) das Theater verläßt.<br />
Diese Auffassung wird lange Zeit die<br />
Theorie des Dramas beherrschen, und die<br />
Neuerungen erfolgen praktisch nur im Bereich<br />
des Aufbaus und des Stoffes und nicht<br />
im Bereich der Wirkung auf den Zuschauer.<br />
Im Mittelalter wurde das Theater als Unterhaltung<br />
verbannt, ja sogar als Sünde angesehen.<br />
In diesem Sinne ist die Aussage des<br />
heiligen Augustinus anzuführen, der in<br />
seinen Bekenntnissen schrieb:<br />
"Und doch sündigte ich mein Herr und mein Gott,<br />
nicht in der Absicht, Besseres…zu erwählen, war ich<br />
ungehorsam, sondern aus Liebe zu Spielereien, und<br />
aus Begierde nach stolzen Siegen in Wettspielen, um<br />
durch erdichtete Märlein meine Ohren zu reizen, daß<br />
sie immer lüsterner wurden und mir dieselbe Neugierde<br />
immer mehr und mehr aus den auf die Schauspiele<br />
und die Spiele der Alten gehefteten Augen<br />
leuchtete." 4<br />
Das Theater wurde aber in derselben Zeit<br />
auch als erzieherisches Kirchenwerk verstanden<br />
(wie z.B. die Passionsspiele). Damit<br />
gelagen wir zur Aufklärung, in der das neue<br />
Menschenideal auch nach neuen Formen des<br />
Theaters verlangte. Erst im 18. Jahrhundert<br />
kam es dann dazu, daß die Gelehrten das<br />
Bedürfnis verspürten, das Theater zu verteidigen,<br />
so Gottsched in seiner Rede von<br />
1729:<br />
3 siehe auch Staehle, Ulrich (Hrsg) Theorie des<br />
Dramas, Stuttgart, Phillip Reclam jun., <strong>19</strong>92, S. 9.<br />
4 siehe auch Gronemeyer, Andrea Theater, Köln, Du<br />
Mont Buchverlag, <strong>19</strong>95, S. 35.