ZGR Nr. 19-20/2001 - Partea II
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Paradigmenwechsel in der rumäniendeutschen Erzählliteratur der Nachkriegszeit<br />
sprachigen Texten verdeckt, in jenen aus der<br />
Bundesrepublik offenkundig, gibt es die<br />
Tendenz, Historisches, besonders Ereignisse<br />
des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsjahre<br />
ins richtige Licht zu rücken.<br />
Diese Einstellung setzt bei den Autoren<br />
voraus, daß sie an die Möglichkeit der „Berichtigung“,<br />
implizit der Darstellung der<br />
Wahrheit, an Sinnstiftung durch das literarische<br />
Werk glauben. Die beeindruckende<br />
Anzahl der Werke, die sich stofflich und<br />
thematisch auf geschichtliches Geschehen<br />
festlegen 2 , belegen die innere Notwendigkeit<br />
der Autoren durch ihre Stoffwahl die durch<br />
das kommunistische Regime verbreiteten<br />
historischen Lügen und das schematischverschönernde<br />
Wirklichkeitsbild der Werke<br />
des Sozialistischen Realismus oft in episch<br />
breit angelegter Form zu widerlegen. Der<br />
Wahrheitsanspruch dieser Texte hat nicht<br />
nur thematische Konvergenzen bewirkt,<br />
sondern auch die Herausbildung bestimmter<br />
Erzählformen begünstigt, zum Beispiel des<br />
Bekenntnisromans, der Kindheits-, Kriegs-<br />
oder Nachkriegserinnerungen (Hans Liebhardts<br />
Weißkircher-Geschichten, Lillins<br />
Jodokus-Romane, Bergel „Der Tanz in<br />
Ketten“, „Wenn die Adler kommen“, Klaus<br />
Günther: „Der Regentänzer“, Schlattner<br />
„Der geköpfte Hahn“, Erwin Wittstock<br />
„Januar 45“ u. a.). Gerhard Csejka 3 zeichnet<br />
2 Andreas Birkner („Aurikeln“, <strong>19</strong>57; „Die<br />
Tatarenpredigt“, <strong>19</strong>73; „Das Meeresauge“, <strong>19</strong>76),<br />
Hans Bergel („Fürst und Lautenschläger“, <strong>19</strong>57; „Der<br />
Tanz in Ketten“, <strong>19</strong>72; „Wenn die Adler kommen“,<br />
<strong>19</strong>96), Klaus Günther („Der Regentänzer“, <strong>19</strong>73;<br />
„Geständnisse einer Drehorgel“, <strong>19</strong>77; „Spiel der<br />
bangen Jahre“, <strong>19</strong>83), Franz Heinz („Ärger, wie die<br />
Hund‘“,<strong>19</strong>91), Hans Wolfram Hocks („Regina unsere<br />
Mutter“, <strong>19</strong>82 u.v.a.), Hansjörg Kühn („Masken und<br />
Menschen“, <strong>19</strong>65), Heinrich Lauer („Kleiner Schwab,<br />
großer Krieg“, <strong>19</strong>87), zum Teil Hans Liebhardt, zum<br />
Teil Georg Scherg, Robert Schiff („Zither-Elegie“,<br />
<strong>19</strong>87), Eginald Schlattner („Der geköpfte Hahn“,<br />
<strong>19</strong>98), die Kriegserzählungen von Ludwig Schwarz,<br />
die Erzählungen und Romanfragmente Erwin Wittstocks,<br />
die nach <strong>19</strong>45 entstanden sind („Die Schiffbrüchigen“,<br />
„Das letzte Fest“, „Das jüngste Gericht in<br />
Altbirk“, „Januar 45 oder die höhere Pflicht“, <strong>19</strong>98),<br />
Joachim Wittstock („Ascheregen“, <strong>19</strong>85, aber auch<br />
andere kürzere Prosastücke), um einen Teil der Texte<br />
zu nennen, die in den Versicherungsdiskurs konvergieren.<br />
3 Gerhard Csejka: „Der Weg zu den Rändern, der Weg<br />
der Minderheitenliteratur zu sich selbst. Siebenbür-<br />
den sozialpsychologischen Prozeß nach, der<br />
zum Teil den Hintergrund der Versicherungsdiskurse<br />
bildet, indem er den Konservativismus<br />
der siebenbürgischen Schriftsteller<br />
als Abwehrhaltung gegen die Realität der<br />
Minderheitenexistenz erklärt. Der Rechtfertigungs-<br />
oder Berichtigungsdiskurs ist Ausdruck<br />
des nie aufgegebenen Bezugs zur<br />
Wirklichkeit, (diese Tatsache wurde oft<br />
hervorgehoben), und die Texte dieser Grundeinstellung<br />
sind demnach meistens regional<br />
verwurzelt.<br />
Die Entstehung eines neuen Erzählparadigmas<br />
ist sicherlich im Zusammenhang mit<br />
der Liberalisierungsphase zu sehen, die<br />
Mitte der sechziger Jahre eingeleitet wurde,<br />
als im Februar <strong>19</strong>65 an der Landeskonferenz<br />
des Rumänischen Schriftstellerverbandes<br />
Forderungen nach einer differenzierten und<br />
weniger dogmatischen Literatur gestellt<br />
wurden 4 .<br />
Es stellt sich die Frage, welche außergewöhnlichen<br />
Leistungen diese hier zu behandelnden<br />
Werke erbringen: Franz Storch:<br />
„Die Trompetenschnecke“ (<strong>19</strong>66), Arnold<br />
Hauser: „Der fragwürdige Bericht Jakob<br />
Bühlmanns“ (<strong>19</strong>68), Georg Scherg: „Der<br />
Mantel des Darius“ (<strong>19</strong>68), Paul Schuster<br />
„Vorwort. (Ein Fragment)“ (<strong>19</strong>68).<br />
In den unterschiedlichsten Formen<br />
erfolgt die Verabschiedung des Sozialistischen<br />
Realismus 5 : Storch gibt die Darstellung<br />
des Typischen, also des Nachahmenswerten<br />
durch den Verzicht auf den positiven<br />
Helden auf. Stattdessen tritt eine Frau mit<br />
ihrer gescheiterten Emanzipationsgeschichte<br />
in den Vordergrund 6 . Gesellschaftliches wird<br />
gisch-sächisische Vergangenheit und rumäniendeutsche<br />
Gegenwartsliteratur“. <strong>19</strong>93, S. 59f.<br />
4 Kegelmann (<strong>19</strong>95) S.23.<br />
5 Ähnliches bemerkt Georg Aescht, <strong>19</strong>89, bezüglich der<br />
Entwicklung der Kurzprosa.<br />
6 Franz Storchs Frauengeschichte erhält ihre Bedeutung<br />
im Kontext der zahlreichen Geschichten über Frauen,<br />
die in den siebziger Jahren in der DDR erschienen<br />
sind: Wolfs „Christa T.“ (<strong>19</strong>69), Irmtraud Morgners<br />
„Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach<br />
Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura“ (<strong>19</strong>74), Brigitte<br />
Reimann (<strong>19</strong>33-<strong>19</strong>73): „Franziska Linkerhand“ (<strong>19</strong>74,<br />
posthum erschienen), Gertie Tetzners Roman „Karen<br />
W.“ (<strong>19</strong>74), die Protokolle „Die Pantherfrau“ von<br />
Sarah Kirsch (<strong>19</strong>73, enthält 5 Tonbandgespräche),<br />
Maxie Wander: „Guten Morgen, du Schöne“ (<strong>19</strong>77,<br />
<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>19</strong>-<strong>20</strong>) / <strong>20</strong>01 183