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ZGR Nr. 19-20/2001 - Partea II

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Zu einigen Aspekten der Dramentheorie in der deutschen Literatur<br />

mit seinem Stäbchen einem Gott auf die Finger<br />

schlägt." 7<br />

Mit diesem plastischen Bild wird die<br />

Kritik am unüberlegten strengen Einhalten<br />

der Regeln dargestellt. Es ist äußerst klar,<br />

daß eine neue Form des Theaters angestrebt<br />

wird, in der Gesellschaft und Individuum<br />

naturgetreu und frei, unmittelbar dargestellt<br />

werden sollen. Schiller maß dem Theater<br />

eine erzieherische Wirkung zu in seinem<br />

Aufsatz Die Schaubühne als eine moralische<br />

Anstalt betrachtet:<br />

"Die Schaubühne ist mehr als jede andere<br />

öffentliche Anstalt des Staats eine Schule der<br />

praktischen Weisheit, ein Wegweiser durch das<br />

bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den<br />

geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. […]<br />

Die Schaubühne ist der gemeinschaftliche Kanal, in<br />

welchem von dem denkenden besseren Teil des Volks<br />

das Licht der Weisheit herunterströmt und von da aus<br />

in milderen Strahlen durch den ganzen Staat sich verbreitet.<br />

Richtigere Begriffe, geläuterte Grundsätze,<br />

reinere Gefühle fließen von hier durch alle Adern des<br />

Volkes; der Nebel der Barbarei, des finstren Aberglaubens<br />

verschwindet, die Nacht weicht dem<br />

siegenden Licht." 8<br />

Jedoch war das Publikum nicht ganz von<br />

diesem Gedanken begeistert und so wurde er<br />

von den Klassikern Goethe und Schiller aufgegeben.<br />

Sie entfernten sich von den Ideen,<br />

die sie in ihrer Jugend geprägt hatten und<br />

schrieben klassische Musterstücke für das<br />

"Weimarer Hoftheater", in denen statt der<br />

moralischen Erziehung des Publikums, die<br />

ästhetische den Vorrang hatte. Wichtig wird<br />

jedoch zur Zeit der Klassik ein Konzept, das<br />

auch schon von den Aufklärern angestrebt<br />

wurde, das des Nationaltheaters. Es geht<br />

nicht nur um den lehrenden Wert des<br />

Theaters, sondern auch um die Tatsache, daß<br />

Theater durch Mit-leiden und Mit-fürchten<br />

die Menschen verbrüdern kann, in einem<br />

mystischen Sinn:<br />

"Und dann endlich - welch ein Triumph für dich,<br />

Natur - so oft zu Boden getretene, so oft wieder aufstehende<br />

Natur - wenn Menschen aus allen Kreisen,<br />

Zonen und Ständen, abgeworfen jede Fessel der<br />

7 Lenz, Jakob Michael Reinhold Anmerkungen übers<br />

Theater in Glaser (Hrsg.) Wege der Deutschen<br />

Literatur-Ein Lesebuch, Ullstein Verlag, Frankfurt<br />

am Main, <strong>19</strong>75, S. 51.<br />

8 Schiller, Friedrich Die Schaubühne als eine<br />

moralische Anstalt betrachtet in Friedländer (Hrsg.)<br />

Schiller Ein Lesebuch unserer Zeit, Weimar,<br />

Thüringer Volksverlag, <strong>19</strong>53, S. 236-237.<br />

Künstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem<br />

Drange des Schicksals, durch eine allwebende<br />

Sympathie verbrüdert, in ein Geschlecht wieder aufgelöst<br />

ihrer selbst und der Welt vergessen und ihrem<br />

himmlischen Ursprung sich nähern. Jeder einzelne<br />

genießt die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert<br />

aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, uns<br />

seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum - es<br />

ist diese: ein Mensch zu sein." 9<br />

Nach der klassischen Periode folgen<br />

einige neue Anschauungen des Dramas, die<br />

auf die tiefgreifenden Änderungen der<br />

Theorie im <strong>20</strong> Jh. hinausdeuten. Die ersten<br />

Unterschiede erwiesen sich schon bei der<br />

romantischen Anschauung, von August<br />

Wilhelm Schlegel in seinem Aufsatz über<br />

dramatische Kunst und Literatur. Hier finden<br />

wir eigentlich schon den zugrundeliegende<br />

Unterschied zwischen der klassischen Kunst<br />

und der neuen, in diesem Fall romantischen<br />

Kunst: Schlegel charakterisiert die alte Kunst<br />

als "rhythmischen Nomos, eine harmonische<br />

Verkündigung der auf immer festgestellten<br />

Gesetzgebung einer schön geordneten und<br />

die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden<br />

Welt" 10 und die romantische<br />

Kunst als "Ausdruck des geheimen Zuges zu<br />

dem immerfort nach neuen und wundervollen<br />

Geburten ringenden Chaos, welches<br />

unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem<br />

Schosse sich verbirgt" 11 .<br />

So gut begründet ihre theoretischen<br />

Grundlagen auch waren, nahmen die<br />

Romantiker jedoch keinen direkten Einfluß<br />

auf das Drama. Die Neuerungen, die sich zu<br />

der Zeit ereignen, beziehen sich lediglich auf<br />

das Aufblühen der Regisseur-Funktion, beziehungsweise<br />

betrifft hauptsächlich die Inszenierungen.<br />

Auch später im Anschluß an<br />

die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaft<br />

und die Historienwidmung, begann<br />

man auch in der Inszenierung der klassischen<br />

Stücke möglichst naturgetreu<br />

vorgehen zu wollen. Die immer komplizierteren<br />

ästhetischen Ansichten richteten<br />

sich auf die Dramentheorie aus. So beschäftigte<br />

sich zum Beispiel im Jahre 1844<br />

Friedrich Hebbel in seinem Aufsatz Mein<br />

9 ebd. S. 238.<br />

10 Schlegel, August Wilhelm Über dramatische Kunst<br />

und Literatur in Staehle, Ulrich (hrsg.) Theorie des<br />

Dramas, Stuttgart, Philipp Reclam jun., <strong>19</strong>92, S. 53.<br />

11 ebd. S. 54.<br />

<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>19</strong>-<strong>20</strong>) / <strong>20</strong>01 165

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