Endbericht - TU Berlin
Endbericht - TU Berlin
Endbericht - TU Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
unter. Stillstehende Maschinen bedeuteten Verlust,<br />
es galt viele Arbeiter zu organisieren und den Arbeitsablauf<br />
möglichst reibungslos und schnell zu<br />
organisieren. Eine neue Tugend versprach eine<br />
bessere Zukunft, die Pünktlichkeit. Ziel wurde effizientes<br />
Produzieren, also möglichst viele Güter unter<br />
Einsatz möglichst weniger Produktionsmittel,<br />
wie Waren, Personal und Zeit. So wurde Zeit zum<br />
Rohstoff und war nicht länger Bezugspunkt. Das<br />
Effizienzdenken erhielt Einzug in alle Lebensbereiche<br />
und prägt unseren Lebensstil bis heute. (vgl.<br />
Rifkin 1987, S. 93 ff.).<br />
Nach und nach löste das materialistische Bild von<br />
„Zeit ist Geld“ der Kaufleute, das kirchliche Bild<br />
der Zeit als Geschenk Gottes, das sich durch das<br />
gesamte Mittelalter gezogen hatte auf. Fortschrittsdenken<br />
löste die tiefe kirchliche Gläubigkeit der<br />
Gesellschaft ab und es half, die Zeit zu planen,<br />
um sich der Zukunftsangst zu entziehen. Der neue<br />
Glaube war materieller Art, das Anhäufen möglichst<br />
vieler Güter wurde zum Ersatz (vgl. ebd. S.<br />
175 ff.).<br />
Der technologische Fortschritt brachte nun in der<br />
zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine Revolution,<br />
die sich mit der Verbreitung der Uhr vergleichen<br />
lässt und das Informationszeitalter einläutete.<br />
Computer schaffen eine völlig neue, erstmals nicht<br />
erlebbare Zeit und rücken somit Zeit wieder in den<br />
Mittelpunkt der gesellschaftlichen Veränderungen.<br />
Die historisch geprägte Vergangenheit, fest und<br />
linear, weicht einem formlosen und zeitlosen<br />
Datenberg, der je nach Zusammensetzung neue<br />
Bedeutung erlangt. Wer Computerprogramme<br />
programmiert, entwirft ein Stück Zukunft in der<br />
Gegenwart und entscheidet somit über zukünftige<br />
Entwicklungen, ohne an diesen zwingend beteiligt<br />
sein zu müssen. Information wird zu einer neuen<br />
Form gespeicherten Reichtums und Macht erlangen<br />
heute diejenigen, die Zugang zu Informationen<br />
haben bzw. diesen kontrollieren. Somit kann,<br />
wer über Informationen und Anwendungswissen<br />
verfügt, Macht über in Zukunft kommende Zeiten<br />
ausüben. Dies ist traditionell der Beginn von<br />
Machtmonopolen: die Menschen werden von der<br />
Kontrolle ihrer Zukunft getrennt und werden zu<br />
Gefangenen der Gegenwart (vgl. ebd., S. 200 ff.).<br />
In den heutigen Industriegesellschaften lässt sich<br />
feststellen, dass materielle und zeitliche Not einander<br />
bedingen und die schematische Benachteiligung<br />
sozial schwacher Bevölkerungsgruppen<br />
stark im zeitlichen Kontext zu sehen ist. Der tägliche<br />
Kampf ums Überleben hindert wirtschaftlich<br />
Benachteiligte daran, weit entfernte Pläne für die<br />
Zukunft zu schmieden. Dies spiegelt sich auch im<br />
Lebenslauf ihrer Kinder wider, die den Eintritt ins<br />
Arbeitsleben eher nicht zu Gunsten einer längeren<br />
Ausbildung verschieben (vgl. ebd. S. 215 ff.).<br />
Die Zeit des Individuums wird somit relevant in<br />
der Gerechtigkeitsdebatte, der Zusammenhang soll<br />
im folgenden Kapitel diskutiert werden.<br />
Für das Projekt geht es um Zeiten in der Stadt,<br />
die das Individuum beeinflussen. Diese spielen<br />
eine herausragende Rolle. Ob öffentlich, wie Öffnungszeiten,<br />
Fahrpläne, Ruhezeiten oder Feiertage,<br />
privat, wie Arbeitszeiten, gemeinsame Zeiten<br />
mit Familie/Freunden oder Zeiten für sich selbst,<br />
die zeitlichen Implikationen für die Alltage der<br />
Menschen sind allgegenwärtig. Die Vereinbarkeit<br />
dieser unterschiedlichen Zeitstrukturen ist eine<br />
wesentliche Voraussetzung zur Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben. Doch gesellschaftliche Veränderungen<br />
wie Beschleunigung und Flexibilisierung<br />
und die damit einhergehende Pluralisierung<br />
der Lebensstile bringen eine Vielfalt von individuellen<br />
Zeitformen hervor. Die sich auflösenden<br />
Zeitmuster führen dazu, dass kollektive Zeiten<br />
verloren gehen und die Prägekraft traditioneller<br />
Rhythmen abnimmt. Es kommt zu Zeitkonflikten,<br />
Überlagerungen und Gleichzeitigkeiten an die sich<br />
Taktgeber und Zeitinstitutionen anpassen müssen.<br />
Gerechtigkeit wird hier zum zentralen Thema, da<br />
manche Menschen stärker von den beschriebenen<br />
Phänomenen betroffen sind als andere.<br />
Die Zeit hängt in der Stadt stark vom Raum<br />
ab. Wie zuvor beschrieben, können historisch<br />
schlechter gestellte Räume einen Sog generieren,<br />
der den Raum in der Folge immer weiter in die<br />
21