Arbeitsbuch Kirchenvorstand 4 - Kirchengemeinde Wiesenbronn
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„Wer bin ich?“ – Wohl jede/r hat sich im Laufe des eigenen<br />
Lebens diese Frage hin und wieder gestellt. Die Frage nach der<br />
eigenen Identität gehört unaufgebbar zu unserer Persönlichkeit.<br />
Dass er nach sich selbst fragen kann, dass er sich hinterfragen<br />
kann, seine Selbstreflexion unterscheidet den Menschen<br />
vom Tier und ist Teil seiner menschlichen Würde. Vor<br />
allem in Zeiten des Übergangs von einem Lebensabschnitt in<br />
den nächsten stellt sich die Identitätsfrage immer von neuem:<br />
in der Jugend, in der Lebensmitte, zu Beginn des Ruhestandsalters.<br />
In solchen Phasen gehört sie ganz selbstverständlich zu<br />
unserer Entwicklung. Schwieriger und krisenhafter drängt sie<br />
sich bei plötzlichen Veränderungen und Herausforderungen in<br />
unser Bewusstsein: wenn wir durch eine Krankheit oder einen<br />
Unfall aus dem gewohnten Lebensrhythmus gerissen werden.<br />
Wenn wir eine wichtige Bezugsperson durch eine plötzliche<br />
Trennung oder durch den Tod verlieren. Wenn uns ein beruflicher<br />
Stellenwechsel oder ein Umzug zur Neuorientierung<br />
zwingen. Zum Lebensgefühl unserer Zeit – und das unterscheidet<br />
unsere Zeit von allen früheren Zeiten – gehört darüber<br />
hinaus die permanente Selbstreflexion. Anders als früher ändern<br />
sich die Lebensumstände für uns heutige Menschen kontinuierlich.<br />
Was gestern galt, gilt heute schon nicht mehr. Was<br />
heute „in“ ist, ist vielleicht morgen schon „megaout“. Wir haben<br />
mehr Wahlmöglichkeiten für unsere Lebensgestaltung als<br />
jede Generation vor uns. Wir sind aber eben auch stärker als<br />
unsere Vorfahren einem ständigen „Zwang zur Wahl“ ausgesetzt.<br />
Es gibt keine letzten Sicherheiten mehr, die über alle<br />
Situationen hinweg tragfähig wären. Es gibt keine allgemein<br />
verbindlichen Werte für alle. Es gibt keine Modelle der persönlichen<br />
Lebensführung, die fraglos Gültigkeit für andere oder<br />
gar alle beanspruchen könnten. Wie „man“ sich kleidet, wie<br />
„man“ seine Partnerschaft gestaltet, wie „man“ seine Kinder<br />
erzieht, wie „man“ sein Geld verdient oder seine Freizeit verbringt<br />
– all das unterliegt einem ständigen Wandel und verlangt<br />
immer neue Entscheidungen und Experimente. Die<br />
Identitätsfrage, die permanente Selbstreflexion hat längst alle<br />
Bereiche unserer Gesellschaft erfasst. Sie lässt sich nicht mehr<br />
auf einzelne Individuen eingrenzen. Auch größere Organisationen<br />
und Institutionen – Wirtschaftunternehmen ebenso wie<br />
politische Parteien und religiöse Gemeinschaften – sind von<br />
ihr bestimmt. Von daher erklärt sich die paradoxe Situation,<br />
dass sich gerade die Institutionen, die in der Vergangenheit<br />
Unsere Selbstbilder: Wie sehen wir uns selbst?<br />
1.1.<br />
„Wer sind<br />
wir?“<br />
Die Frage<br />
nach der<br />
eigenen<br />
Identität<br />
D 17