in Scientia Halensis
in Scientia Halensis
in Scientia Halensis
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
scientia halensis 4/2002<br />
....................................................................................<br />
Fachbereich Biologie<br />
................................................................................<br />
gären Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gesetzt: Die Männchen<br />
müssen nach e<strong>in</strong>er erfolgreichen Be-<br />
14<br />
gattung e<strong>in</strong>e weitere Kopulation des Weibchens<br />
vor der Eiablage verh<strong>in</strong>dern, damit<br />
ihr Sperma auch tatsächlich für die Befruchtung<br />
der Eier e<strong>in</strong>gesetzt wird. Bei<br />
manchen Insektenarten verstopfen die<br />
Männchen nach der Kopulation die weibliche<br />
Genitalöffnung mit e<strong>in</strong>em Pfropfen, so<br />
dass weitere Kopulationen physisch unmöglich<br />
s<strong>in</strong>d. Wüstenheuschrecken-Männchen<br />
können aber ke<strong>in</strong>en Kopulationspfropf<br />
bilden. Sie müssen daher auf dem<br />
begatteten Weibchen sitzen bleiben und es<br />
bewachen, bis es mit der Eiablage beg<strong>in</strong>nt.<br />
Diese Bewachungstechnik verbessern sie<br />
erheblich, <strong>in</strong>dem sie gleichzeitig das beschriebene<br />
Pheromon PAN abgeben. Dieses<br />
Repellens wirkt quasi als e<strong>in</strong>e olfaktorische<br />
Tarnkappe, mit der sie das paarungsbereite<br />
Weibchen duftmäßig vor Konkurrenten<br />
verbergen und diese auf Distanz<br />
halten (Abb. 4). Auf der anderen Seite ist<br />
es für e<strong>in</strong>en Konkurrenten durchaus s<strong>in</strong>nvoll,<br />
das Signal zu beachten, denn der<br />
Kampf um e<strong>in</strong> Weibchen ist zeitaufwendig<br />
und ungewiss. Das Männchen <strong>in</strong>vestiert<br />
se<strong>in</strong>e Zeit daher besser <strong>in</strong> die Suche nach<br />
e<strong>in</strong>em anderen Weibchen. E<strong>in</strong> solches Pheromon,<br />
das Begattungsversuche verh<strong>in</strong>dert<br />
oder unterdrückt, bezeichnet man als<br />
»courtship <strong>in</strong>hibition pheromone«. Mit<br />
synthetischem PAN konnten wir die Balzverh<strong>in</strong>derung<br />
belegen. PAN ist damit das<br />
erste bei Heuschrecken identifizierte<br />
Sexualpheromon.<br />
Fortsetzung der Forschungen<br />
Auch bei der Bildung und Abgabe stellt das<br />
PAN der männlichen Wüstenheuschrecken<br />
e<strong>in</strong>e Besonderheit dar: Sexualpheromone<br />
werden gewöhnlich <strong>in</strong> speziellen Drüsen<br />
gebildet. E<strong>in</strong>e solche Drüse konnte bislang<br />
jedoch nicht identifiziert werden. Vielmehr<br />
produzieren wahrsche<strong>in</strong>lich die Epidermiszellen<br />
im Thoraxbereich der Männchen das<br />
Pheromon und geben es unmittelbar nach<br />
der Bildung passiv ab. Die Regulation der<br />
Pheromon-Biosynthese erfolgt hormonal.<br />
E<strong>in</strong> Neurohormon, das die PAN-Bildung<br />
stimuliert, haben wir bereits entdeckt und<br />
teilweise gere<strong>in</strong>igt. Nach se<strong>in</strong>er Sequenzierung<br />
(<strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>er belgischen<br />
Arbeitsgruppe) und Synthese werden wir<br />
<strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, mit synthetischem Hormon<br />
die Regulationsmechanismen wesentlich<br />
e<strong>in</strong>gehender zu analysieren. Aber auch<br />
die Biosynthese von PAN als cyanogener<br />
Abb. 4: Verhaltenstests zur Repellens-Wirkung von PAN.<br />
A Trennt man e<strong>in</strong> gregäres kopulierendes Pärchen und ermöglicht anschließend dem Weibchen<br />
die Verpaarung mit e<strong>in</strong>em kopulationsbereiten, isoliert gehaltenem Männchen (ohne<br />
PAN-Abgabe), so wird dieses Paar von e<strong>in</strong>em gregären Männchen attackiert.<br />
B Wiederholt man das Experiment, tropft aber auf das isolierte Männchen das Pheromon<br />
PAN, so wird das Paar nicht attackiert.<br />
Verb<strong>in</strong>dung ist ebenso wie deren Regulation<br />
Gegenstand laufender DFG-geförderter<br />
Arbeiten.<br />
Die Wüstenheuschrecken stellen nicht die<br />
e<strong>in</strong>zige Heuschreckenart dar, die zur<br />
Schwarmbildung neigt und deren Populationen<br />
zwischen solitärer und gregärer Phase<br />
oszillieren. Auch die anderen ähnlichen<br />
Arten sollten Adaptationen <strong>in</strong> Form unterschiedlicher<br />
Taktiken im Paarungsverhalten<br />
haben. Wenden diese Arten ähnliche Tricks<br />
wie die Wüstenheuschrecken an oder haben<br />
sie völlig andere Strategien? Und lassen<br />
sich aus dem Paarungsverhalten unter Umständen<br />
Methoden ableiten, die Schwarmbildung<br />
der jeweiligen Arten im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />
<strong>in</strong>tegrierten Pflanzenschutzes kontrollieren<br />
zu können? Diese Fragen s<strong>in</strong>d Gegenstand<br />
aktueller Arbeiten.<br />
Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz (Jg. 1946) studierte<br />
an der Universität Köln und wurde<br />
dort auch promoviert (1966–1973). Er<br />
war als Wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>in</strong><br />
den Niederlanden, <strong>in</strong> Darmstadt und <strong>in</strong> Oldenburg<br />
tätig. 1985 habilitierte er sich an<br />
der Universität Oldenburg und lehrte dort<br />
als Professor auf Zeit. Se<strong>in</strong> Fachgebiet ist<br />
die Insektenphysiologie. Seit vielen Jahren<br />
befasst er sich mit der Physiologie und dem<br />
Verhalten von Wanderheuschrecken. Für<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterien und <strong>in</strong>ternationale Organisationen<br />
(u. a. UN, FAO) war er <strong>in</strong><br />
Fragen der Heuschreckenbekämpfung beratend<br />
tätig. 1995 folgte er dem Ruf nach<br />
Halle auf e<strong>in</strong>e Professur für Tierphysiologie.<br />
Dr. Karsten Seidelmann (Jg. 1965) studierte<br />
1986–1991 Biologie an der Universität<br />
Halle und wurde 1995 promoviert. Seit<br />
1996 ist er als Wissenschaftlicher Assistent<br />
und Wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>in</strong> der<br />
Abteilung Tierphysiologie des Zoologischen<br />
Instituts tätig. Se<strong>in</strong> besonderes Interesse<br />
gilt den Paarungsstrategien von Mauerbienen<br />
und Wanderheuschrecken.