in Scientia Halensis
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scientia halensis 4/2002<br />
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Fachbereich Biologie<br />
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kann. E<strong>in</strong>ige Pflanzen haben Strategien entwickelt,<br />
die ihnen erlauben, nach Feuern<br />
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schnell wieder auszutreiben oder davon zu<br />
profitieren, dass die Konkurrenz nach e<strong>in</strong>em<br />
solchen Inferno nahezu ausgeschaltet<br />
ist. Zwei Anpassungstypen lassen sich unterscheiden:<br />
1. Arten, deren generative Reproduktion<br />
durch Feuer stimuliert wird<br />
und 2. Arten, deren Erneuerungsknospen<br />
geschützt s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> schönes Beispiel für feuerstimulierte<br />
Keimung ist der Schmetterl<strong>in</strong>gsblütler Calicotome<br />
<strong>in</strong>termedia. Dieser üppig gelbblühende<br />
Strauch wartet buchstäblich auf<br />
die Hitze, die e<strong>in</strong> Feuer erzeugt. Im Laborversuch<br />
zeigt die Art nur nach e<strong>in</strong>em Temperaturschock<br />
von >80 °C nennenswerte<br />
Keimungsraten. Die unbehandelten Samen<br />
der Kontrolle keimen nur zu etwa zwei<br />
Prozent. E<strong>in</strong>e echte Pyroman<strong>in</strong>! Durch<br />
Brand ebenfalls nicht kle<strong>in</strong> zu kriegen ist<br />
Juniperus oxycedrus, e<strong>in</strong>e mediterrane<br />
Wacholderart. Diese entwickelt im Lauf der<br />
Jahre e<strong>in</strong>e verholzte Anschwellung an der<br />
Sprossbasis, die teils ober-, teils unterhalb<br />
der Oberfläche liegt und schlafende Ruheknospen<br />
enthält. Sie fungiert zugleich als<br />
Speicherorgan für Wasser, Kohlenhydrate<br />
und Nährstoffe und ist daher nach e<strong>in</strong>em<br />
Feuer zu rascher Regeneration befähigt.<br />
Stimuliert wird der Neuaustrieb der dormanten<br />
Knospen durch den Verlust an<br />
wachsendem Gewebe. Dadurch werden<br />
ke<strong>in</strong>e Phytohormone mehr gebildet, die das<br />
Wachstum von Ruheknospen unterdrücken.<br />
Schon nach e<strong>in</strong>igen Jahren s<strong>in</strong>d die<br />
»Brandwunden« nicht mehr zu sehen.<br />
Trotz Dürre: reges Pflanzenleben <strong>in</strong> der<br />
südostspanischen Halbwüste!<br />
Für Wüstenpflanzen spielt die Fortpflanzung<br />
durch Samen und Früchte e<strong>in</strong>e große<br />
Rolle, da diese e<strong>in</strong> widerstandsfähiges<br />
Ruhestadium darstellen, mit dem sie die<br />
langen ungünstigen Zeiträume zwischen<br />
den kurzen Wachstumsperioden überdauern.<br />
Doch wie die sich anschließende risikoreiche<br />
Phase überstehen? In Trockenregionen,<br />
<strong>in</strong> denen Niederschlagsereignisse<br />
selten und unvorhersehbar s<strong>in</strong>d, ist es für<br />
e<strong>in</strong>e Pflanze überlebenswichtig, dass die<br />
Keimung ihrer Samen zur richtigen Zeit<br />
Heterodiasporie beim Rauen Löwenzahn (Leontodon hispidus ssp. taraxacoides): v. l. n. r. äußere,<br />
mittlere, zentrale Achäne<br />
und am richtigen Ort stattf<strong>in</strong>det. Genau<br />
wie <strong>in</strong> Mitteleuropa blühen und fruchten <strong>in</strong><br />
den südostspanischen Halbwüsten die<br />
meisten Arten im Mai – und damit zu Beg<strong>in</strong>n<br />
der heiß-trockenen Sommermonate.<br />
Zu dieser Zeit auszukeimen wäre selbstmörderisch.<br />
Im Gegensatz zu den Röhrichtpflanzen<br />
streben Wüstenpflanzen ke<strong>in</strong>e<br />
Fernausbreitung an, denn <strong>in</strong> Offenlandschaften<br />
ist die Gefahr groß, durch W<strong>in</strong>d<br />
oder Tiere an e<strong>in</strong>en Ort verfrachtet zu werden,<br />
der als Lebensraum ungeeignet ist. Daher<br />
f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Wüsten viele Mechanismen,<br />
die die Ausbreitung hemmen: die Samen<br />
kleben, bohren sich schnellstmöglich<br />
<strong>in</strong> den Boden e<strong>in</strong>, oder – verbleiben zunächst<br />
<strong>in</strong> der Obhut der Mutterpflanze,<br />
auch wenn diese längst abgestorben ist. Die<br />
Bildung »oberirdischer Samenbanken«<br />
dient dazu, große Verluste an Samen durch<br />
stürmischen W<strong>in</strong>d zu vermeiden, sich vor<br />
den überall präsenten Ernteameisen zu<br />
schützen und sicherzustellen, dass Ausbreitung<br />
und Keimung auch tatsächlich zur<br />
geeigneten Zeit, nämlich erst bei feuchter<br />
Witterung erfolgen. Die Vorteile der Ausbreitungshemmung<br />
<strong>in</strong> Extremlebensräumen<br />
liegen auf der Hand – die nächste Generation<br />
bleibt an dem Ort, der sich für die Mutterpflanze<br />
bereits als günstig erwiesen hat.<br />
Zur Gruppe der Sommersteher gehört Leontodon<br />
hispidus ssp. taraxacoides, e<strong>in</strong>e<br />
Unterart des Rauen Löwenzahns, an der<br />
sich e<strong>in</strong> weiterer, häufig mit Wüsten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
gebrachter Mechanismus beobachten<br />
lässt: die Ausbildung morphologisch<br />
unterschiedlicher Früchte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>- und demselben<br />
Köpfchen! Diese werden durch verschiedene<br />
Agenzien (z. B. W<strong>in</strong>d, Tiere,<br />
Wasser) und zu verschiedenen Zeiten ausgebreitet:<br />
während die pappustragenden<br />
zentralen Achänen gleich nach der Reife<br />
weit davonfliegen, bleiben die <strong>in</strong> den Hüllblättern<br />
e<strong>in</strong>geschlossenen äußeren Früchte<br />
viele Monate mit der Mutterpflanze verbunden.<br />
Diese Fruchttypen unterscheiden<br />
sich auch <strong>in</strong> ihrem Keimverhalten deutlich<br />
und reagieren damit jeweils auf ganz bestimmte<br />
Umweltreize. Mit der »Heterodiasporie«<br />
ist größte Flexibilität und Differenzierung<br />
der Ausbreitung und Keimung<br />
<strong>in</strong> Raum und Zeit gegeben – und damit die<br />
bestmögliche Risikoverteilung, die bei<br />
Pflanzen denkbar ist!<br />
Fazit: Die Fähigkeit, Erbmaterial zu klonen,<br />
hat <strong>in</strong> Wissenschaft und Gesellschaft<br />
e<strong>in</strong>e Vielzahl positiver Anwendungen gefunden.<br />
In der Natur h<strong>in</strong>gegen muss genetische<br />
Diversität erhalten bleiben, denn nur<br />
diese ermöglicht das notwendige Spektrum<br />
der evolutionären und ökologischen Anpassungen<br />
an e<strong>in</strong>e sich wandelnde Umwelt!<br />
Isabell Hensen, Jg. 1960, studierte Biologie<br />
<strong>in</strong> Oldenburg, wurde <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen promoviert,<br />
habilitierte sich <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und folgte<br />
1999 e<strong>in</strong>em Ruf an die Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität,<br />
wo sie die Fächer Pflanzenökologie<br />
und Vegetationskunde lehrt.<br />
Astrid Grüttner, Jg. 1960, studierte an der<br />
Universität Freiburg im Breisgau und<br />
wurde dort promoviert. Von 1992 bis 2000<br />
war sie Wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> am<br />
Institut für Geobotanik; seit 2001 wird der<br />
Abschluss ihrer Habilitation mit e<strong>in</strong>em<br />
Forschungsstipendium des Landes Sachsen-Anhalt<br />
gefördert.<br />
Constanze Ohl, Jg. 1975, studierte Biogeographie<br />
<strong>in</strong> Saarbrücken und ist seit 2001<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> am Institut<br />
für Geobotanik.